Die einen haben Kasper, die anderen Theater
Gelsenkirchen. Die Nachricht des Dienstagabends kam aus Gelsenkirchen: Roberto di Matteo ist Trainer des FC Schalke 04. Immer noch. Was möglicherweise daran liegt, dass der in der Schweiz geborene und aufgewachsene Italiener noch kein Spiel mit dem Bundesligisten absolvieren musste.
Damit wird fürs Erste die Langeweile einziehen, zumindest in die Interviews mit Horst Heldt nach Partien, in denen der S04 keinen zweistelligen Sieg eingefahren hat. Wer soll jetzt noch die Frage nach der Zukunft Jens Kellers stellen, um vom Manager dieselbe Antwort wie in der Vorwoche zu erhalten? Puh.
Eine Überraschung ist die Entlassung des Schwaben nicht. Nicht einmal der Derbysieg gegen den BVB vermochte die insgesamt sehr bescheidene Zwischenbilanz dieser Saison zu übertünchen. Dass sich zuletzt Führungsspieler wie Klaas-Jan Huntelaar mehr oder weniger unverhohlen kritisch über Kellers Arbeit äußerten, könnte den Ausschlag gegeben haben.
Keller hatte keine Chance
Entlassen nach nur sieben Spieltagen – so kann man es sehen. Man könnte aber auch sagen, dass sich Jens Keller erstaunlich lange gehalten hat für jemanden, der eigentlich keine Chance hatte. Der, vom B-Jugend- zum Cheftrainer befördert, schon vor seinem ersten Pflichtspiel zum Abschuss freigegeben war; es bedurfte im Dezember 2012 nicht der 1:2-Pokalniederlage gegen den FSV Mainz 05, um bei den Journalisten im Pott keinen Stand mehr zu haben. Wie über Keller geredet wurde, das grenzte an Mobbing. Kellers beachtlichste Leistung auf Schalke war, dies ausgehalten zu haben.
Keller hatte beim Champions-League-Klub mehrere Probleme, am ersten war er definitiv schuldlos: Er konnte nichts dafür, dass Heldt ihn zum Nachfolger des von den Fans geliebten (aber am Ende glücklosen) Schalker Jahrhunderttrainers Huub Stevens machte. Das zweite ließ sich zumindest nicht ändern: Keller ist weder ein Charismatiker, noch ein Entertainer, auch kein begnadeter Rhetoriker; er war und blieb blass, seine Aussagen reichten selten über Allgemeinplätze hinaus.
Was auf Dauer jedoch gravierend war: Eine Handschrift des Trainers, ein System, war nur schwer zu erkennen. Der FC Schalke war unter Jens Keller erfolgreich, aber dies hatte vor allem mit den individuellen Qualitäten seiner Spieler (Pluspunkt für Keller: Er setzt auf junge Kräfte) zu tun. So etwas funktioniert mal, aber nicht langfristig.
Feige und kurzsichtig
Dass sich der FC Schalke 04 von Jens Keller getrennt hat, ist weder überraschend noch unlogisch. Nur der Zeitpunkt ist dumm gewählt – weil Horst Heldt im Sommer feige und kurzsichtig war. Dem Manager hätte zumindest klar sein müssen, dass die Unruhe um die Person des Trainers sofort wieder aufflammen würde, sofern die Mannschaft nicht eine Schneise der Verwüstung durch die Stadien der Republik schlagen würde. Mit etwas mehr Mut hätte er die Zusammenarbeit mit Jens Keller nach der Saison beendet (und wenn es auch die erfolgreichste Rückrunde der Vereinsgeschichte war), mit Christian Heidel geredet, dem Mainzer Manager ein paar Millionen überwiesen und Thomas Tuchel nach Schalke geholt.
Das hätte ein spannendes Projekt werden können. Und Jens Keller hätte obendrein als Erfolgstrainer nach einem neuen Job suchen können.
Nebenbei bemerkt: Die Nummer eins auf der vor der Saison geführten „Welcher Trainer fliegt als erster?“-Liste hat jetzt schon zwei Kollegen überlebt… Die einen haben eben Kasper, und die anderen haben Theater.