Guido Steinacker | 24.05.2019

Erinnerungen an wahnsinnige Momente

Im Bruchwegstadion erinnerte der FSV Mainz 05 zusammen mit gut 2500 Fans an die Bundesligaaufstiege der Jahre 2004 und 2009 und ihre Helden. Nach einem Legendenspiel mit vielen ehemaligen 05-Profis wurde mit einem Bühnenprogramm weitergefeiert.
Der (tragische) Aufstiegsheld von 2004, Michael Thurk, versuchte sich im Legendenspiel anders als damals gegen Eintracht Trier vergeblich um ein Torerfolg, bis schließlich ein Strafstoß weiterhalf.
Der (tragische) Aufstiegsheld von 2004, Michael Thurk, versuchte sich im Legendenspiel anders als damals gegen Eintracht Trier vergeblich um ein Torerfolg, bis schließlich ein Strafstoß weiterhalf. | Bernd Eßling

Mainz. Auf das etwas gehobene Alter der Altstars wurde Rücksicht genommen. Auf halbem Spielfeld präsentierten sich die 05-Aufstiegshelden der Jahre 2004 und 2009 im „Legendenspiel“ beim Aufstiegsjubiläumsfest im Bruchwegstadion. Und beide Mainzer Teams „mussten“ auch nur jeweils eine halbe Stunde die 60 Meter rauf- und runterrennen. Dabei wirkten auch die um zehn oder fünfzehn Jahre gealterten Profis durchweg noch ziemlich fit. Beim flotten Schaukicken gegen eine Mischauswahl der Gegner der letzten Saisonspiele, Eintracht Trier (2004) und RW Oberhausen (2009), setzten die 05er sich mit 7:5 (4:2) durch – was natürlich nicht besonders wichtig war.

Das Spiel war nur ein Element eines langen Feierabends in der altehrwürdigen Stätte der Triumphe. An der Mittellinie stand ein großer Bühnenaufbau, vor dem sich die Fans nach dem Spiel versammelten – der eigentlich geplante „Platzsturm“, in Erinnerung an die turbulenten Jubelszenen nach den Aufstiegen angekündigt, entfiel aufgrund des gesitteten Anmarsches der rund 2500, fast durchweg mit roten Trikots gekleideten Zuschauer auf Haupt- und Südtribüne auf den Rasen. Auch die Fans, die aus sentimentaler Erinnerung an die historischen Spiele gekommen waren, sind eben seit damals  gereift.

Sportjournalist Martin Quast hatte für die Fans einen emotionalen filmischen Rückblick auf die Aufstiegsgeschichte der 05er zusammengestellt, der auf der Leinwand auf der Bühne eingespielt wurde. Mit den Scheitern im Aufstiegskampf der Jahre 2002 und 2003 begann das Werk, denn nur so ist es zu verstehen, dass Jürgen Klopp, den Quast im Film neben Marco Rose und Dimo Wache die Erlebnisse rund um die Aufstiege schildern ließ, den Fans versicherte, dass „der Aufstieg 2004 mit Mainz 05 mein größter sportlicher Erfolg ist“. Welch eine Botschaft nach zwei Deutschen Meistertiteln mit Borussia Dortmund und eine Woche vor dem erneuten Champions-League-Finale mit seinem aktuellen Klub.

Launige Anekdoten von den Aufstiegsfeiern

Klopp schilderte im Video im Sweater des FC Liverpool, aber mit Mainz-05-Fanutensilien um sich herum von der Insel aus launige Anekdoten zu dem Feierlichkeiten nach den Aufstiegen. Ähnlich wie der Aufstiegstrainer hatte sich Markus Feulner geäußert, als Quast ihn während des Legendenspiels am Spielfeldrand interviewte. Feulner hatte immerhin vor seinem Wechsel nach Mainz mit Bayern München und nach seiner Zeit am Bruchweg mit Borussia Dortmund Deutsche Meistertitel gesammelt. „Aber der Aufstieg mit Mainz 05 steht an erster Stelle, denn hier war ich viel stärker an dem Erfolg beteiligt“, erläuterte der 37-Jährige, warum der Aufstieg 2009 die prägendste Erfahrung geblieben sei.

Die Stadionsprecher Kaus Hafner und Andreas Bockius stellten vor dem Legendenspiel die 27 Mainzer Spieler einzeln vor. Sie alle hatten entweder beim 3:0 (1:0)-Sieg über Eintracht Trier am 23. Mai 2004 oder beim 4:0 (2:0) gegen RW Oberhausen am 24. Mai 2009 das Trikot der 05er getragen. Die Akteure liefen, vom Kabinengang kommend, winkend an dem Fanblock vorbei, beste Gelegenheit für Grüße und Sympathiekundgebungen. Das ergab ein sehr klares Bild, wer den Fans besonders positiv in Erinnerung geblieben ist.

Der Applausometer schlug bei den Ehrenspielführern Dimo Wache und Nikolce Noveski besonders hoch aus, auch Toni da Silva, Niko Bungert, dessen Abschied vom Fußball vor wenigen Wochen verhinderte, dass die 05er noch immer einen Helden von damals im Kader haben, und Sandro Schwarz wurden mit Jubelstürmen begrüßt. Am lautesten wurde es allerdings beim Elkin Soto, was nicht nur damit zu tun haben dürfte, dass der 38-jährige Kolumbianer extra für die Jubiläumsfeier aus seiner Heimat angereist war.

Drei erlebten beide Aufstiege

Jürgen Kramny, Dimo Wache und Marco Rose sind die einzigen 05er, die in beiden Aufstiegsjahren zum Kader gehörten. Kramny und Wache spielten beim Legendenspiel nicht mit, Rose war nicht in Mainz dabei. Wie natürlich auch der eine oder andere weitere Aufstiegsheld. Manuel Friedrich etwa, 2004 Teil des Teams und Torschütze des 2:0, hätte gerne teilgenommen, war aber in seiner neuen Profession als Golfer eingespannt.

Auch die Gegner hatten einen besonders interessanten Spieler mitgebracht. Nico Patschinski war 2004 Teil der Trierer Mannschaft, die den ersten Mainzer Bundesligaaufstieg erlebte. Der Berliner Vereinswanderer, der in seiner Karriere nicht weniger als 15 Stationen durchlief, hatte als Wahlhamburger Aufmerksamkeit erregt, weil er in der Hansestadt einst als Bestatter und aktuell als Busfahrer ungewöhnliche Berufe für einen Fußballrentner wählte. „So ist das, wenn man in jeder Stadt Frau und Kinder hat“, erklärte der 42-Jährige im Interview mit Quast seinen hohen Bekanntheitsgrad, obwohl seine Bundesligakarriere sich auf ein Jahr mit dem FC St. Pauli (2001/02) beschränkt. Und dass er sich als Bestatter betätigt? Na klar, „nachdem Mainz 05 mich nicht genommen hatte, dachte ich mir, ich beschäftige mich mit dem Tod".

In den letzten fünf Minuten des Legendenspiels flimmerten über die Leinwand zugleich die letzten fünf Minuten der Liveübertragung aus dem Jahr 2004. Die Fans nutzten nach dem Spiel auf dem Rasen die Gelegenheit reichlich, mit den Spielern ins Gespräch zu kommen, Fotos zu machen und Autogramme zu sammeln. Auf der Bühne wurden nach dem Filmbeitrag und dem Beginn der Sängerkarriere von Sandro Schwarz als Duettpartner von Oliver Mager weitere Interviews mit Verantwortlichen des Aufstiegs wie Ex-Präsident Harald Strutz geführt und Livemusik geboten. Dabei drängten sich die Fans aber nicht unbedingt vor der Bühne, die Verpflegungsstationen am Rande des Stadions wurden genauso rege frequentiert. Thomas Neger und die „Humbas" sowie die „RotRockRapper" waren zum Abschluss des Programms auf der Bühne vorgesehen.

Eine Fotogalerie zur Jubiläumsfeier findet sich hier.

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