Martin & Pit | 24.06.14

Hier feiern bei Weitem nicht alle

Das WM-Tagebuch von Martin & Pit, Teil 4.
Blick über Belo Horizonte.
Blick über Belo Horizonte. | Peter Kropf
Begnadete Körper: Entspannung am Strand von Caraiva.
Begnadete Körper: Entspannung am Strand von Caraiva. | Junia Widmer
Belo Horizonte ist kein Touristenmagnet, aber beflaggt.
Belo Horizonte ist kein Touristenmagnet, aber beflaggt. | Peter Kropf
Nicht alles gut am Zuckerhut. Die FIFA mag hier niemand, und auch dei WM an sich stößt bei vielen Brasilianern nicht auf Begeisterung.
Nicht alles gut am Zuckerhut. Die FIFA mag hier niemand, und auch dei WM an sich stößt bei vielen Brasilianern nicht auf Begeisterung. | Eva Willwacher

Es ist ein paar Tage her, dass wir uns zuletzt aus Brasilien gemeldet haben. In der Heimat sollen schon die ersten besorgten Fragen gestellt worden sein, ob wir in irgendeiner Weise (Favela, Caipirinha, oder so) unter die Räder geraten sein könnten. Aber wir können Entwarnung geben: alles gut am Zuckerhut – wir sind lediglich ein Opfer der modernen Kommunikationstechnik geworden.

Nach den anstrengenden 90 Auftaktminuten in der Mittagshitze von Salvador hatte es uns zur Regeneration ins beschauliche Caraiva verschlagen. Der 300-Seelen-Ort liegt an der Küste südlich von Porto Seguro und ist nur per ruckelnder einstündiger Sandpistenfahrt und anschließender Flussüberquerung zu erreichen.

Der erste Lederball kam aus Mainz

Bei der Ankunft fühlt man sich ein wenig wie am Ende der Welt; der Ort hat erst seit wenigen Jahren Strom und nur gelegentlich Handynetz und Internet. Martin und Junia hatten hier jahrelang ein Haus und sind quasi Einheimische. Da gibt es bei der Rückkehr immer viel zu erzählen. Zum Beispiel, dass es Martin war, der vor vielen Jahren den ersten Lederball nach Caraiva gebracht hat – bis dahin wurde immer mit gerundetem Gummi und Plastik gespielt. Mit strahlenden Augen erzählen die inzwischen erwachsenen Männer, wie sie jeden Tag schon frühmorgens am Strand warteten. Auf Martin. Und vor allem auf den Ball.

Unser brasilianischer Kulturwechsel geht nach den wunderschönen Tagen in Caraiva unmittelbar weiter, nach einem kurzen Zwischenstopp in Porto Seguro mit dem Ghana-Spiel sind wir inzwischen in der nächsten Millionenmetropole Belo Horizonte angekommen und haben den Achtelfinaleinzug der Selecao mitgefeiert.

Kein gutes Wort über die FIFA

Wobei: Hier feiern bei Weitem nicht alle. Es ist wirklich erstaunlich, dass die Gräben in der Bevölkerung hier inzwischen auch den Fußball erreicht haben. Nicht nur durch die zum Teil gewalttätigen Proteste rund um die Spiele – insbesondere in der Ober- und der oberen Mittelschicht stößt die Copa auf massive Ablehnung. Und das schließt ein, auch die Spiele der eigenen Nationalmannschaft nicht anzuschauen. Doch nicht alles gut am Zuckerhut.

Über die FIFA haben wir in unseren fast drei Wochen hier noch kein positives Wort gehört. Und auch in der Selecao soll nicht immer alles mit rechten Dingen zugehen, lautet ein häufig erhobener Vorwurf. Als Beleg für Einflüsse von außerhalb gilt die Existenz von Julio César zwischen den Pfosten – des 34-Jährigen, der in der zweiten englischen Liga aussortiert wurde und inzwischen in Toronto (!) als Goalkeeper arbeitet (nein, nicht im Eishockey). Wenn hier jemand die Frage stellt, ob Brasilien keinen besseren Torwart hat, ist sie in der Regel rhetorisch gemeint.

Engländer sind inkognito unterwegs

Belo Horizonte ist kein Touristenmagnet, berüchtigt ist allerdings das Nachtleben rund um das Vergnügungsviertel Savassi. Mussten wir natürlich testen – und stellten fest, dass auch hier gilt: Deutsche sind wirklich immer willkommen. Die Antwort „from Germany " zaubert stets ein Lächeln in die Gesichter. Häufig gefolgt von Einschätzungen wie „best team of Copa“ oder „Germany final“. Selbst nach dem Ghana-Spiel...

Am Dienstagabend ist in Belo Horizonte wieder Matchtime, dann verabschieden wir die Engländer.  Die Stimmung in der Stadt am Abend zuvor war sehr cool, jeder Costa Ricaner wurde als WM-Held gefeiert, derweil die Engländer merkwürdig still und meist inkognito durch die Straßen liefen. Insofern weiter alles gut…

 

WM-Tagebuch , Teil 1: Das Klischee trifft nicht immer zu.

WM-Tagebuch, Teil 2: Die Präsidentin darf im Amt bleiben. Vorerst.

WM-Tagebuch, Teil 3: Klassentreffen in Salvador.

Aktuellen Sport aus Mainz lesen Sie hier.

Alle Artikel von Sonstige Sportarten