Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 31.07.2018

„Sommerpause für Neustart genutzt“

TRAININGSLAGER IN BAD HÄRING (IV): 05-Kapitän Niko Bungert über eine Saison ohne Einsatz, seine Angriffslust, die Qualität des aktuellen Mainzer Kaders und seine Überlegungen für die Zeit nach der aktiven Karriere.
Niko Bungert will es nach einem Jahr Pause noch einmal wissen. Der Innenverteidiger hat seine eigene Saisonvorbereitung schon vom ersten Tag der Sommerpause an betrieben.
Niko Bungert will es nach einem Jahr Pause noch einmal wissen. Der Innenverteidiger hat seine eigene Saisonvorbereitung schon vom ersten Tag der Sommerpause an betrieben. | Peter H. Eisenhuth

Bad Häring. Niko Bungert ist der dienstälteste Bundesligaspieler des FSV Mainz 05. Zur Saison 2008/09 kam er mit Trainer Jörn Andersen von Kickers Offenbach an den Bruchweg und trug als unumstrittene Stammkraft mit 32 Einsätzen zur Rückkehr in die Erste Liga bei. Dort kam Bungert seither auf 158 Partien – in der vorigen Spielzeit allerdings kam keine einzige hinzu. Das soll sich in der neuen Runde ändern, sagte der 31 Jahre alte Innenverteidiger im SPORTAUSMAINZ.de-Gespräch.

 

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Herr Bungert, schon das zweite Trainingslager in dieser Vorbereitung. Wie gefällt’s Ihnen?

Ich habe generell mit Trainingslagern kein Problem. Ganz im Gegenteil: Die Ortswechsel während der langen Vorbereitung finde ich positiv, hier kann man sich an einem schönen Örtchen ganz auf die Arbeit konzentrieren ohne abgelenkt zu werden.

Gibt es einen Unterschied zwischen dem ersten Trainingslager in Bad Venlo und diesem hier in Bad Häring?

Nee, wir sind ja immer noch in der Phase, in der es viel ums Physische geht, in der wir viel Umfang in den Einheiten haben. Das wird jetzt leicht gedreht, der Fokus gerät etwas stärker von der Ausdauer aufs Schnellkräftige. Ansonsten gucken wir weiter, dass wir taktisch vorankommen, uns immer mehr verbessern. Das knüpft nahtlos an die bisherige Arbeit an.

Was macht Ihr Körper?

Alles gut. Ich fühle immer viel in mich hinein, ab und zu muss ich etwas weniger machen als die anderen Jungs, aber generell kann ich 90 Prozent des Umfangs mitmachen. Ich bin total zufrieden, dass ich jetzt stabil im Training bin und auch Spiele absolvieren kann. Ich bin sehr zuversichtlich, ein gutes Niveau zu erreichen.

Schwingt immer noch ein bisschen Angst mit, dass wieder etwas passieren kann…

…in den Trainingseinheiten gar nicht…

…oder sind Sie muskulär gefestigt?

Genau. Ich habe die Sommerpause extrem genutzt. Statt die Füße hochzulegen, habe ich vom ersten Tag an daran gearbeitet, auch muskulär eine andere Basis in den Beinen zu haben. Voriges Jahr habe ich mich nach der langen Sommerpause zu Anfang der Vorbereitung verletzt, und damit war das dann ein großer Zeitraum, den ich verpasst habe und dem ich während der gesamten Saison hinterhergelaufen bin. Diesmal bin ich auf einem ganz anderen Level.

Mit einer solchen Seuchensaison ohne Einsatz wollten Sie wahrscheinlich nicht aufhören.

Auf gar keinen Fall.

Hat Sie das zurückliegende Jahr noch einmal besonders motiviert?

Zum einen hat es mich erst mal ziemlich frustriert. Ich war total heiß, auf dem Platz zu stehen, gerade in der schweren Phase zu helfen. Dann den Großteil der Saison aus dem Krankenstand beobachten zu müssen, war schon sehr bitter. Aber es war kein Thema, mit Fußballspielen aufzuhören. Im Gegenteil: Mein Vertrag läuft aktuell noch ein Jahr, und ich habe die Sommerpause als Chance für einen Neustart gesehen, um noch einmal anzugreifen.

In der vorvergangenen Saison waren es ja auch nur vierzehn Einsätze. Reicht eine solche Vorbereitung jetzt, um wieder voll angreifen zu können?

Das wird man sehen. Der erste Schritt für mich ist, die Vorbereitung durchzuziehen, ohne ein, zwei, drei Wochen auszufallen. Wenn das klappt, bin ich optimistisch, dass ich Spiele machen kann. Ob es dann am Ende zehn, zwanzig oder fünfundzwanzig sind, kann ich nicht sagen. Zunächst einmal ist es mein Ziel, überhaupt in eine Verfassung zu kommen, in der ich wieder auf dem Platz stehen kann. Schrittchenweise.

Enthält Ihr Vertrag eine Klausel, dass er sich nach einer bestimmten Anzahl von Einsätzen automatisch verlängert?

(grinst) Da muss ich noch mal nachblättern.

Gab es schon mal Gespräche mit dem Verein über Ihre Zukunft in Mainz nach der aktiven Karriere?

Ja. Generell haben beide Seiten eine sehr große Wertschätzung füreinander. Ich fühle mich im Verein sehr wohl, und in Mainz bleiben werden meine Familie und ich in jedem Fall. Diese Entscheidung ist gefallen, wir haben hier auch ein Haus gekauft. Die Voraussetzungen für eine andere Tätigkeit bei Mainz 05 sind also gegeben, aber momentan konzentriere ich mich voll darauf, sportlich eine Rolle zu spielen. Alles andere kann man später besprechen, aber die grundsätzlichen Signale dafür haben beide Seiten ausgesendet.

Haben Sie sich neben dem Fußball in irgendeiner Form weitergebildet?

Ich habe vor einiger Zeit ein Fußballmanagementstudium abgeschlossen, hatte auch eine Zeitlang bei Bo Svensson in die Trainerarbeit hineingeschnuppert, um für mich einzugrenzen, was am ehesten infrage kommt.

Geht die Tendenz in Richtung Trainer oder Management?

Das ist schwierig. Beides sind interessante Geschichten. Klar ist für mich, dass es toll wäre, im Fußball zu bleiben. Es muss nicht unbedingt auf dem Platz sein, ich könnte mir beides gut vorstellen. Aber so konkret sind meine Gedanken derzeit noch nicht.

Wie war die vorige Saison aus Ihrer Rolle als Kapitän heraus? Welchen Einfluss konnten Sie nehmen, wie nahe waren Sie an den Kollegen dran?

Sehr nahe. Erst mal war ich wegen meiner Verletzung natürlich frustriert, aber direkt der nächste Gedanke war: Du kannst dich jetzt nicht einigeln und den Jungs sagen, sie sollen mal ohne mich machen. Ich wollte meinen Teil dazu beitragen, dass wir es gemeinsam schaffen. Im Endeffekt bedeutet das Amt ja nicht, nur die Kapitänsbinde durch die Gegend zu tragen und damit schön auszusehen…

…das ist das Wenigste…

…genau, das kann im Grunde jeder. Ich habe versucht, viel in der Kabine zu helfen, Einfluss zu nehmen, bei Problemen versucht zu vermitteln, viele Gespräche, Krisengespräche in der Gruppe, auch Einzelgespräche mit Mitspielern und dem Trainer geführt.

Wollen Sie weiterhin Kapitän bleiben?

Ich würde es gerne weiter machen, aber für mich ginge keine Welt unter, wenn’s nicht mehr der Fall wäre. Wir haben viele Jungs in der Mannschaft, die das Amt des Kapitäns ausfüllen, die Ansprechpartner sind und vorneweggehen. Wer die Kapitänsbinde trägt, ist zweitrangig; die Sache funktioniert nicht, wenn man nicht die Köpfe zusammensteckt. Es war wichtig, dass wir starke Persönlichkeiten wie René Adler und Nigel de Jong dabei hatten, dass wir Jungs hatten, die die ganze Situation bewegt hat und sie nicht auf dem Weg nach Hause vergessen wollten. Alle waren bedrückt alle wollten helfen, und alle waren heiß darauf, den Klassenverblieb zu schaffen. Dieses Ganze, die vielen Mosaiksteine, die einzelnen Charaktere zusammenzukriegen war für uns als Gruppe ein Kraftakt und am Ende eine tolle Leistung.

War das Ihre schwierigste Saison?

Ziemlich gleichauf mit der davor. Die waren ja beide recht zäh, und erst kurz vor dem Ende haben wir die Kurve gekriegt. Für die Gefühlswelt waren diese zwei Jahre nicht die einfachste Zeit. Aber von den Grundvoraussetzungen her sind solche Saisons die Normalität. Dass wir uns in den Jahren zuvor früher gerettet hatten, dass wir mehrmals europäisch dabei waren, das ist die absolute Ausnahme. Was wir in den vergangenen zehn Jahren erreicht haben, ist gar nicht hoch genug zu bewerten.

Schätzen Sie den Kader stärker ein als im vorigen Jahr?

Ich glaube, dass wir uns sehr gut verbessert haben, dass wir eine sehr gute Qualität dazugewonnen haben. Jetzt hängt es davon ab, wie sich das Team findet. Bei uns steht und fällt das Ganze mit der mannschaftlichen Geschlossenheit und damit, wie wir den taktischen Teamgedanken auf dem Platz leben. Die Voraussetzungen sind da, es liegt an uns, daraus etwas Gutes zu machen und uns am besten in den ersten Spielen ein gutes Gefühl zu machen. Ein guter Start macht viel aus und hilft, in den Fluss zu kommen.

Hat es bei Ihnen für Irritationen gesorgt, dass Jean-Philippe Gbamin am ersten Abend in Bad Häring überraschend verkündete, er wolle vielleicht doch nach England wechseln?

Ich kenne die Details nicht genau, aber im Endeffekt erlebt man so etwas in jeder Wechselperiode, schlimmstenfalls auch noch dazwischen. Von daher bin ich relativ entspannt. Man muss Vertrauen in die Verantwortlichen haben, dass wir zum Saisonstart einen vernünftigen Kader haben – und das habe ich. Ich mache mir keine Sorgen, dass wir blind einen Spieler abgeben könnten. Das passiert nur, wenn wir auch schon einen Ersatz an der Hand haben.

Neben den vielen Jungen im Kader sind auch noch drei ganz Junge dabei: Jonathan Burkardt, Leandro Barreiro, Ahmet Gürleyen. Wie sehen Sie diese drei?

Sehr gut. Sie machen ihre ersten Schritte in der Profiwelt, treten aber sehr unbekümmert auf, haben ein sehr gesundes Selbstbewusstsein, ohne überheblich zu sein. Sie sind auf dem Boden geblieben. Ich finde es sehr gut, was die machen, und könnte mir vorstellen, dass wir den einen oder anderen von ihnen auch während der Saison sehen werden – vorausgesetzt, sie arbeiten weiterhin so konzertiert. Das ist sehr vielversprechend.

Einen Stürmer wie Burkardt hat man in Mainz zuletzt unter dem Namen André Schürrle gesehen.

Das stimmt. Schü hatte sich als junger Spieler durch einen brutalen Elan ausgezeichnet, und daran erinnert mich Jonathan. Dieses forsche Auftreten, bis unter die Fußnägel motiviert zu sein. Ihm zuzuschauen, macht riesigen Spaß.

 

Das Gespräch führte Peter H. Eisenhuth.

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