Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 20.07.2019

Öztunali weiß von nichts

AUS DEM TRAININGSLAGER (IX) – Der U-21-Nationalspieler des FSV Mainz 05 sagt, er habe zwei Wochen lang nicht aufs Handy geschaut und sich noch keine Gedanken über einen möglichen Vereinswechsel gemacht.
Dynamische Abschlüsse hat Levin Öztunali im Repertoire. Er packt sie nur zu selten aus.
Dynamische Abschlüsse hat Levin Öztunali im Repertoire. Er packt sie nur zu selten aus. | Eva Willwacher

Grassau. Levin Öztunali ist mit seinen 23 Jahren noch immer ein junger Fußballspieler. Nach 113 Bundesligaeinsätzen aber ist er lange genug im Geschäft, um zumindest vage zu ahnen, mit welchen Themen er in Pressegesprächen konfrontiert wird. Dass der zumindest im Umgang mit Journalisten eher introvertierte Profi des FSV Mainz 05 nicht die ganz große Lust verspürt, sich dazu zu äußern, ist sein gutes Recht. Sein Versuch in der Medienrunde während des Trainingslagers, diesen Themen zu entgehen, war immerhin originell. „Noch Fragen?“, unterbrach er einen Moment der Stille, in dem sich die Reporter sortierten.

Das Protokoll verzeichnete an dieser Stelle allgemeine Heiterkeit, was allerdings nicht dazu führte, dass ein möglicher Vereinswechsel Öztunalis im Laufe dieser Transferperiode nicht mehr angesprochen wurde. Nur: Glaubt man dem Spieler, der wegen seiner Teilnahme an der U-21-Europameisterschaft erst am Donnerstag wieder ins Training einsteigen musste, weiß er in dieser Beziehung von nichts. „Mein Kenntnisstand ist der, dass ich erstmal im Urlaub und in dieser Zeit nicht am Handy war.“

Echt, das geht? „Ja, das geht.“ Kann man glauben, muss man nicht.

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„Ein Trainer, den man kennt“

Dass der FC Augsburg an einer Verpflichtung des gebürtigen Hamburgers interessiert ist, verwundert nicht. Schließlich war es der heutige Trainer der Schwaben, Martin Schmidt, der Öztunali im Sommer 2016 nach Mainz holte und ihn als „Rakete auf der Außenbahn“, wie maßgeschneidert für das Schmidtsche Umschaltspiel, würdigte. Und als der Schweizer in der vorigen Saison vorübergehend für den VfL Wolfsburg tätig war, wollte er den Außenstürmer im Winter ebenfalls dorthin lotsen. Der Deal scheiterte, weil er den VfL-Verantwortlichen zu teuer war.

Das Ganze werde „natürlich groß aufgebauscht“, sagt Öztunali, räumt aber ein, nicht zu wissen, wie die Medien es dargestellt haben. Martin Schmidt sei „natürlich ein Trainer, den man kennt, was aber nicht heißt, dass man da hinwechseln muss“.

Weder habe er sich Gedanken über einen solchen Schritt gemacht („Ich bin jetzt hier, habe Bock aufs Trainingslager, darauf liegt mein Fokus“) noch wisse er von einem Angebot. „Und wenn ein Angebot kommt, kommt es eh nicht zuerst bei mir an.“ Etwas dazu sagen „kann man immer nur in dem Moment, wenn eines kommt“.

„Es waren nicht nur schlechte Spiele dabei“

Immer wieder auffällig war in den vergangenen Jahren, dass Öztunali, mit der deutschen U19 und der U21 Europameister geworden und zuletzt erst im Finale an Spanien gescheitert, im Nationaltrikot in aller Regel bessere Leistungen abruft als im Verein. Bisweilen klaffen regelrechte Schluchten zwischen den Auftritten hier und dort. Der Spieler selbst sieht das anders, stellt seine Sicht der Dinge aber ausgesprochen defensiv dar.

„Ich habe auch gute Spiele gemacht, es waren nicht nur schlechte dabei“, sagt er. Hertha, Schalke, Stuttgart beispielsweise seien gute Partien gewesen, „die wir gewonnen haben. Das muss man auch im Kopf behalten“. Für die Außenwahrnehmung müsse er vielleicht noch effektiver werden, „dann sieht alles nicht so negativ aus“. Wichtig sei ihm allerdings die Bewertung seiner Leistung durch den Trainer, nicht das, was die Medien hineininterpretierten.

Levin Öztunali, das darf man bei seiner Beurteilung nicht vergessen, spielt in der Nationalelf eine andere Rolle als im Klub. Stefan Kuntz setzt ihn als Rechtsaußen ein, bei Sandro Schwarz existiert dieser Job seit der Umstellung auf Raute nicht mehr. Öztunali bekam seine Einsätze auf der halbrechten Position, die zwangsläufig defensiver ausgerichtet ist. In der U21 sei er nach Ballgewinnen näher am Tor, dadurch böten sich mehr Gelegenheiten zu eigenen Treffern oder Vorbereitungen.

Kommt ein Angebot, darf er gehen

Dafür sei die Achterposition mit mehr Ballkontakten verbunden. „Ich bin einen Tick mehr im Spiel, ich kann auch mit nach vorne gehen“, sagt er. Dafür wolle er sich ab sofort wieder empfehlen. „Ich versuche einfach, häufiger die Leistung zu bringen mit Toren, Vorlagen und gewonnenen Zweikämpfen. Ich glaube, ich kann etwas in die Mannschaft einbringen.“

Tatsächlich hatte er zu Beginn der vorigen Saison überzeugende Partien absolviert, auch im andalusischen Wintertrainingslager hinterließ er einen glänzende Eindruck. So dynamisch, so zielstrebig, so selbstbewusst, wie er dort auftrat, wünschen die Verantwortlichen ihn sich immer. Ob sie noch damit rechnen, ist fraglich. Zwar sagt Schwarz, für ihn sein Öztunali „ein Mainz-05-Spieler“, der wie jeder andere behandelt werde, nach seinem späten Einstieg in die Vorbereitung in einem angemessenen Tempo wieder in Training integriert werde und auch für den Test gegen Jahn Regensburg am Sonntag infrage komme. Aber es ist auch davon auszugehen, dass der Verein Öztunali ziehen ließe, sollte ein vernünftiges Angebot auf den Tisch kommen.

Hoffen auf Olympiateilnahme

Was Öztunalis Abschlussbilanz angeht: Die ist ausbaufähig. 2016/17 trat er als fünfmaliger Torschütze und mit sechs Assists in Erscheinung. 2017/18 blieben die Tore aus, vier bereitete er immerhin noch vor. In der vorigen Spielzeit waren es null Tore, zwei Assists. Dass die Zahl seiner Einsätze rückläufig war (30/25/15), hing mit Verletzungen zusammen, darf man aber auch als Folge seiner Bilanzen betrachten – obschon Trainer Sandro Schwarz lange Zeit an Öztunali wegen dessen Quote als Vorbereiter festhielt.

Die Auftritte bei der U-21-Europameisterschaft – Öztunali („Man hat dazu beigetragen, dass wir so weit gekommen sind“) stand in allen sechs deutschen Spielen in der Anfangsformation – hätten sein Selbstvertrauen gestärkt. Ob weitere Einsätze im ältesten deutschen Nachwuchsteam hinzukommen, ist freilich ungewiss. „Die Jugendzeit ist vorbei“, sagt er, verhehlt aber nicht die Hoffnung, als einer der zulässigen drei älteren Akteure weiterhin nominiert zu werden. Am liebsten bis Sommer kommenden Jahres, wenn die Olympischen Spiele anstehen. „Das wäre eine sehr, sehr schöne Sache.“

Öztunali wäre nach Silbermedaillengewinner Jannik Huth in Rio vor drei Jahren der zweite 05er bei Olympia. Vielleicht aber auch nach Philipp Max der zweite Augsburger.

 

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