Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 03.05.2019

Spektakel ohne Abschiedsgruß

Beim 3:3 (1:2) liefern sich der FSV Mainz 05 und RB Leipzig einen mitreißenden Schlagabtausch. Für die Gastgeber egalisieren nach der Pause zwei Franzosen den Rückstand. Gäste-Trainer Ralf Rangnick macht später für einen französischen Abgang.
Jean-Paul Boëtius bereitete vor, Jean-Philippe Mateta vollstreckte zum 3:3.
Jean-Paul Boëtius bereitete vor, Jean-Philippe Mateta vollstreckte zum 3:3. | Eva Willwacher

Mainz. Sandro Schwarz marschierte mit großen Schritten aufs Spielfeld, Richtung Bibiana Steinhaus. Stinksauer. Der Trainer des FSV Mainz 05 konnte es nicht fassen, dass die Schiedsrichterin soeben abgepfiffen hatte. In dem Moment, in dem Alexander Hack mit einer Monstergrätsche 20 Meter vor dem eigenen Tor den Ball gewonnen und mit einem Pass ins Mittelfeld den Konter eingeleitet hatte. Steinhaus würgte den Schnellangriff ab, und die Mainzer ärgerten sich darüber, einer möglichen Siegchance beraubt worden zu sein.

Am Ende konnten sie allerdings auch mit dem 3:3 (1:2) gut leben, mit dem sie sich am Freitagabend von RB Leipzig getrennt hatten. „Wenn du gegen diesen Gegner mit 1:3 zurückliegst und dann noch einen Punkt holst, musst du zufrieden sein“, sagte Sportvorstand Rouven Schröder.

Auf der anderen Seite hätte ja auch Ralf Rangnick hadern können. Damit, trotz zweimaliger Zweitoreführung nur mit einem Unentschieden aus der Partie gegangen zu sein. „Normalerweise nimmt man dann drei Punkte mit“, sagte der Leipziger Trainer. „Aber die Mainzer haben das gut gemacht, haben mit viel Risiko nach vorne gespielt.“ Für alle Zuschauer sei es ein fast schon spektakuläres Fußballspiel mit extrem vielen Torszenen auf beiden Seiten gewesen. „Unterhaltung pur“, sagte Rangnick. „So kann Fußball sein, wenn beide Mannschaften nicht mehr so brutal auf die Tabelle gucken müssen.“

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Ärger über Steinhaus

Dass die Gäste nach etwas mehr als einer halben Stunde mit 2:0 vornelagen, war im Grunde ein Witz. Denn bis dahin waren die Mainzer die bessere Mannschaft gewesen, hatten gepresst, viele Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte, in die sie das Geschehen überwiegend verlagert hatten. Und ihre Defensivreihe stand sicher, ließ nichts durch. Bis zur 20. Minute, als 05-Innenverteidiger Alexander Hack das 0:1 mit einem Fehlpass einleitete, den RB zu einem perfekten Konter nutzte. Der Ball kam auf den rechten Flügel zu Timo Werner, der in der Mitte Lukas Klostermann bediente.

Für ersten größeren Unmut gegenüber der Schiedsrichterin sorgte die Entstehung des zweiten Gegentreffers. Beim Zweikampf im Mittelfeld zwischen dem Leipziger Kapitän Willi Orban und Karim Onisiwo hätte Steinhaus auf Foul an Mainzer Stürmer entscheiden können. Sie hätte sogar pfeifen müssen, nimmt man andere Entscheidungen als Maßstab, in denen sie den Gästen Freistöße zusprach. Doch diesmal ließ sie laufen, Orban passte auf Werner, der steckte zu Klostermann durch, der lupfte gewitzt über Florian Müller (32.).

„Ich muss zugeben, dass ich emotional etwas übers Ziel hinausgeschossen bin“, sagte Sandro Schwarz später, der den Nicht-Pfiff mit einem erhobenen Daumen quittiert hatte – was die Unparteiische zu einem Sprint an die Seitenlinie veranlasste, wo sie dem Coach mit der Verbannung auf die Tribüne drohte. „Aber“, begründete Schwarz seinen Ärger später, „aus meiner Sicht war das ein Foul, da muss der Videoschiedsrichter eingreifen, wenn Frau Steinhaus nicht eingreift.“

Onisiwo kann sich nicht erinnern

Immerhin aber ließ sich seine Mannschaft von den beiden Gegentreffern nur vorübergehend aus der Bahn werfen. Ärgerlich zwar, dass sie aus ihrer Überlegenheit in der Anfangsphase nichts gemacht hatte. Doch Onisiwo setzte kurz vor der Pause das Signal, dass hier noch etwas möglich sei: Bei der Ballannahme am gegnerischen Sechzehner mit dem Rücken zum Tor stehend, behauptete er die Kugel gegen drei Leipziger, drehte sich halb um die rechte Achse und schoss mit links zum 1:2 ins kurze Eck.

Es sollte die letzte Aktion des Österreichers bleiben, „und daran konnte er sich in der Halbzeit nicht mehr erinnern“, erzählte Rouven Schröder. Onisiwo blieb nach der Pause mit Verdacht auf Gehirnerschütterung in der Kabine, für ihn kam Jean-Philippe Mateta.

Angesichts der Spielanteile im ersten Durchgang und dank des Anschlusstreffers hatten die Mainzer in der Kabine nicht von ungefähr „das Gefühl, dass wir das Spiel noch komplett auf unsere Seite ziehen können“, wie Schwarz sagte. Dieses Gefühl bekam jedoch kurz nach dem Wiederanpfiff einen gewaltigen Dämpfer. Emil Forsberg ließ einen langen Ball an den Mainzer Strafraum mit der Brust zu Poulsen prallen, der setzte sich gegen Moussa Niakhaté durch, Werner anschließend gegen Aarón, und der Nationalstürmer erzielte das 1:3 (49.).

Niakhaté sorgt für neue Energie

Sich davon zu erholen, fiel den 05er nicht leicht, und doch boten sich ihnen immer wieder gute Kontersituationen, die sie aber entweder durch überhastete Aktionen und ungenaue Zuspiele verplemperten oder bei denen sie im Abseits standen; das permanente Vor- und Zurückrücken der Leipziger Dreierkette verfehlte seine Wirkung nicht. Um noch einmal eine ganz andere Power auf den Platz zu bekommen, bedurfte es eines Treffers „aus dem Nichts“, wie Schwarz einräumte; es war gleichzeitig Niakhatés erstes Bundesligator. Der Franzose brachte den Ball nach einer Ecke mit dem rechten Fuß über die Linie (67.).

„Danach hatten wir wieder die volle Energie“, sagte der erfreute Trainer, der wie die lediglich 23.800 Zuschauer begeistert von dem offenen Schlagabtausch war. Alexandru Maxim beispielsweise führte sich mit einem feinen Tiefenpass auf Robin Quaison ein, der einen Tick zu spät kam, um Torwart Peter Gulacsi zu überwinden (81.). Zwei Minuten später aber legte Jean-Paul Boëtius den Ball diagonal in den Lauf von Mateta, der sich nicht mehr einfangen ließ und flach ins lange, linke Eck zum Ausgleich abschloss.

Beide Teams wollen den Sieg

Begnügen mochte sich mit dem Remis keiner der Kontrahenten, beide suchten ihre Chance auf den Siegtreffer. Klostermann hätte ihn den Gästen bescheren können, als er aus spitzem Winkel knapp vorbeischoss (86.), Quaison den Mainzern, doch sein Drehschuss besaß nicht genügend Wucht, um Gulacsi zu überwinden (88.). Unmittelbar danach war wieder der Tabellendritte dran, doch Flo Müller riss bei einem Poulsen-Kracher aus kurzer Distanz die Fäuste hoch. Und in der Nachspielzeit rettete Müller erneut, diesmal gegen Orban nach einem Freistoß von Halstenberg.

„Ein großartiges Fußballspiel und eine großartige Reaktion meiner Mannschaft“, bilanzierte Sandro Schwarz. Der Leipziger Trainer dagegen wirkte trotz der zunächst seiner zunächst positive Einschätzung leicht angefressen. „Es ist untypisch für uns, dass wir nicht so gut verteidigt haben“, sagte Ralf Rangnick. Untypisch für Pressekonferenzen in der Bundesliga ist es aber auch, dass ein Trainer am Ende aufsteht und den französischen Abgang macht. Ohne sich vom Kollegen zu verabschieden. So, wie Rangnick es am Freitagabend praktizierte.

 

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