Peter H. Eisenhuth | 01.07.2021

„Didi hat uns mit seinem Körper getäuscht“

Einen Blick für Talente und ein Händchen fürs Team: Ein Nachruf auf den ehemaligen ASC-Basketballtrainer Dietmar Kuntz.
Hat den Damenbasketball am Theresianum geprägt wie kein Zweiter: Dietmar Kuntz.
Hat den Damenbasketball am Theresianum geprägt wie kein Zweiter: Dietmar Kuntz. | Bernd Eßling
 Mit dieser Mannschaft ging Dietmar Kuntz (r.) in seine letzte Zweitligasaison beim ASC, hinten: Valerie Schewe (2.v.l.), Gabriela Jandová, Natalie Visger, Cornelia Berkhoff, Nadine Grieb, Sabine Bott. Vorne v.l.: Kotrainer Uwe Seiffert, Julia Wenderoth, Shannon Duffy, Silke Hertel, Cathrin Glatting, Katharina Schnitzler, Katharina Schnitzler, Maria Neufurth. Ganz vorne: Tomas Janda.
Mit dieser Mannschaft ging Dietmar Kuntz (r.) in seine letzte Zweitligasaison beim ASC, hinten: Valerie Schewe (2.v.l.), Gabriela Jandová, Natalie Visger, Cornelia Berkhoff, Nadine Grieb, Sabine Bott. Vorne v.l.: Kotrainer Uwe Seiffert, Julia Wenderoth, Shannon Duffy, Silke Hertel, Cathrin Glatting, Katharina Schnitzler, Katharina Schnitzler, Maria Neufurth. Ganz vorne: Tomas Janda. | Bernd Eßling

Mainz. Dass er nur vier Jahre als Trainer am Theresianum gearbeitet hat, erscheint unwirklich. Gefühlt war es ein Jahrzehnt. Mindestens. Denn kein anderer hat den Damenbasketball des ASC Mainz so geprägt wie Dietmar Kuntz von 2001 bis 2005.

Als er vor 20 Jahren aus dem Saarland kam, ahnte niemand, welche Impulse der Mann, der ein gutes Stück vom Idealgewicht entfernt war, den bis daher ordentlichen, aber auch etwas biederen ASC-Frauen geben sollte. „Didi hat uns mit seinem Körper getäuscht“, sagt Gabriela Jandová. „Er war schlau, er war ein absoluter Fachmann.“ Kuntz war nicht nur ihr erster Mainzer Coach, sondern auch der erste ASCler, den sie bei ihrer Ankunft am Theresianum sah. Das war im Januar 2003. „Er hat mich telefonisch auf den Schulhof navigiert – und genauso gut hat er unser Team durch die Saison geführt.“

Die mehr als 100-malige tschechische Nationalspielerin war anderes gewohnt als einen deutschen Regionalligisten; zuletzt hatte sie in Liège in der ersten belgischen Liga gespielt, bis der Verein mitten in der Saison pleiteging. Doch am TH erkannte sie rasch die Fähigkeiten ihres neuen Trainers. „Didi hat mal gesagt, mit seinem großen Bauch könne er gut kochen“, erinnert Jandová sich. Tatsächlich aber verfügte Kuntz nicht nur über Bauch- sondern auch über Fingerspitzengefühl.

Abgesehen von seinem fachlichen Knowhow zeichneten ihn zwei ganz große Qualitäten aus, wie sowohl die langjährige ASC-Centerin als auch Katja Puscher, seinerzeit Sportredakteurin der Mainzer Rhein-Zeitung und später bei SPORTAUSMAINZ.de, hervorheben. „Er hat Talente erkannt, und er hatte ein Händchen für eine gute Mischung im Team“, sagt Puscher. „Er hat die eigene Jugend gefördert und viele sehr gute Spielerinnen nach Mainz geholt“, sagt Jandová. Von dieser Arbeit zehrte der Klub noch lange Jahre, selbst als die Jugendarbeit zeitweise brachlag.

Katharina Schnitzler, Cornelia Berkhoff, Maria Neufurth und Uschi Edelmann waren vereinseigene Talente, die Kuntz nach oben zog. Nadine Grieb, Uta Gelbke, Julia Wenderoth, Valerie Schewe waren junge Spielerinnen, die er von außen holte, Natalie Visger, Catrin Glatting, Silke Hertel kamen unter ihm als Führungskräfte nach Mainz (die Liste ist unvollständig). „Didi hat die Mädels nicht nur geholt, sondern er hat sie auch zu einer tollen Mannschaft geformt“, sagt Jandová.

Kuntz stieg mit dem ASC in die Zweite Liga auf, erreichte 2003/04 die Play-offs zur Ersten Liga, und scheiterte ein Jahr später erst im Finale der Aufstiegsspiele am MTV Schwabing. Danach trennte sich der Verein aus Gründen, die nichts mit dem Sport zu tun hatten, von ihm. Schon damals hinterließ Kuntz eine große Lücke – ein Satz, über den er selbst lachen konnte.

Am größten Erfolg des Theresianum-Basketballs, dem Aufstieg der Damen in die Erste Liga, war er nicht mehr unmittelbar beteiligt, der gelang 2006 Klaus-Dieter Mewes nach verlorenem Finale gegen die ChemCats Chemnitz am grünen Tisch. Ohne Kuntz’ aber wäre dieser Schritt nicht möglich gewesen.

„Didi war immer sehr professionell, hat auch in schwierigen Momenten Rede und Antwort gestanden“, sagt Katja Puscher. „Er war immer tief drin in den Spielen, tunnelmäßig, und die Emotionen hat man ihm auch nach dem Spiel noch angemerkt. Trotzdem war er stets in der Lage, sachlich und präzise zu analysieren.“

Die umgängliche Art des Trainers vereinfachte der jungen Journalistin auch den Zugang zur Sportart. „Er war der erste Vollblutbasketballer, zu dem ich Kontakt hatte, und ich habe einiges von ihm gelernt“, sagt sie. „Und er war ein Lustiger.“

Ja, Kuntz hatte Humor, den er in den vergangenen Jahren des Öfteren auch auf Facebook aufblitzen ließ. „Ehrlich, verlässlich, kollegial, loyal und herzlich“ sind Attribute, die der einstige Basketball-Schiedsrichter und Verbandsfunktionär aus dem Saarland, Rudi Gemenig, seinem aus Völklingen stammenden Kumpel und Mitstreiter bescheinigt. „Und er war typisch saarländisch: gesellig und feierfreudig.“

Vom Basketball hatte er sich freilich längst zurückgezogen, sieht man von einem kurzen Revival im Herbst 2016 ab, als er dem Schreiber dieser Zeilen mit den Worten „Kuntz is back!! Nach 11 Jahren wieder als Basketballcoach beim ASC“ ankündigte, für eine Saison eine Art Traditionsmannschaft aufs Feld zu schicken. Regelmäßig treffen konnte man ihn – vor Corona – auf der Haupttribüne der 05-Arena, wo er in der Nähe der Presseplätze saß. Mit dem Hang, entweder restlos begeistert oder maßlos enttäuscht zu sein. Aber immer emotional.

Seinen letzten Post auf Facebook setzte er am Dienstag anlässlich des EM-Scheiterns der deutschen Mannschaft in Anlehnung an Jogi Löws Dialekt ab: „Isch over.“ Im Nachhinein liest es sich, als habe er noch einen abschließenden Scherz machen wollen. Einen schwarzhumorigen.

Didi Kuntz ist am Mittwoch im Alter von 58 Jahren gestorben.

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