Bundesliga | Gert Adolphi | 18.02.2022

Der Teamgeist ist ein Mainzer Pfund

Wacker Burghausen geht als Favorit ins Finale um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft im Ringen. Doch die 88er sind besser aufgestellt als bei früheren Duellen. Eine wichtige Frage vor dem Hinkampf in Mombach am Samstag (19.30 Uhr) ist, wer seine internationalen Topleute zusammenbekommt.
An der Geschlossenheit ihres Kaders haben die 88er schon bei der Zusammenstellung gearbeitet. Das soll sich auch im Finale auszahlen.
An der Geschlossenheit ihres Kaders haben die 88er schon bei der Zusammenstellung gearbeitet. Das soll sich auch im Finale auszahlen. | Eva Willwacher

Mainz. Wer als erster Anwärter auf die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft ins Finale geht, ist keine Frage: Der SV Wacker Burghausen stellt derzeit das Nonplusultra im deutschen Ringsport dar, dem ASV Mainz 88, im Hinkampf am Samstagabend Gastgeber, fällt die Rolle des Herausforderer zu.

Seit die Oberbayern 2017/18 erstmals in die Bundesliga-Endrunde einzogen, holten sie, abgesehen von der abgebrochenen vorigen Saison, in jedem Jahr den Titel. „Wenn unser Gegner Favorit ist, motiviert uns das noch stärker“, sagt ASV-Trainer Davyd Bichinashvili. „Auch wenn die Burghausener dreimal Deutscher Meister waren, haben wir keine Angst.“ Keine Mannschaft sei unschlagbar.

Die Kader beider Vereine sind ähnlich strukturiert. Neben internationalen Hochkarätern stehen zahlreiche deutsche Topringer in den Aufgeboten, Mangel herrscht hingegen bei den Eigengewächsen. Für den Hinkampf hat Wacker-Cheftrainer Eugen Ponomartschuk die Wahl zwischen fünf ausländischen Spitzenathleten, die in ihren Klassen noch ungeschlagen sind. Nach dem Stilartwechsel kommt Vladimir Egorov dazu, der erst in der Endrunde seine ersten Einsätze bekam.

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Nachwuchsringer rar gesät

Mit sieben hochkarätigen Ausländern verfügen die 88er über die etwas größere Auswahl und sind somit etwas schwerer auszurechnen. Seit dem jüngsten Aufeinandertreffen mit den Oberbayern haben sie auch die Gruppe ihrer deutschen Leistungsträger unter anderem mit Ahmed Dudarov und Alexander Semisorow verstärkt und damit den Rückstand auf den Kontrahenten verkürzt. Mit Witalis Lazowski, Idris Ibaev, dem Ex-Mainzer Roland Schwarz, Eduard Tatarinov, Ramsin Azizir, Erik Thiele und Fabian Schmitt weist der SV Wacker jedoch immer noch die größere Kaderbreite in diesem Bereich auf.

Das Problem beider Trainer ist die Obergrenze von 28 Ringerpunkten. Nachwuchsringer, die mit ihren minus zwei Zählern nicht nur die Summe drücken, sondern auf diesem Niveau mithalten können, sind hüben wie drüben rar gesät. Der Mainzer Ashot Shahbazyan kommt erst im Rückkampf richtig zur Geltung, wenn er im Federgewicht antreten kann. Meist müssen die 88er aber einen zweiten selbst ausgebildeten Ringer aufstellen, der allerdings vorhersehbar chancenlos ist.

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Wo ist das Loch?

Ponomartschuk steht ebenfalls vor dieser Schwierigkeit. Erst spät in der Saison grub er den Minus-zwei-Mann Andreas Maier aus, der dann sogar drei seiner vier Play-off-Kämpfe im Leicht- und Federgewicht des griechisch-römischen Stils gewann. Keinem weiteren Wacker-Eigengewächs gelang in der gesamten Runde ein Sieg. Doch auch der Burghausener Trainer wird einen Zählkandidaten einbauen müssen – dieses Loch aufzuspüren, ist Bichinashvilis Aufgabe.

Nichtsdestotrotz hat der SV Wacker die größere Auswahl an Topleuten. Ponomartschuk hat in den Play-offs mit einigen Umstellungen bewiesen, dass er bereit ist, die Variationsbreite seines Aufgebots auszunutzen. Flexibel sind auch die 88er. Die Grundfrage aber lautet wie fast in der gesamten Saison: Welcher Verein schafft es, seine ausländischen Leistungsträger von ihren Nationalverbänden freizubekommen?

Engpässe nicht ausgeschlossen

Personelle Engpässe der Mainzer waren schon bei den beiden zurückliegenden Habfinalduellen der beiden Klubs der Grund für das Ausscheiden der 88er (→ Als zwei Leistungsträger nicht erschienen). In der laufenden Endrunde mussten sie ebenfalls auf Stars verzichten. In den Rückkämpfen des Viertel- und Halbfinales brachten sie jeweils nur zwei Ausländer an den Start und blieben mit 23 beziehungsweise 20 Ringerpunkten deutlich unter dem Limit.

„Bestimmt kann es wieder das ein oder andere Problem geben“, räumt Bichinashvili ein. „Aber wir kämpfen darum, die beste Mannschaft auf die Matte zu bekommen.“ Im Finale sei dies möglicherweise etwas einfacher zu bewerkstelligen als in den vorangegangenen Runden; die herausragende Bedeutung der Begegnungen sei Sportlern und Verbänden besser vermittelbar. „Es ist leichter, die Jungs dann rauszuholen als im Halbfinale.“

Die Siege gegen den KSV Köllerbach und den ASV Schorndorf haben aber auch gezeigt, dass die 88er Ausfälle besser kompensieren können als noch vor drei oder fünf Jahren.

Verschworener Haufen

Und sie können ein weiteres Pfund in die Waagschale werfen: Von mannschaftlicher Geschlossenheit in einer Sportart zu reden, in der lediglich Einzelergebnisse addiert werden, ist immer problematisch. Doch allein der unbändige Jubel aller Beteiligten nach dem geglückten Finaleinzug in Schorndorf bewies, wie sehr das Team in dieser problematischen Saison zusammengewachsen ist.

Die Aufholjagd nach drei Auftaktniederlagen hat ebenso zusammengeschweißt wie das knappe Ergebnis in Köllerbach und die Nervenschlacht im Halbfinale. Solche teambildenden Erlebnisse hatten die Burghausener nicht, sie mussten nie zittern.

An diesem verschworenen Haufen haben die Mainzer bereits bei ihrer Kaderzusammenstellung gearbeitet. „In früheren Jahren hat die Geschlossenheit ab und zu gefehlt“, sagt der Trainer. „Deshalb haben wir den einen oder anderen Ringer aus dem Aufgebot genommen und andere dazugeholt, von deren Charakter wir überzeugt sind.“ Dass dieser Umbau gelungen sei, habe das Halbfinale gezeigt. Und nicht nur an den Kampftagen demonstrierten die Athleten großen Zusammenhalt, die Verbundenheit schwappe auch ins Private über. „Wenn ich die Nachrichten in der Mannschaftsgruppe lese, bekomme ich eine Gänsehaut.“

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