Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 15.11.2020

„Die Angst um meinen Job kann ich ausblenden“

Jan-Moritz Lichte, der Trainer des FSV Mainz 05, über Hoffnung, Respekt und Medien, den Wechsel vom Ko- zum Cheftrainer, Ridle Baku und die Notwendigkeit, ständig am Limit zu trainieren.
Seit fünf Spielen ist Jan-Moritz Lichte Cheftrainer des FSV Mainz 05.
Seit fünf Spielen ist Jan-Moritz Lichte Cheftrainer des FSV Mainz 05. | René Vigneron

Herr Lichte, ich habe vorige Woche mit einem Studenten gesprochen, gebürtiger Mainzer, 05-Fan und Dauerkarteninhaber. Der erzählte mir, er verbringe seine Zeit damit, digital zu studieren und den 05ern beim Absteigen zuschauen. Er klang ziemlich frustriert. Können Sie ihm Trost spenden oder Mut machen?

Für sein Studium? (lacht) Es ist natürlich eine schwere Situation für uns alle, die mit dem Verein verbunden sind – für die Mitglieder, die Fans und für uns. Ein Teil der Saison ist auch schon vorbei, den werden wir auch nicht mehr ungeschehen machen können, und trotzdem arbeiten wir hart. Ob ihm das jetzt Hoffnung macht, weiß ich nicht. Das ist auch eine individuelle Geschichte, ob man an etwas glauben möchte. Wir können die Hoffnung nur zurückgeben, indem wir gute Spiele machen, Punkte holen und allen das Gefühl vermitteln, dass es in die richtige Richtung geht.

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Im Unterschied zu uns allen sehen Sie die Mannschaft jeden Tag auf dem Platz und können Fortschritte schon im Training und nicht erst im Spiel erkennen. Spielt bei Ihnen trotzdem die Angst mit, dass es wieder schiefgehen könnte, möglicherweise sogar die Angst um Ihren eigenen Job, oder können Sie das ausblenden?

Die Angst um meinen eigenen Job kann ich wirklich ausblenden. Ich weiß nicht, warum ich das kann und ich weiß auch nicht, ob andere es nicht können. Aber ich bin in meine Arbeit so vertieft, dass ich mir darüber keine Gedanken mache und die tägliche Arbeit mit dem Trainerteam, dem Staff und der Mannschaft ist so ausfüllend, dass ich nicht dazu komme, mich hinzusetzen und über meine Zukunft nachzudenken. Gedanken machen wir uns über den nächsten Tag und die nächste Woche. Vor Spielen habe ich immer die Hoffnung, dass wir die Schwerpunkte aus dem Training und unseren Plan umsetzen können. Das ist immer mit ein bisschen Unsicherheit verbunden, weil du nicht weißt, was der Gegner macht, ob alles passt. Man geht immer in das Spiel, ohne genau zu wissen, was passiert, aber wir müssen auf alles vorbereitet sein.

Wie hat sich Ihre Arbeit nach drei Jahren als Kotrainer verändert, seit Sie Cheftrainer sind?

Als erstes nenne ich da gerne die mediale Komponente, weil die natürlich wesentlich größer ist und Zeit kostet…

…ist es schwierig, damit umzugehen?

Ich habe für mich ein gutes Gefühl, weil ich glaube, ich kann nur sagen, was ich im Moment über die Situation denke und ich versuche mir wenig Gedanken darüber zu machen, wie das ankommt und wie ich wahrgenommen werden möchte. Ich bin so, wie ich bin, und das macht die Arbeit für mich relativ einfach, aber es ist natürlich ein zeitlicher Aufwand. Als Cheftrainer musst du einfach ein paar Dinge mehr im Blick haben, auch in Sachen Staff- und Teamführung. Als Kotrainer hast du deine Aufgabenbereiche, die du bearbeitest und somit klarere Abläufe. Als Cheftrainer musst du häufiger mal reagieren, weil irgendetwas aufploppt. Dadurch gerätst du auch mal aus dem Rhythmus, weil du dich plötzlich mit etwas anderem beschäftigen musst.

Stimmt es, dass Sie nichts lesen, was über Sie und Ihre Mannschaft geschrieben wird?

Bevor ich Cheftrainer war, habe ich auch mal den „Kicker“ durchgeblättert und geschaut, was andere Medien schreiben. Ich glaube aber, dass diese Lektüre einen im täglichen Umgang verändert und in dem, was man fühlt. Es mag die Leute geben, die das völlig kaltlässt. Aber wenn Sie schreiben, ich sei ein Blinder, dann bringt mich das auch nicht wirklich weiter. Und wenn Sie schreiben, ich sei der beste Trainer, den wir hier je hatten, würden Sie wahrscheinlich lügen. Trotzdem weiß ich auch dann nicht, was das mit mir machen würde. Ich glaube, es würde mich ebenfalls beeinflussen. Vielleicht würde ich dann das nächste Interview noch lieber mit Ihnen machen… (lacht)

Welchen Einfluss hatten Sie als Kotrainer auf die Arbeit des Chefcoaches? Waren Sie eher ausführendes Organ, oder konnten Sie sich auch mit Ihren eigenen Ideen zu Spielweise und Trainingsinhalten so einbringen, wie Sie wollten?

Ich denke, das ist von Cheftrainer zu Cheftrainer sehr unterschiedlich. Ich will jetzt auch ungerne über jeden einzelnen sprechen, was ich bei wem durfte und was nicht. Aber insgesamt habe ich die Rolle für mich meistens so interpretiert, die Idee des Cheftrainers von Fußball mitzugestalten, aber auch an der einen oder anderen Stelle zu hinterfragen und dass man Ideen hat, um Dinge besser zu machen, wenn es mal nicht so gut läuft und was man im Training verändern könnte. Natürlich habe ich auch eigene Ideen eingebracht, aber das war bei einigen Trainern mehr der Fall als bei anderen.

Seit ein paar Wochen sind Sie jetzt in der glücklichen, wenn auch schwierigen Lage, komplett Ihre eigenen Ideen umsetzen zu können. Was waren die Defizite, an denen Sie als erstes gearbeitet haben? Kann man da überhaupt eines nach dem anderen angehen, oder muss eins ins andere greifen?

Es muss eins ins andere greifen, trotzdem geht es Schritt für Schritt, und vielleicht geht es auch mal wieder einen Schritt zurück. Was ich von Beginn an unbedingt wollte, war, auf der emotionalen Basis wieder eine andere Mannschaft auf dem Platz zu sehen und damit auch die Inhalte, an denen wir arbeiten, besser transportieren zu können. Das heißt, dass wir stärker im Gegenpressing werden wollen, um öfter mit dem Ball in der gegnerischen Hälfte zu sein und sofort Druck zu machen, wenn wir den Ball verlieren. Weil ich glaube, ein extrem hohes Anlaufen, wenn der Gegner einen geordneten Spielaufbau betreibt, ist in der Bundesliga sehr schwer, und diese Fähigkeit sehe ich auch nur bei ganz wenigen Mannschaften. Unsere Chance ist es, durch Gegenpressingsituationen, wenn wir gut im Feld stehen, eine hohe Emotionalität reinzubekommen, um immer wieder da zu sein und den Gegner zu nerven. Das ist uns gegen Gladbach über weite Strecken sehr gut gelungen, gegen eine sehr starke Mannschaft, und gegen Schalke hatten wir auch unsere Momente, in denen wir den Ball in der gegnerischen Hälfte erobert haben, um schneller zum Tor zu spielen. Das sind Dinge, die ich gemeinsam anzupacken versuche.

Das ist der erste Punkt, und dann merkst natürlich auch immer wieder, wo noch Probleme bestehen. In den letzten Spielen haben wir ganz deutlich gesehen, dass wir defensiv Probleme in der Tiefe haben. Wir müssen so verteidigen, dass wir nach einem einfachen langen Ball hinten keine Eins-gegen-eins-Situationen haben. Daran arbeiten wir stetig, weil das immer auch ein Balanceakt ist. Versuchst du vorne höher Druck zu machen, ist hinten hinter der Kette mehr Platz, und dann musst du mit Situationen, in denen der Gegner Bälle dahin spielt, besser klarkommen.

Das geht alles Schritt für Schritt nach vorne, es kann aber auch passieren, dass plötzlich etwas anderes nicht mehr funktioniert. Deshalb ist es die tägliche Arbeit an der Idee, insgesamt aktiver zu sein, mehr Leidenschaft auf den Platz zu bringen, offensiv noch stärker und schneller das Tor zu bedrohen, mit mehr Tiefe und trotzdem hinten weniger Fehler zu machen.

Viel öfter als Ihre Mannschaft gegen Schalke kann man das Tor aber kaum bedrohen, ohne zu gewinnen.

Genau. Das Spiel gegen Gladbach war das erste Zeichen in diese Richtung. Gegen Leverkusen hatten wir zwar nicht so viele Chancen, und nach dem Spiel wurde hinterfragt, ob ein Cheftrainer das so positiv sehen darf, wenn seine Mannschaft keine Großchance hat. Aber wir haben als Trainerteam gesehen, dass wir uns auch gegen Leverkusen gute Ausgangssituationen erarbeitet haben. Und das sind diese Dinge, an denen wir weiter arbeiten wollen. Im Spiel gegen Schalke waren wir dann mit den Tiefenläufen zufrieden. Trotzdem gab es immer noch fünf, sechs Situationen, in denen wir es viel zu hektisch gespielt haben und in denen noch viel größere Chancen möglich gewesen wären. Das ist aber gut trainierbar, genau wie der Abschluss, an dem wir auch weiterarbeiten. Wir müssen Jean-Philippe Mateta oder Jonathan Burkardt dahinkriegen, dass sie die Dinger reinschießen. Dann gehst du nach Hause und sagst: „Das war doch super.“ Aber so gehst du nach Hause und sagst: „Es hat wieder etwas gefehlt, um das Spiel zu gewinnen.“ Dann setzt du dich wieder dran und schaust, was gefehlt hat.

Ohne uns in Details zu verlieren: Der letzte Angriff gegen Schalke, als Robin Quaison den Ball per Gegenpressing in der gegnerischen Hälfte erobert und nach einem Doppelpass mit Karim Onisiwo einen Pass durch die Schnittstelle auf Dong-won Ji spielt, der nicht ankommt – was hat da nicht gestimmt? Der Laufweg oder der Pass?

Der Laufweg. Das ist etwas, was wir individuell bearbeiten und wenn es um die Gruppentaktik mit den Stürmern geht. Wir brauchen in diesen Situationen den Laufweg breiter, Ji läuft sich selber den Weg ein bisschen zu. Wenn er breiter bleibt, kann Robin Quaison noch einen Tick weiter andribbeln, und der Schalker Verteidiger Salif Sané bekommt das große Problem, dass er nicht weiß, was er machen soll, und Robin kann den Ball dann rüberspielen. So hätten wir es uns gewünscht. Aber genau das meine ich. Zu den guten Chancen, die wir haben, kommen immer mindestens eine Handvoll Szenen dazu, die eigentlich mindestens genau so große Chancen werden könnten.

Sie haben schon einmal gesagt, dass Sie rein nach den Trainingsleistungen entscheiden, wer im Spieltagskader steht. Ist das in Stein gemeißelt, oder gibt es auch Momente, in denen Sie jemanden ausprobieren wollen, obwohl er im Training vielleicht ein wenig hinten dran ist?

Damit tue ich mich schwer. Ich glaube, dass das Training für den Spieler die Möglichkeit ist, zu zeigen, dass er in den Kader und auf den Platz gehört. Es mag Situationen geben, in denen ein Spieler so von der Rolle ist, dass wir unbedingt eine Alternative brauchen. Und dann ergibt sich vielleicht auch mal die Chance, zu spielen, obwohl die Trainingsleistungen nicht gestimmt haben. Das ist aber nicht mein Wunsch. Mein Wunsch ist, dass derjenige, der zuletzt nicht gespielt hat, den Druck so sehr erhöht, dass er beim nächsten Mal spielen muss. In der Trainingswoche vor dem Schalke-Spiel war das zum Beispiel bei Johnny Burkardt der Fall. Er war in der Trainingswoche so über dem Durchschnitt, dann dass er auf dem Platz stehen musste. Und ich habe mich natürlich gefreut, dass es dann auch im Spiel so zu sehen war.

Loris Karius wäre bei Ihnen also nie Bundesligatorwart geworden? Seine Trainingsleistungen waren mäßig, seine Leistungen in der Regionalliga ebenfalls – aber als Thomas Tuchel ihn aus unerfindlichen Gründen gebracht hat, ist er explodiert.

Ja, es mag die Spielertypen geben, die sagen, dass ihnen im Training 50 Prozent reichen. Und wenn ich als Trainer weiß, dass es ein erfahrener Spieler ist, der es für sich so einteilen kann und am Wochenende trotzdem immer einer der Besten ist, kann ich damit vielleicht auch arbeiten. Aber ich glaube nicht, dass wir in unserer Mannschaft diese Charaktere haben. Ich glaube, dass wir eine Mannschaft sind, in der alle Spieler ständig unter Spannung sein müssen und ständig am Limit trainieren müssen, um eine Konstanz reinzubekommen und es am Wochenende Eins-zu-eins abzurufen.

In Phasen, in denen eine Mannschaft erfolgreich ist, gibt es für diejenigen, die nicht auf dem Zettel stehen, keine Gründe, auf einen Einsatz zu drängen. Aber wie ist es momentan nach sieben nicht gewonnenen Spielen? Merken Sie eine Unzufriedenheit, müssen Sie argumentieren?

Ja klar, ich muss gegenüber den Jungs argumentieren, dabei folgen sie mir dann vielleicht mal mehr oder weniger und haben natürlich auch ihre eigenen Ansichten. Natürlich ist es für sie einfach zu argumentieren, dass die anderen ja auch die Spiele verlieren. Aber damit sind wir wieder bei dem Punkt von gerade eben. Es gibt keinen Automatismus, dass nach einer Niederlage auf jeden Fall jemand anderes spielt, sondern ich möchte, dass die Spieler sich ihre Chance im Training hart erarbeiten. Ich glaube, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch höher, dass sie ihre Chance nutzen. Wenn sie in meinen Augen zwar gut trainieren, ein anderer aber einen Tick besser, dann möchte ich, dass sie an ihm vorbeikommen – und nicht hoffen, dass wir das Spiel verlieren.

Solche Gespräche mussten Sie als Kotrainer vermutlich nicht führen. Inwieweit hat sich Ihr Verhältnis zu einzelnen Spielern verändert?

Das hat sich schon verändert. Ich glaube, die Spieler wissen, dass Entscheidungen im Trainerteam fallen, aber natürlich ist ihnen bewusst, dass der Cheftrainer die endgültige Entscheidung zu tragen hat. Als Kotrainer ist es dadurch natürlich ein bisschen einfacher, einen Spieler aufzumuntern, wenn er nicht im Kader ist. Wenn du als Cheftrainer einem Nichtnominierten auf die Schulter klopfst und sagst, „Kopf hoch, es geht weiter“, denkt der sich: „Dann gib mir doch die Chance“. Ich versuche, mich in der Beziehung ein bisschen an Sandro Schwarz zu orientieren, der hat das immer gut hinbekommen. Sandro hatte immer eine gute Art, mit jedem Spieler einen guten Kontakt zu haben, und ich hoffe, dass die Spieler mit mir auch weiterhin so einen Kontakt halten können. Dazu gehört aber auch, dass ich ihnen ehrlich sage, warum sie nicht im Kader sind. Und dann hoffe ich, dass sie diese Ehrlichkeit zu schätzen wissen.

Sind die Spieler mit Ihnen per Du?

Ja.

Auch die jungen Spieler? Oder haben die noch mehr Respekt vor grauen Haaren?

(lacht) Ich glaube nicht, dass das etwas mit der Anrede zu tun hat. Sie duzen mich, seitdem ich hier bin, Sandro haben sie auch geduzt, bei Achim weiß ich nicht, wie es im persönlichen Gespräch war. Ihnen nach meiner Rollenveränderung zu sagen, sie müssten mich jetzt siezen, und ich sieze sie, dann würde nicht zu mir passen. Der Respekt eines Spielers gegenüber einem Trainer kommt vor allem zum Vorschein, wenn du das Gefühl hast, er folgt im Training, er haut sich 100-prozentig rein, und er versucht die Dinge umzusetzen. Ob das immer perfekt klappt, ist gar nicht so wichtig. Als Trainer willst du sehen, dass er versucht, es umzusetzen. Das ist das, was ich an Respekt brauche. Ich brauche das Gefühl, dass die Spieler die Arbeit und Ideen des Trainerteams respektieren.

Lassen wir das Spiel gegen Union Berlin mal außen vor: Diesen Eindruck haben Sie?

Ja, das Gefühl habe ich. In den Spielen und im Training. Aber es ist auch immer wieder wichtig, Situationen wie diese erste Halbzeit gegen Augsburg anzusprechen, auch wenn es unangenehm ist. Da habe ich nach dem Spiel ja auch deutlich kommuniziert, dass ich das Gefühl hatte, dass wir in den ersten 45 Minuten irgendetwas anderes im Kopf hatten als das, was wir besprochen hatten. Trotzdem ist es sicher keine Frage des mangelnden Respekts: Selbst bei Union haben die Spieler versucht, den Plan umzusetzen, aber, wie ich hinterher selbstkritisch sagen musste, ich wollte zu viel. Dadurch konnten wir die Dinge nicht mit der nötigen Klarheit auf den Platz bringen. Dennoch habe ich schon gesehen, dass sie extrem bemüht waren, nur die Umsetzung hat leider nicht geklappt.

Ein Verein wünscht sich von einem Trainerwechsel immer auch einen kurzfristigen positiven Effekt. Der ist bisher punktemäßig ausgeblieben. Haben Sie erwartet, dass es so ein zähes Ringen um Fortschritte, um Ergebnisse wird?

Ich habe meine Erwartungen vorher nicht an eine fixe Anzahl von Punkten geknüpft. Es war schon auch frustrierend, und wir waren auch wütend nach den Spielen. Natürlich haben wir uns erhofft, gerade wenn wir es gut machen und vieles von dem umsetzen, was wir uns vornehmen, dass wir dann auch punkten. Und zwar so, dass wir nicht mit einem, sondern vielleicht mit fünf Punkten dastehen. Selbst gegen Augsburg, wo wir es vielleicht nicht verdient hatten, hätten wir einen Punkt mitnehmen können, nach dem Ausgleich hatten wir für eine Weile sogar das Heft des Handelns in der Hand. Gegen Leverkusen lassen wir kaum etwas zu und kriegen ein Gegentor nach einem Eckball. Gegen Gladbach machen wir einen entscheidenden Fehler vor dem Elfmeter. Nicht das Handspiel an sich…

…sondern den Pass, der zum Konter führt…

…genau. Und damit nehmen wir uns selbst die Punkte weg. Das zeigt uns immer wieder, wie brutal es ist, dass bei uns vieles passen muss und wir solche Situationen extrem reduzieren müssen, um am Ende die Punkte zu holen.

Eines eurer größten Talente hat Mainz vor Kurzem verlassen und ist seit Mittwochabend Nationalspieler. Wie empfinden Sie das? Sind Sie stolz, an der Entwicklung mitgewirkt zu haben, oder ist es eher ein bisschen Frust, dass Ridle Baku mittlerweile in Wolfsburg spielt?

Zunächst freue ich mich für ihn persönlich. Ohne sein Selbstvertrauen falsch einzuschätzen, glaube ich nicht, dass er so schnell damit gerechnet hat, ein A-Nationalspiel auf dem Buckel zu haben. Das ist natürlich eine tolle Sache für ihn und auch für uns als Verein. Zu dem Wechsel hat Rouven Schröder ja schon viel gesagt. Als Verein brauchen wir gewisse Transfererlöse, um das hier überhaupt weitermachen zu können, und dann war es auch der Spieler, der diesen Schritt unbedingt gehen wollte. Als Trainer hättest du natürlich immer gerne die besten Spieler, aber ich will natürlich auch, dass der Verein diese Coronasituation gut übersteht und am Ende nicht deshalb einknickt, weil wir es uns finanziell nicht erlauben können. Ein solcher Wechsel ist schade, gerade auch weil Ridle aus der eigenen Jugend kommt, aber er ist auch ein Spieler wie jeder andere, der den Wunsch hat, etwas zu machen, wo er mehr Möglichkeiten für sich sieht.

Haben Sie Wünsche, was die Kaderplanung in der kurzen Winterpause angeht?

Rouven und ich sprechen täglich über unsere Situation und haben auch für das Thema ein paar Ideen. Aber Rouven hat ja auch klar gesagt, dass wir finanziell nicht in der Situation sind, auf dem Transfermarkt einfach so zuschlagen zu können, ohne dass vorher etwas anderes passiert. Ich denke, wir müssen einen Plan haben, und den haben wir. Wenn etwas möglich sein sollte, haben wir Lösungen, die wir realisieren wollen. Und wenn nichts passiert, dann werden wir mit dem jetzigen Kader weitermachen.

Aber mit Optimismus?

Ja. Es wäre schlimm, wenn nicht, dann wäre ich auch der Falsche. Ich kann auch dem Studenten vom Anfang des Gesprächs nur sagen, dass der Optimismus bei mir noch da ist. Sonst könnte ich auch gar nicht jeden Tag meinen Job hier machen und vom Trainerteam, das jeden Tag von morgens bis abends hier sitzt und arbeitet, das alles verlangen und hätte kein gutes Gewissen dabei. So hab ich’s aber.

Etwas, das über Mainz 05 hinausgeht und die gesamte Bundesliga betrifft, sind die Monate ohne Fans im Stadion. Sehen Sie die Gefahr, dass dem Fußball die Basis, die Anhängerschaft wegbricht?

Ich hoffe, dass es nicht so sein wird. Es ist aber durchaus möglich. Es gibt die Fußballfans, die immer Fußballfans sein werden. Ich glaube nicht, dass die, die vorher mit vollem Herzen bei ihrem Verein und beim Fußball waren, das jetzt nicht mehr sind. Aber vielleicht gibt es die, die früher immer mal wieder Fußball geschaut haben und jetzt merken, dass sie es gar nicht so sehr vermissen. Das ist sicher auch sehr individuell. Wir können es trotzdem nicht ändern. Das wünschen sich zwar vielleicht einige, die finden, man sollte dann lieber gar nicht spielen, aber dann könnten wir den Laden dichtmachen. Unabhängig von der Fanseele hängen eine Menge Arbeitsplätze dran und andere Dinge, die man nicht einfach hinten runterfallen lassen kann.

Das Gespräch führte Peter H. Eisenhuth.

 

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