Peter H. Eisenhuth | 12.10.2020

Corona-Schock im Amateursport

Spiele ja, Training nur bedingt: Steigende Infektionszahlen veranlassen Stadt zu Einschränkungen. Womöglich aber führt eine Studie zu Sport im Freien noch zu einem Umdenken. Ganz sicher ohne Zuschauer wird am Mittwoch das Verbandspokalspiel der TuS Marienborn gegen den 1.FC Kaiserslautern stattfinden.

Mainz. Das war eine Schockwelle, die am Montag über den Mainzer Amateursport rollte: Weil die Zahl der Covid-19-Neuinfektionen deutlich über die kritische Marke von 50 auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gestiegen ist – am ersten Tag der Woche waren es 64 –, schaltete die Corona-Warnampel auf Rot. Die Folge sind diverse Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die sich an den aktuellen Regelungen der Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz orientieren und diese, wie die Stadt in einer Pressemitteilung schreibt, ergänzen.

Für den Sport sollte dies unter anderem bedeuten, dass Training im Freien mit maximal 20 Personen in festen Kleingruppen erlaubt sein sollte, Kontaktsport sowie Wettkampfsimulationen nicht. In Hallen sollten maximal fünf Personen in festen Kleingruppen erlaubt sein, auch hier ohne Kontakt und Wettkampfsimulation. Da sich in den Duschen und Umkleidekabinen immer nur jeweils eine Person aufhalten darf, „haben wir die komplett geschlossen“, berichtete Dieter Ebert, der Leiter der städtischen Sportabteilung auf Anfrage von SPORTAUSMAINZ.de. „Andernfalls käme bei Abendveranstaltungen der Letzte ja erst um 3 Uhr nachts nach Hause…“

Außer im Profisport sind zudem keine Zuschauerinnen und Zuschauer erlaubt. Diese Regelungen sollten zunächst bis zum 26. Oktober gelten.

Nicht in die Ligen eingreifen

Nicht betroffen ist der Spiel- und Wettkampfbetrieb. Sprich: Punkt- und Pokalspiele dürfen in allen Sportarten weiterhin stattfinden, sofern nicht Spieler einer Mannschaft positiv auf Corona getestet werden. „Das ist vielleicht schwer zu vermitteln“, räumt Dieter Ebert ein, „aber wir wollen nicht in die einzelnen Ligen eingreifen. Das müssten schon die jeweiligen Verbände tun, indem sie fürs Erste den Spielbetrieb aussetzen.“

Davon kann bislang keine Rede sein, schon deshalb nicht, weil die Infektionszahlen andernorts niedriger sind. Das könnte zu kuriosen Situationen führen – und zu Wettbewerbsverzerrung. Ein Beispiel nennt Freddy Schulz, Teammanager der TuS Marienborn und Spieler der Zweiten Mannschaft. Sein Bezirksligateam muss am übernächsten Spieltag beim SV Klein-Winternheim antreten, im Nachbarort also. „Aber wenn wir zwei Wochen lang nicht normal trainieren können, der Gegner das aber darf, sind die Voraussetzungen ungleich.“

Spielverlegung keine Option für die TuS

Die Marienborner sind im Übrigen auch als erster Klub von den neuen Restriktionen betroffen. Ihr Verbandspokalspiel gegen den 1.FC Kaiserslautern am Mittwochabend wird nun lediglich vor einer Handvoll Zuschauer stattfinden – vor den Offiziellen des Verbands und der beiden Vereine. „Das tut mir sehr leid für die TuS“, sagt Ebert, „die Verantwortlichen hatten ein überzeugendes Hygienekonzept für 250 Besucher vorgelegt, und wir hatten ihnen 100 Meter Absperrgitter zur Verfügung gestellt.“ All dies ist jetzt Makulatur.

Die Überlegung, mit dem Drittligisten und dem Verband über eine Verlegung zu reden, haben die Marienborner verworfen. „Wir hätten nichts davon, zwei Wochen später zu spielen“, erläutert Schulz. „Wir könnten uns bis dahin ja nicht mal vernünftig vorbereiten. Und ob wir in drei Wochen wieder vor Fans spielen dürfen, kann jetzt noch kein Mensch sagen.“ Bis Mittwoch werden zumindest keine größeren sportlichen Gräben aufreißen: TuS-Trainer Kayhan Cakici hatte für Montagabend ohnehin nur ein 40-minütiges „Rein-raus-Micky-Maus“ zum Anschwitzen sowie eine intensive Videoanalyse und einen freien Dienstag geplant.

„Noch kein abschließendes Urteil“ hatte sich am Montagabend Till Pleuger gebildet. „Ich bin noch in der Phase des Verstehens“, sagte der Manager des TSV Schott. „Mir ist klar, dass die Stadt in einer schwierigen Situation ist, auf die sie reagieren muss“ – eine Aussage, in der ein „aber“ mitschwang. Ganz klar: Für die Regionalligafußballer des Klubs stellten die Einschränkungen gegenüber der Konkurrenz aus Hessen, Baden-Württemberg und dem Saarland einen Wettbewerbsnachteil dar, der sie in letzter Konsequenz den Klassenverbleib kosten könnte.

Übertragung unwahrscheinlich

Möglicherweise aber hat Pleuger mit seinem Verweis auf eine Stellungnahme der medizinischen Kommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) für ein Umdenken gesorgt, wonach „beim Fußball im Freien eine Übertragung von SARS-CoV-2 sehr unwahrscheinlich“ ist.

 

  • „Wissenschaftler und Spielanalytiker aus verschiedenen europäischen Ländern (u. a. Dänemark, Deutschland, Niederlande, Spanien) haben sich intensiv mit der Kontakthäufigkeit während eines Profi-Fußballspiels beschäftigt. Bei der Analyse der Positionsdaten aller 306 Spiele der Vorrunde der Bundesliga und 2. Bundesliga (siehe Anlage) stellte sich heraus, dass die Dauer der Kontakte der einzelnen Spieler untereinander im Abstand von weniger als zwei Metern von überraschend geringer Dauer ist. 2019/20 betrug die durchschnittliche Kontaktzeit zwischen zwei Spielern in einem Spiel nur 18 Sekunden. Durchschnittlich hat ein Spieler etwas über 7 Minuten Kontakt (unter dieser Definition) zu allen anderen Spielern zusammen. In der gesamten Hinrunde gab es in keinem Spiel bei einer konkreten „Spieler-Spieler-Kombination“ eine Kontaktzeit in der Nähe von 15 Minuten (vom Robert-Koch-Institut zur Klassifikation von Kontaktpersonen zu SARS-CoV-2-infizierten Personen genutzte Schwelle, bei deren Überschreiten eine Isolierung folgt).“

 

Sportabteilungsleiter Dieter Ebert kündigte am Montagabend an, dass die Stadt diese Studie in ihre Überlegungen einfließen lassen werde. Mit einer Entscheidung wird im Laufe des Dienstags gerechnet.

Keine Auswirkungen auf Spitzensport

Auf die ligahöchsten Hallensportvereine der Landeshauptstadt bleiben die Restriktionen ohnehin ohne Auswirkungen. Die Bundesligaringer des ASV Mainz 88, die Bundesligahandballerinnen des FSV Mainz 05, die Zweitligavolleyballer der TGM Gonsenheim und die Zweitligabasketballerinnen des ASC Mainz dürfen ihren Trainingsbetrieb in der gewohnten Form aufrechterhalten. „Diese Regelung gilt für alle Profi- und Spitzensportvereine“, sagt Ebert. Dass die Stadt im Frühjahr mit dem ASC in der Frage, ob es sich bei den Ersten Damen um Profis handele oder nicht, über Kreuz lag, spielt daher keine Rolle mehr. „Zweite Bundesliga ist selbstverständlich Spitzensport.“

Etwas anders stellt sich die Situation zwar für die in der Zweiten Regionalliga beheimateten ASC-Männer dar. Dominique Liggins, der Sportliche Leiter des Vereins, rechnet damit, dass die für Samstag geplante Partie bei der TS Frankfurt-Griesheim wegen des Infektionsgeschehens in der Mainmetropole ausfallen wird. Im Übrigen hat die Regionalliga schon vor Saisonbeginn vereinbart, dass es in dieser Saison keine Absteiger geben wird. „Daher sind wir in dieser Beziehung sehr entspannt. Und wenn es zwischendurch sinnvoll erscheint, die Saison zu unterbrechen und wir dann erst im Juni fertigwerden sollten, dann ist das eben so.“

 

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