red | 02.02.2021

Leserbrief: „Wer führt eigentlich Mainz 05?“

Zur Nichtzulassung vier bisheriger Aufsichtsratsmitglieder für die Neuwahl des Gremiums.

Aus dem traditionellen Satz unzufriedener 05-Fans, „Ich geh nimmer nuff“, wird jetzt ein: „Ich derf nimmer noi“. Die Wahlkommission des Vereins hat vier bisherige Mitglieder des Aufsichtsrats nicht mehr zur Neuwahl des Gremiums am nächsten Dienstag zugelassen.

Das sorgt schon deshalb für Kopfschütteln, weil die vier Betroffenen drei Monate vorher noch zugelassen wurden. Da steht die Frage im Raum, was dazu geführt hat, dass das Quartett in allerkürzester Zeit in Ungnade gefallen ist. Formal kann sich die Kommission natürlich darauf zurückziehen, dass die Satzung explizit vorsieht, dass Gründe nicht genannt werden müssen. Bei einer Entscheidung allerdings, die so viele Fragen unbeantwortet lässt und auf den ersten Blick einen sehr willkürlichen Eindruck macht, kann das in einem Verein, der sich immer wieder Transparenz, Mitgliederbeteiligung und Einstehen für demokratische Werte auf die Fahnen schreibt, nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Bei dieser Form der Kommunikation bleibt es nicht aus, dass Spekulationen ins Kraut schießen. Da ist die Rede davon, dass sich der Aufsichtsratsvorsitzende Detlev Höhne unliebsame kritische Stimmen durch Einflussnahme auf die Wahlkommission vom Hals geschafft hat. Ich vermag das nicht zu beurteilen, es könnte aber als Erklärung passen, und solange die vielgepriesene Transparenz auch nur Absichtserklärung bleibt, wird es diese und andere Spekulationen auch weiterhin geben.

Für mich stellt sich die Frage, wer solche Prozesse eigentlich steuert, und wer tatsächlich den Hut auf hat. Stefan Hofmann, Detlev Höhne oder jetzt neuerdings doch wieder Christian Heidel? Oder ist Führungslosigkeit ausgebrochen? Die Antwort, wer es tun müsste, gibt das Vereinsrecht, und sie heißt eindeutig: der Vereinsvorstand und zwar in erster Linie der Vorsitzende, also Stefan Hofmann. Die Wahrnehmung dieser Führungsrolle kann ich nicht erkennen, zumindest kommt sie nicht in der Öffentlichkeit zum Ausdruck. Zum aktuellen Konflikt lediglich anzumerken, dass man über eine Satzungsänderung nachdenken müsse, und in einem Nebensatz noch zu erwähnen, dass die Wahlkommission nach Vorgabe gearbeitet hat, ist angesichts der Ereignisse zu wenig.

Leider steht diese Form der Führung in einer Reihe ähnlicher Vorkommnisse. Ich habe nicht verstanden, dass sich die Führung hinter einen Spielerstreik gestellt hat und sich die hilflose und anmaßende Argumentation der Mannschaft zu eigen gemacht hat, das gehe die Öffentlichkeit nichts an und müsse intern behandelt werden. Dieser gesamte Komplex hätte nie in dieser Form gehandhabt und kommuniziert werden dürfen und wäre in jedem einigermaßen vernünftig geführten Wirtschaftsunternehmen undenkbar.

Ich habe nach wie die Hoffnung, dass Stefan Hoffmann in der Lage ist, die geforderte Führungsrolle einzunehmen, er muss es aber auch endlich tun. Im Moment ist nicht ersichtlich, wer Mainz 05 wieder auf einen klaren Kurs und raus aus den Schlagzeilen bringt.

Michael Lechner, Mainz

Alle Artikel von Fußball (Bundesliga)