Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 18.10.2020

Zum ersten Punkt fehlt eine Winzigkeit

Ungeachtet der 0:1-Niederlage präsentiert sich der FSV Mainz 05 gegen Bayer Leverkusen so stabil wie in keinem bisherigen Saisonspiel. Auf der Defensivleistung kann die Mannschaft aufbauen, offensiv ist noch mehr Präzision erforderlich.
Luca Kilian gab ein überzeugendes Startelfdebüt in der Mainzer Innenverteidigung.
Luca Kilian gab ein überzeugendes Startelfdebüt in der Mainzer Innenverteidigung. | Marcel Lorenz/rscp-photo

Mainz. Kann so ein Neuanfang aussehen? Kann nach drei verlorenen Spielen eine weitere Niederlage für einen Wendepunkt stehen? Den Beweis dafür, dass dies der Fall ist, müssen die Bundesligafußballer des FSV Mainz 05 am nächsten Wochenende antreten, wenn sie Borussia Mönchengladbach empfangen. Hoffnung jedenfalls machte die Partie des vierten Spieltags gegen Bayer Leverkusen, auch wenn sie mit 0:1 endete.

Tatsächlich fehlte den Rheinhessen nur eine Winzigkeit zum ersten Punktgewinn in dieser Saison. Ein einziger Kopfball, mit dem Jean-Philippe Mateta nach einer halben Stunde eine Leverkusener Ecke aus dem Strafraum hätte befördern können. Weil der Stürmer jedoch am eigenen Fünfmeterraum zwar am höchsten sprang, aber am Ball vorbeiköpfte, kam in der Traube hinter ihm Lucas Alario zum Zug – und der setzte seine Stirn so effektiv ein, dass Torwart Robin Zentner die Kugel erst hinter der Linie erwischte.

Ein Gegentreffer, über den sich die Mainzer zu Recht maßlos ärgerten, wie Sportvorstand Rouven Schröder sagte. „Gegen eine solche Mannschaft darf man kein Eckballtor kassieren“, führte Innenverteidiger Luca Kilian später mit Verweis auf die Körpergrößen der Gäste aus. „Die Riesen vom Rhein“ lautete zwar einst eine Leverkusener Selbstbezeichnung, allerdings die der Bayer-Basketballer. Von jenen, die am Samstag in der Arena am Europakreisel auf dem Rasen standen, „ist der größte 1,92 Meter, alle anderen sind unter 1,90“, schimpfte Kilian. Torschütze Alario bringt es auf 1,85 Meter.

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Die Kette funktioniert

Darüber hinaus mussten die Mainzer sich für ihr Defensivverhalten keine Vorwürfe machen. Lichtes Umstellungen hatten gefruchtet, Jeremiah St. Juste gab einen starken Part als rechter Verteidiger, „er hat gegen Moussa Diaby, einen der besten Eins-gegen-eins-Spieler der Liga ein hervorragendes Spiel gemacht“, lobte Lichte.

Der statt des Niederländers ins Abwehrzentrum gerückte Kilian gab ein nicht minder gutes Startelfdebüt im 05-Trikot. Abwehrchef Moussa Niakhaté, zuletzt beim 0:4 gegen Union Berlin gelb-rot-gesperrt, und Linksverteidiger Daniel Brosinski standen in nichts nach. Entscheidend für die neue, in den vorangegangenen Partie so schmerzlich vermisste Stabilität waren freilich nicht in erster Line die individuellen Leistungen. „Die Umstellung hat funktioniert, weil die Kette gemeinsam funktioniert hat“, betonte der Trainer. „Wenn einer ein Problem hatte, war ein anderer da. Das war in den vergangenen Wochen nicht so.“

Dieses Miteinander, das sich im zweiten Spiel nach dem Trainerwechsel von Achim Beierlorzer zu Jan-Moritz Lichte durch die gesamte Mannschaft zog, bewahrte die Rheinhessen auch davor, nach dem Gegentreffer komplett die Ordnung zu verlieren. Bei den Niederlagen in Leipzig (1:3), gegen den VfB Stuttgart (1:4) und bei Union war dies der wesentliche Grund für die Gegentorflut. Diesmal aber hielt das Konstrukt, die Mainzer blieben in ihrer Struktur. „Die Mannschaft hat heute den Willen gezeigt, das Spiel zu gewinnen und sich zu zerreißen“, sagte Schröder. „Diesen Glauben, es gemeinschaftlich zu regeln, brauchen wir in Mainz.“

Applaus von fast allen Fans

Das „andere Gesicht“, von dem Jonathan Burkardt sprach („Wir waren kompakt, aggressiv und haben die Räume eng gemacht“), war in der Tat zu erkennen und sorgte dafür, dass fast alle 250 Zuschauer die Mannschaft nach dem Schlusspfiff mit Applaus verabschiedeten. Mit den zwei Ausnahmen führte Cheftrainer Lichte noch ein intensives Kleingruppengespräch. Darin drehte es sich nach seiner Darstellung um das Offensivverhalten seiner Elf.

Lichte hatte den Schwerpunkt in dieser Partie ganz klar auf die Defensive gelegt, gleichwohl aber auch eine Idee fürs Angriffsspiel entwickelt. Wenn sich gegen die bestens organisierte Leverkusener Hintermannschaft Räume auftäten, dann auf den Außenbahnen, und genau dort schufen die Mainzer sich mehrmals gute Ausgangssituationen für gefährliche Strafraumszenen. Woran es lag, dass es nicht auch mehr als zwei bis zweieinhalb solcher Szenen wurden, werde er in Ruhe analysieren. Ein bisschen ärgerlich war es dennoch: „Etwas präziser im letzten Pass, dann haben wir vielleicht eine Großchance…“

Kommunikator nach außen

Unabhängig von den inhaltlichen Differenzen ging es Lichte bei seinem Fan-Talk auch darum, „das Gefühl zu vermitteln, dass wir es gemeinsam schaffen müssen“. Und dieses „gemeinsam“ beinhalte eben nicht nur 248 Fans, sondern alle 250. Die Mannschaft habe diesmal die nötigen Emotionen gezeigt, die meisten Anhänger seien ja auch der Meinung gewesen, dass Einsatz und Leidenschaft stimmten. „Natürlich dürfen wir uns darüber unterhalten, was wir besser machen müssen. Aber nach einem solchen Spiel sollte man zunächst honorieren, dass die Mannschaft alles gegeben hat.“

Der Trainer als Kommunikator auch nach außen, das hatte es in Mainz seit dem Wechsel von Sandro Schwarz zu Achim Beierlorzer nicht mehr gegeben. Bei der Pressekonferenz vor dem Leverkusen-Spiel hatte Lichte noch einen sehr nüchternen Eindruck gemacht, nach Spielschluss zeigte er, dass er auch ganz anders kann. Und dass er sich in dieser Weise vor seine Spieler gestellt hat, kann für das interne Verhältnis nur von Vorteil sein.

 

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