Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 02.10.2020

Die Fortsetzung des Streiks mit anderen Mitteln

Hinten zu lasch und vorne zu lau: Der FSV Mainz 05 geht bei Union Berlin im ersten Spiel unter Jan-Moritz Lichte mit 0:4 (0:1) unter.
Max Kruse (r.), hier gegen Jeremiah St. Juste, brachte Union in der 13. Minute in Führung.
Max Kruse (r.), hier gegen Jeremiah St. Juste, brachte Union in der 13. Minute in Führung. | René Vigneron

Berlin. Leidenschaft. Das war eine der Eigenschaften, die Jan-Moritz Lichte von seinen Spielern eingefordert hatte. Mit Leidenschaft sollten sie das Bundesligaspiel bei Union Berlin angehen, das erste nach Achim Beierlorzers Entlassung und Lichtes Beförderung in die Chefposition. Was die Profis des FSV Mainz 05 am Freitagabend tatsächlich zeigten, müsste ihnen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Mit unterirdischem Passspiel, mit inakzeptablem Zweikampfverhalten in wichtigen Situationen und ohne Leidenschaft gingen sie in der Alten Försterei mit 0:4 (0:1) unter.

Für diesen Kantersieg bedurfte es auf Seiten der Gastgeber nicht mal einer überragenden Leistung. Den Berlinern genügte es im Prinzip, in den Basics stark zu sein, zu laufen und aggressiv zu attackieren – den Rest erledigte mehr oder weniger die Mainzer Defensive. Linksverteidiger Daniel Brosinski mochte man bei der Entstehung des 0:1 noch zugutehalten, dass der Doppelpass, mit dem Robert Andrich seinen Kollegen Sherando Becker zur Grundlinie schickte, alleine gegen zwei Leute schwer zu verteidige; Beckers Flanke köpfte am zweiten Pfosten Max Kruse ins Netz. Gespielt waren noch keine 13 Minuten, Union war mit seinem zweiten Angriff in Führung gegangen.

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Über die Flanken gesprochen

„Anfangs haben wir es noch geschafft, unseren Plan umzusetzen“, sagte Lichte. Dieser Plan sah in erster Linie vor, defensiv stabil zu stehen, die Anzahl der Gegentore zu reduzieren. Tatsächlich war den Berlinern bis zum ersten Treffer lediglich ein uninspirierter Abschluss weit übers Tor gelungen. Dann brachte sie eine einzige Aktion aus dem Konzept. „Die Berliner spielen den Doppelpass gut, aber wir verteidigen nicht gut.“

Torwart Robin Zentner hieb hinterher in dieselbe Kerbe. „Viele Aktionen haben wir gut wegverteidigt, aber sehr viele auch nicht“, monierte er. „In den entscheidenden Momenten hat es einfach schlecht ausgesehen.“

Wie Brosinski vor dem 0:2, als sein Verhalten unter Passivität firmierte. Nico Schlotterbeck nahm bei einem Berliner Angriff eine Seitenverlagerung vor, Christopher Trimmel marschierte auf dem Flügel, auf der linken Mainzer Abwehrseite, ohne dass Brosinski ihm auch nur einen Meter entgegenkam, um ihn zu stören; es wirkte wie die Fortsetzung des Mainzer Streiks aus der vorigen Woche mit anderen Mitteln. Trimmels Flanke geriet zur Maßarbeit, Marcus Ingvartsen nahm den Ball direkt (49.). „Klar haben wir darüber gesprochen, dass der Gegner gute Flanken schlägt…“, sagte Jan-Moritz Lichte.

Offensiv nicht sauber genug

Diese Fähigkeit der Gastgeber hätte schon früher zu einem höheren 05-Rückstand führen können. Nach einem Stellungsfehler von Alexander Hack – der Innenverteidiger sprang an der Mittellinie unter dem Ball durch und ermöglichte damit einen Berliner Konter. Wieder flankte Becker, wieder auf Kruse, doch der zielte übers Tor (27.). Drei Minuten später parierte Zentner im kurzen Eck einen Schuss von Schlotterbeck mit der Brust.

Gleichwohl stellte die Defensive in der ersten Halbzeit nicht das einzige Problem der Rheinhessen dar, wahrscheinlich nicht mal ihr größtes. Viel schlimmer anzusehen war, wie sie sich selbst reihenweise um die Chance auf gefährliche Angriffe brachten. „Wir hatten schon Situationen in einer guten Grundordnung, aus denen wir in gute Szenen hätten kommen können“, hielt der Trainer fest, „aber wir haben nicht sauber gespielt.“

Keine Durchschlagskraft

Tatsächlich vermeldeten die Statistiker bereits nach einer halben Stunde jeweils sieben Ballverluste von Danny Latza und Jean-Paul Boëtius sowie acht vom für den nach Wolfsburg gewechselten Ridle Baku hinten rechts aufgebotenen Phillipp Mwene. Wenn doch mal ein Pass den Adressaten erreichte, unterlief diesem mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Stockfehler, der gesamten Offensivreihe fehlte jegliche Durchschlagskraft. Den ersten Mainzer Torschuss gab Daniel Brosinski ab: in der 72. (!) Minute.

Zu diesem Zeitpunkt war die Begegnung schon entschieden. Marvin Friedrich war nach einem Freistoß aus dem rechten Halbfeld mit Anlauf zum Kopfball gegangen und hatte das 3:0 erzielt (62.). Zwei Minute später – und 35 Sekunden nach seiner Einwechslung – erhöhte Joel Pohjanpalo auf 4:0. Diesmal sah Hack beim Kampf um den Ball nicht glücklich aus. Jonathan Burkardt hatte mit der letzten Aktion das 1:4 auf dem Fuß, spielte aber quer, statt selbst abzuschließen, fand jedoch keinen Mitspieler.

 

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