Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 21.07.2019

Ein schlauer Spieler, der den Stock reinhält

AUS DEM TRAININGSLAGER (XI) – Edimilson Fernandes gilt den 05ern als Stratege im Mittelfeld. Bei der Verpflichtung des Schweizers hatten sie einen Fürsprecher aus den Reihen der Frankfurter Eintracht.
Die Tage, in denen Edimilson Fernandes mit Athletiktrainer Sven Herzog Runden drehen muss, während die Kollegen mit Ball arbeiten, sind vorbei.
Die Tage, in denen Edimilson Fernandes mit Athletiktrainer Sven Herzog Runden drehen muss, während die Kollegen mit Ball arbeiten, sind vorbei. | Peter H. Eisenhuth

Grassau. Der Samstag war ein guter Tag für Edimilson Fernandes. Vermutlich der beste, seit der 23-Jährige seinen Dienst beim FSV Mainz 05 angetreten hat. Kurz vor Ende des Trainingslagers im bayerischen Grassau nämlich konnte er erstmals eine komplette Einheit mit der Mannschaft absolvieren. „Und er hat sogar ein Tor geschossen“, merkte Sandro Schwarz erfreut an.

In den zweieinhalb Wochen zuvor musste der Trainer auf seinen Neuzugang verzichten. Ein Infekt hatte den Schweizer gleich mal außer Gefecht gesetzt, als die Krankheit abgeklungen war, stand lediglich individuelles Lauf- und Athletiktraining auf dem Programm. Am Sonntagnachmittag soll er im auf 4x30 Minuten angesetzten Testspiel gegen Jahn Regensburg zum Einsatz kommen; wer sich die Partie in Heimstetten bei München anschaut, darf sich laut Schwarz auf einen „schlauen Spieler in Ballbesitz“ freuen, „der aber auch den Stock reinhalten kann, um für Balleroberungen zu sorgen“.

Schon als 17-Jähriger hatte Fernandes für den FC Sion in der Super League gespielt, insgesamt kam er dort auf 48 Einsätze, wurde Schweizer Pokalsieger und sammelte Europa-League-Erfahrung, bevor er 2016 zu West Ham United wechselte. Auch dort etablierte er sich als feste Größe und war dennoch froh über das Leihgeschäft, das ihn nach zwei Jahren zum AC Florenz führte. „Es hat mich nicht sonderlich tangiert, dass ich in England auf der rechten Seite eingesetzt wurde“, erzählt er, das Angebot der Italiener sei jedoch mit der Zusage verknüpft gewesen, auf seiner angestammten Position spielen zu dürfen. Als Sechser oder Achter. Genau dafür haben ihn auch die 05er geholt.

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Außergewöhnliche Klarheit

„Wir wollten einen Strategen im Mittelfeld, der die Bälle haben möchte und das Spiel lesen kann“, sagt Sandro Schwarz. Eigenschaften, die Fernandes mitbringe. „Er ist ein guter Fußballer mit gutem Freilaufverhalten und guter Passschärfe und -qualität.“ Nicht nur die Fähigkeiten es Spielers auf dem Platz, auch dessen Verhalten in den Gesprächen nennt der Coach als Gründe für die Verpflichtung. Schon beim ersten Treffen habe für Fernandes festgestanden, nach Rheinhessen zu wollen. „Für einen, der schon einiges gesehen hat, war das eine außergewöhnliche Klarheit.“

Wenn man so will, hatten die 05er zuvor auch einen prominenten Fürsprecher: Edimilson Fernandes‘ neun Jahre älteren Cousin Gelson Fernandes, seines Zeichens Profi der Frankfurter Eintracht. Der habe im viel über Mainz erzählt und ihm zu diesem Schritt geraten, „weil ich dort sehr gute Fortschritte machen könne“ – diesen Eindruck habe er inzwischen selbst gewonnen. Nicht nur, weil bereits wenige Tage in der neuen Umgebung ausreichten, um festzustellen, dass ihm athletisch und läuferisch einiges mehr abverlangt wird als an seinen bisherigen Stationen.

Cousin will nicht antreten

Zu seinem Cousin habe er eine sehr enge Bindung, mit ihm tausche er sich seit langer Zeit immer wieder aus. Gemeinsam auf dem Platz standen die beiden auch schon: für die Schweizer Nationalmannschaft, in der Edimilson 2016 debütierte, aus der Gelson im vorigen Jahr jedoch zurücktrat. Dass die Cousins demnächst einander gegenüberstehen... werde nicht passieren, sagt der Neu-Mainzer und lacht. „Mein Cousin hat gesagt, er wird im Derby aus familiären Gründen nicht spielen. Er hat Angst vor mir und meinen Dribbelqualitäten.“

Mag der Vetter in vielerlei Hinsicht ein Vorbild sein: In einem Punkt mag Edimilson Fernandes ihm auf keinen Fall nacheifern – er wolle nicht durch so viele Länder ziehen und für so viele Klubs spielen wie Gelson. Dessen Karriere führte von Sion über Manchester City, AS Saint-Etienne, Chievo Verona, Leicester City, Udinese Calcio, Sporting Lissabon, kurz zurück nach Sion und weiter nach Freiburg, Rennes und schließlich Frankfurt. „Mir ist es lieber, mehr oder minder in einer Mannschaft zu sein“, sagt Edimilson. „Es ist nicht so einfach, sich überall neu einzuleben.“

Frühe Krise durchlaufen

Konsequenterweise hätte er zwar zur kommenden Saison zu West Ham zurückkehren müssen; Trainer Manuel Pellegrini habe auch um seine Rückkehr geworben. In Mainz könne er sich jedoch besser entwickeln, glaubt Fernandes, und Vladimir Petkovic teile diese Einschätzung. Der Schweizer Nationalcoach sei glücklich über die Entscheidung für die 05er, „weil die Bundesliga ein starker Wettbewerb ist“.

Körperlich und mental sei er in den vergangenen Jahren gewachsen, erzählt der Mann, der als 17-Jähriger schon kurz davor stand, sich vom professionellen Fußball zu verabschieden. „Ich habe nicht mehr an meine Karriere geglaubt, ich hatte Angst, in der Ersten Mannschaft zu spielen.“ Woher diese Angst rührte, könne er gar nicht mehr sagen. Was er weiß, ist, dass sein damaliger Coach in Sion, Didier Tholot, ihn aus der Krise herausgeführt hat. „Er hat mich an der Hand genommen, und ich habe mich durchgebissen.“

 

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