Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 25.08.14 „WIR haben dagegengehalten...“? Der Punktgewinn in Paderborn mag gut für die Moral sein. Aber die 05er sind nicht mehr der Gradmesser für Kompromisslosigkeit. Und das kann auf Dauer kaum gutgehen. Erleichterung bei Julian Baumgartlinger: Durch den späten Ausgleich blieb den 05ern der komplette Fehlstart verwehrt. | René Vigneron Paderborn. Für einen Moment wurde Christian Heidel ärgerlich. Ob dieses 2:2 angesichts des Spielverlaufs ein Erfolgserlebnis war, wollte ein Journalist nach der Partie des FSV Mainz 05 beim SC Paderborn wissen – und der Manager reagierte empfindlich. „Das ist jetzt meine Lieblingsfrage“, sagte Heidel, „das ist fast schon arrogant. Wir gehen nach Paderborn und dann glauben ein paar Leute wie Du, dass wir die hier 5:0 abschießen…“ In diese Richtung aber hatte der Fragesteller wohl gar nicht gezielt, zumal nach den bisherigen Pflichtspielen der 05er eher damit zu rechnen war, dass es auch beim Aufsteiger eine Niederlage setzen würde. Wenig später, Heidel hatte sich schnell wieder beruhigt, räumte der 05-Manager denn auch ein, dieses Unentschieden sei sicher das richtige Ergebnis, aber so, wie es gelaufen war, fühle es sich an wie ein Sieg. „Klar ist das glücklich, wenn man kurz vor Schluss das 1:2 bekommt, das auch glücklich war, und schießt dann kurz nach Schluss das 2:2.“ Durch einen Elfmeter, dessen Berechtigung allerdings niemand anzweifelte. „Wir haben bei einem Aufsteiger, der voller Euphorie war und das gut gemacht hat, einen späten Punkt geholt“, sagte Heidel. „Ich glaube, der tut uns allen gut.“ Das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein Ob dieses Unentschieden gut für die Moral der Mannschaft sei, wurde Kasper Hjulmand gefragt. „Ich hoffe, es ist sehr wichtig für die Moral“, sagte der Trainer lächelnd. Mit Gewissheit behaupten lässt sich das in der Tat nicht. Eine Prognose im Misserfolgsfalle wäre wohl einfacher gewesen: Dann stünden in der Zwischenbilanz der 05er das Ausscheiden in der Europa-League-Qualifikation, das Scheitern im DFB-Pokal und eine Meisterschaftsauftaktniederlage bei einem Aufsteiger – unterm Strich wenig Material, aus dem sich Zuversicht ziehen ließe. Dass der Zähler aus Paderborn ihnen tatsächlich Selbstbewusstsein und Sicherheit gibt, müssen die 05-Profis erst noch beweisen. Zumindest aber konnten sie die Benteler-Arena in dem Gefühl verlassen, nicht alles falsch gemacht zu haben und mit ihrer Arbeit auf dem richtigen Weg zu sein. Der Ausgleichstreffer in der 94. Minute auch die Belohnung dafür, dass die Mannschaft nach dem Tiefschlag in der 87. Minute nicht resigniert hatte, sondern noch einmal angerannt war. Die Schwächen, unter denen das Mainzer Spiel litt, vermochte er aber nur im ersten Augenblick der Erleichterung zu übertünchen. Erstaunlich viele Passfehler Sicher, die Gäste hatten das Spiel in den ersten 20 Minuten beherrscht, und möglicherweise hatte Heidel Recht mit seiner These: „Hätten wir bis zum Ende so gespielt wie in der ersten Halbzeit, hätten wir wohl gewonnen.“ Aber: Schon in dieser ersten Halbzeit war noch lange nicht alles gut (und dabei muss man gar nicht über Johannes Geis‘ Aussetzer reden, der prompt zum 1:1 führte). Auffällig waren beispielsweise die zahlreichen Fehler in Zuspiel und Ballannahme. Dafür, dass die Trainercrew in den Übungseinheiten so viel Wert auf Passformen legt, war das ein eher dürftiger Ertrag. Gäbe es in Fußballspielen eine B-Note für den künstlerischen Eindruck, wären die 05er am Sonntag als klarer Punktsieger vom Rasen gegangen. Noch besser wäre natürlich, die diversen Pirouetten, Anspiele und Weiterleitungen mit Hacke und Sohle leiteten auch die ein oder andere Torgelegenheit ein. Effektiv war das jedenfalls nur bedingt. Noveski im Sprintduell Die Mannschaft arbeite auf dem Trainingsplatz gut, mache aber immer noch große Fehler, sagte Hjulmand. Organisationsfehler und persönliche Fehler. „Es ist meine Aufgabe, an der Organisation zu arbeiten. Das Wichtigste ist, dass es schon sehr viel besser war als im letzten Spiel.“ Nach wie vor gab es Szenen, in denen die Mainzer nach Ballverlust im Spielaufbau von Gegenstößen beinahe kalt erwischt worden wären, weil die Innenverteidiger als Absicherung selbst schon sehr hoch standen. Dass Nikolce Noveski quasi als letzter Mann von der linken Seitenlinie in ein Laufduell über 30 Meter mit dem schnellen Elias Kachunga gehen musste (22.), sollte der Organisationsplan des Trainers nicht vorsehen. Der Innenverteidiger blieb zwar Sieger, weil er am Ende noch das lange Bein auspackte und dem Paderborner Stürmer den Ball vom Fuß spitzelte. Allerdings verletzte Noveski sich dabei am linken Knie und musste kurz nach der Pause ausgewechselt werden. Die Diagnose folgte am Montag: Innenbandanriss. Mehrere Wochen Pause. Aufsteiger ist keine Übermannschaft Noch eines war zum wiederholten Male auffällig: Das aggressive Zweikampfverhalten, das kompromisslose Draufgehen, das frühe Attackieren, die für den 05-Fußball in der Vergangenheit typischen Elemente, die Grundlage für die Stärke des Teams, spielen derzeit keine große Rolle. Die Mannschaft verlässt sich weitgehend auf ihren Ballbesitz, darauf, dass nach vorne schon die zündenden Ideen einfallen werden. Schwer zu glauben, dass dies auf Dauer gutgehen wird. Denn, bei allem Respekt vor der Leistung des Aufsteigers: Eine Übermannschaft ist der SC Paderborn wahrlich nicht. Bezeichnend war nach Spielende eine Aussage Julian Baumgartlingers. „Wir wussten, dass der Gegner aggressiv sein würde“, sagte der Mainzer Mittelfeldspieler. „Wir waren darauf eingestellt, wir wollten dagegenhalten.“ WIR wollten dagegenhalten? Über Jahre hinweg waren es in der Regel die 05er, die den Aggressivitätsgrad definierten – und die jeweiligen Gegner waren gefordert, dagegenzuhalten. Freiwilliger Verzicht auf alte Stärke Dieser Paradigmenwechsel des neuen Trainergespanns irritiert vor allem unter dem Aspekt, dass Kasper Hjulmand mit Blick auf die (noch) fehlenden schnellen Außenstürmer zu Recht darauf hinweist, er müsse ein Konzept für das Personal erarbeiten, das zur Verfügung stehe. Sprich: Keine Flügelflitzer, kein Umschaltspiel. Das Personal für einen bedingungslosen Fight hingegen hat der Däne in seinem Kader, bestens geschultes Personal sogar. Warum Hjulmand auf diese Qualität verzichtet, erschließt sich (noch) nicht. Mag sein, dass sich dies in absehbarer Zeit ändert. Vielleicht verleiht der späte Punktgewinn der bislang verunsicherten Mannschaft tatsächlich so viel Auftrieb, dass es ihr in den nächsten Wochen besser gelingt, die von Hjulmand gesetzten Themen sicherer, präziser und erfolgreicher umzusetzen. Falls nicht, wird zumindest in der Arbeit gegen den Ball eine Kurskorrektur erforderlich werden. Mehr aktuellen Sport aus Mainz lesen Sie hier. Alle Artikel von Fußball (Bundesliga)