Gert Adolphi | 16.11.2020

In schwieriger Zeit Nationalspielerin geworden

Laura Freigang machte einst beim TSV Schott Mainz ihre ersten Schritte hin zum Profifußball. Inzwischen spielt die 22-Jährige für Eintracht Frankfurt in der Bundesliga und hat in der DFB-Auswahl ihr erstes Tor erzielt.*
Beim TSV Schott unternahm Laura Freigang ihre ersten Schritte hin zum Profifußball. Inzwischen ist sie A-Nationalspielerin.
Beim TSV Schott unternahm Laura Freigang ihre ersten Schritte hin zum Profifußball. Inzwischen ist sie A-Nationalspielerin. | Eva Willwacher

Mainz/Frankfurt. Geboren ist Laura Freigang in Kiel, für Eintracht Frankfurt spielt sie in der Frauen-Bundesliga. Heimisch aber fühlt sich die 22-Jährige, wie sie selbst sagt, im Südwesten, in Rheinland-Pfalz. Im Bereich des Südwestdeutschen Fußballverbands hat sie mit dem Fußball angefangen, hier machte sie auch die ersten Schritte hin zu einer Profikarriere. In diesem Jahr gab sie ihr Debüt in der A-Nationalmannschaft, für die sie bei zwei Einsätzen ein Tor erzielt hat.

Als Freigang drei Jahre war, zog ihre Familie nach Rheinhessen, schon ein Jahr danach begann sie bei den Bambini des FSV Oppenheim mit dem Kicken. Neun Jahre blieb sie ihrem Heimatverein treu und trat bis zu den C-Junioren in allen Nachwuchsklassen an – aber jeweils mit ihren männlichen Alterskollegen. „Die Jungs waren das beste Niveau, das es dort gab“, sagt die Spielerin.

An der körperlichen Robustheit ihrer Mitspieler und Gegner wuchs sie. Aber sie gehörte nicht einfach nur zum Kader, sie war keine Mitläuferin, die nur deshalb bei den Jungen spielte, weil es kein Juniorinnenteam gegeben hätte. „Laura wurde nie als Mädchen gesehen, sondern immer als gleichwertiges Mitglied der Mannschaft“, sagt Markus Diederich. „Wenn wir irgendwo hinkamen, haben sich die Gegner gefreut, weil bei uns ein Mädchen mitgespielt hat, und sie sich deshalb bessere Chancen erhofft haben. Sie wurden aber schnell eines Besseren belehrt.“

Früher im defensiven Mittelfeld

Ihr Jugendtrainer hatte Freigangs Talent früh erkannt, er schildert sie als kleine Persönlichkeit, die immer mit Leidenschaft bei der Sache war. „Man hat sie nie motivieren müssen“, sagt Diederich. „Sie hat immer die Jungs mitgerissen.“

Vor einem Turnier hatte Freigang das Abschlusstraining verpasst und musste deshalb in der Zweiten Mannschaft antreten. Doch auch dieses Team inspirierte das Mädchen mit seinem Ehrgeiz und führte es bis ins Endspiel – gegen die eigene Erste Mannschaft. Diederich setzte die junge Spielerin im defensiven Mittelfeld ein, „weil sie gut Bälle erobern und verteilen kann“. Er ist überzeugt, dass dies die beste Position für Freigang ist, auch wenn sie längst in den Angriff gewechselt und aktuell mit zehn Treffern aus neun Partien die Torschützenliste der Bundesliga anführt. Diederich verfolgt ihre Karriere weiter, besucht auch Heimspiele der Eintracht, wenn es sich zeitlich einrichten lässt.

2011 zog die Familie zurück in den Norden, Laura Freigang schloss sich Holstein Kiel an und spielte drei Jahre für die B-Juniorinnen in der Bundesliga Nord/Nordost. „Es war eher eine Zwischenstation“, sagt die Jungnationalspielerin in der Rückschau. Sie war gerade 16 geworden, als es wieder ins Rhein-Main-Gebiet ging.

Cakici ließ sie mit den Männern trainieren

Schon damals stand ein Wechsel zum 1. FFC Frankfurt, der im Juli vorigen Jahres mit der Eintracht fusionierte, im Raum. Doch Freigang entschied sich für den TSV Schott Mainz. „Ich hatte mir überlegt, ob ich es in Frankfurt probieren soll“, erzählt die 22-Jährige. „Aber von Oppenheim aus brauchte ich nur 25 Minuten zum Training nach Mainz und dort spiele ich Zweite Bundesliga.“ So war der Plan, doch dessen zweiter Teil erwies sich als Fehleinschätzung: Die Schottler waren zwar ohne Punktverlust Meister geworden, hatten aber die Lizenzunterlagen nicht rechtzeitig beim DFB eingereicht und mussten noch einmal in der Regionalliga antreten.

Mit Freigang wiederholte das Team sein Husarenstück, gewann alle 22 Saisonspiele und stiegen jetzt tatsächlich in die Zweite Liga auf. Das Jahr in der Drittklassigkeit aber hätte die Entwicklung des Edeltalents hemmen können. „In der Regionalliga waren wir allen Teams überlegen“, sagt Freigang, „da hat die Herausforderung gefehlt.“ Die Lösung: Die 17-Jährige trainierte sowohl bei ihrer ehemaligen Oppenheimer Mannschaft mit als auch einmal pro Woche bei den Männern des TSV Schott, die damals unter Kayhan Cakici in der Oberliga angesiedelt waren.

Coole Jahre seien das gewesen, erinnert sie sich. „Es ist fast egal, wie alt man ist – körperlich ist man als Frau unterlegen“, sagt Freigang. „Deswegen habe ich bei diesen Einheiten sehr viel mitgenommen und gelernt, schnell zu handeln.“ Diese Erfahrung war für sie sehr wichtig.

Willen gepaart mit Körperlichkeit

„Ich habe sie nicht als Frau oder Mann wahrgenommen, sondern als Fußballer“, sagt Cakici. „Laura hat den Willen, gepaart mit ihrer Körperlichkeit mitgebracht.“ Der Coach, der später auch die Schott-Fußballerinnen übernahm, war begeistert von Freigangs läuferischen Fähigkeiten, den technischen Voraussetzungen und ihrem klaren Kopf. Taktische Vorgaben konnte sie schnell umsetzen. Eigenschaften, auf die ein Trainer nur bedingt Einfluss hat, die ein Sportler oder eine Sportlerin mitbringen muss, um erfolgreich zu sein. „Laura hat sich sehr schnell an das Niveau der Männer angepasst“, sagt Cakici. „Das hat sie wachsen lassen.“

In der Zweiten Bundesliga spielten die Mainzerinnen auf Anhieb in der oberen Hälfte mit. „Daran hatte Laura großen Anteil“, sagt Cakici. „Sie war immer, auch kurz vor Spielschluss, noch für das eine Ding gut.“ Nicht von ungefähr zeichnete der DFB sie 2015 als eine der besten deutschen Nachwuchsspielerinnen mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze aus.

Nach dem Abitur am Oppenheimer St.-Katharinen-Gymnasium zog es Freigang jedoch mit einem Sportstipendium zum Studium der Kommunikationswissenschaft in die USA an die Pennsylvania State University. „Das war eine sehr gute Fußball-Uni“, sagt sie; eine Saison zuvor waren die Penn State Nittany Lions College-Meister geworden. „Ich habe dort viel dazugelernt. Die Amerikaner arbeiten gerade im athletischen Bereich sehr professionell.“ Und: Die Lions spielten kein Kick and Rush, sondern einen sehr europäisch geprägten Kombinationsfußball, aber mit hohem Tempo, zweikampforientiert und körperlich robust. „Das kannte ich ja von den Jungs.“

36 Bundesligatore

Seit 2018 spielt Freigang in Frankfurt, wo sie an der Goethe-Universität auch Sportwissenschaft studiert. Ihr Fokus liegt allerdings auf dem Fußball. „Damit beschäftige ich mich am meisten“, sagt sie. „Darin steckt meine Leidenschaft.“ Nach 51 Bundesligaeinsätzen für den FFC beziehungsweise die Eintracht stehen 36 Treffer zu Buche.

Freigangs Talent blieb auch den Verbandstrainern nicht verborgen. Früh wurde sie in das Juniorinnenteam des SWFV berufen, nahm aber auch hier nicht nur am Stützpunkttraining der Mädchen, sondern auch an dem der Jungs teil. „Ich bin in den Auswahlmannschaften groß geworden“, sagt sie. „Der Länderpokal war immer eine Riesensache. Da wächst man als Team echt eng zusammen.“ Noch heute kreuzt sich ihr Weg mit Spielerinnen, mit denen sie damals antrat.

Der Verbandskader war auch das Sprungbrett in die DFB-Auswahl. 2013 debütierte Freigang in der deutschen U15 und durchlief danach alle weiteren U-Nationalmannschaften, kam in 56 Partien auf 31 Tore. Die U16 gewann 2014 auch dank ihrer Treffer den Nordic Cup; die großen Titel – Welt- oder Europameisterschaften – blieben Freigang bislang aber versagt.

Erster Treffer „ein wenig peinlich“

Ihr Debüt in der A-Nationalmannschaft fiel in eine schwierige Zeit. Als Laura Freigang am 7. März im Halbfinale des Algarve-Cups gegen Norwegen als Einwechselspielerin ihre Premiere gab, warf die Corona-Pandemie schon ihre drohenden Schatten voraus. Nur eine Woche später brachte der Lockdown den Sportbetrieb zum Erliegen, Freigang musste sich bis September gedulden, bevor sie im EM-Qualifikationsspiel gegen Montenegro, einem Geisterspiel in Podgorica, zu ihrem zweiten Einsatz kam. Das für Oktober geplante Länderspiel gegen England fiel aus.

Beim 3:0 in Montenegro erzielte Freigang ihren ersten Treffer für das A-Nationalteam. „Das erste Tor ist immer etwas Besonderes“, sagt sie, „allerdings habe ich nur ein bisschen die Kurve des Balls abgelenkt. Einerseits ist mir das ein wenig peinlich, andererseits hat es auch einen gewissen Charme.“ Selbstkritisch merkt sie an, dass sie in dieser Partie mindestens drei weitere Treffer hätte erzielen müssen… Letztlich aber überwiegt für sie das Positive: „Ich konnte von Anfang an spielen. Das war auch cool.“ Noch fehlt ihr die Erfahrung, in einem vollen Stadion zu spielen, doch sie sieht in der Situation auch die Chance, sich zu beweisen, und freut sich auf jeden Lehrgang.

Ein weiteres Tor hat bei ihr bleibende Erinnerung hinterlassen: Beim 3:1-Auswärtssieg gegen die SGS Essen erzielte sie aus großer Distanz den Endstand. „Ich habe einfach geschossen“, sagt die ehemalige Schottlerin. „Das würde ich gerne öfter machen.“ Dafür wird sie bei der Eintracht und in der Nationalmannschaft noch reichlich Gelegenheit bekommen.

 

*Zehn Tage nach der Veröffentlichung dieses Textes hat Laura Freigang ihre Bilanz in der Nationalmannschaft auf überragende Weise quasi explodieren lassen: Beim 6:0 der deutschen Frauen im EM-Qualifikationsspiel gegen Griechenland erzielte sie per Hattrick das zweite, dritte und vierte Tor.

 

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