Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 15.07.2022

Mit gutem Gefühl in den Bus

NEUES AUS GRASSAU (4) | Mit nur wenigen Stammkräften der vorigen Saison unterliegt der FSV Mainz 05 im Test gegen Besiktas Istanbul mit 0:1 (0:1). Defensiv hält Bo Svenssons Elf gut dagegen, von Mentalität und Gruppendyamik ist der Trainer angetan. Mit seinem Gegenüber Valerién Ismaël liefert er sich nach einem rüden Foul eine kurze, aber heftige Diskussion.
Marlon Mustapha (l.) gehörte in der ersten Halbzeit zu den auffälligsten 05ern.
Marlon Mustapha (l.) gehörte in der ersten Halbzeit zu den auffälligsten 05ern. | rscp-photo

Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05

berichtet Peter H. Eisenhuth

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Kufstein. Für den Aufreger in der Kufstein-Arena sorgte am Freitagabend Gedson Fernandes in der 68. Minute: Der Verteidiger von Besiktas Istanbul stoppte den eingewechselten Anton Stach bei dessen erster Aktion, einem Dribbling durchs Mittelfeld, mit einem üblen Tritt von hinten. In einem Bundesligaspiel hätte er dafür Rot sehen können, in diesem Testspiel des FSV Mainz 05 durfte er weitermachen.

Am Spielfeldrand bekamen sich nach dieser Aktion die beiden Trainer kurz, aber heftig in die Haare,  Bo Svensson und der einstige Bundesligaprofi Valerién Ismaël. „Ich finde es unnötig, wenn ein Spieler in einem Testspiel klar vorbei ist, ihn einfach umzuhacken, weil ich merke dass ich nicht hinterherkomme. Das ist sinnlos, das ist totaler Schwachsinn. Was wäre gewesen, wenn Stachi sich schwer verletzt hätte?“, fragte der Mainzer Coach und gab die Antwort selbst: „Dann wäre das Spiel abgebrochen worden, glaube ich, weil ich dann durchgedreht wäre.“

Apropos Verletzungsgefahr: Stach und Leandro Barreiro waren die einzigen der erst am Montag ins Training eingestiegenen Mainzer Nationalspieler, die überhaupt zu einem Kurzeinsatz kamen. Diese beiden hätten die bisherigen Einheiten körperlich gut verkraftet, für alle anderen wäre es zu riskant gewesen, in einer derart intensiv geführten Partie mitzuwirken, erläuterte Svensson. Auch Danny da Costa, der aus privaten Gründen nach der einwöchigen Vorbereitungspause noch nicht wieder mit der Mannschaft trainiert hat, und Neuzugang Anthony Caci wegen leichter Schmerzen in der hinteren Oberschenkelmuskulatur, standen nicht im Kader.

40 Minuten ausgeglichen

Svenssons erste Elf zeichnete sich denn auch nicht durch einen Erfahrungsvorsprung oder ein besonderes Maß an Eingespieltheit aus. Stefan Bell, Alexander Hack, Aarón und Marcus Ingvartsen waren die einzigen Stammkräfte der vorigen Saison, um sie herum gruppierten sich Nachwuchskräfte, der nach einem Jahr Ausleihe fürs Erste zurückgekehrte Edimilson Fernandes und der fast schon nach Hannover abgewanderte Anderson Lucoqui.

Ihnen stand ein Team gegenüber, das in dieser Zusammensetzung auch zum Auftakt der Süper Lig vorstellbar ist und für das es bereits der dritte Test während des Trainingslagers nach Spielen gegen Werder Bremen und Viktoria Pilsen war. Für diese sehr unterschiedlichen Voraussetzungen zogen sich die 05er bei ihrer 0:1 (0:1)-Niederlage mehr als achtbar aus der Affäre. „In den ersten 40 Minuten war es ein ausgeglichenes Spiel“, sagte Svensson. „Gegen den Ball haben wir gut gearbeitet.“

Dass es im Spielaufbau und beim Umschaltspiel noch haperte, lag zum einen daran, dass diese Themen in den Übungseinheiten noch nicht vertieft wurden. „Zum anderen stand eine Mannschaft auf dem Platz, die noch nie in dieser Zusammensetzung gespielt hat“ – da konnte die Abstimmung nicht wunschgemäß funktionieren.

Mustapha fällt auf

Dennoch gehörten die ersten Minuten dem Bundesligisten, auffälligster Akteur war lange Zeit Marlon Mustapha. Der vorige Saison an Wacker Möldling ausgeliehene Stürmer war nicht nur ein eifriger Anläufer, sondern bereitete auch zwei frühe Torchancen für Ingvartsen vor. Zunächst nach einem Zweikampf und mit Tiefenpass auf der linken Seite (2.), dann mit einem Flügellauf samt Flanke über rechts (5.). In der ersten Szene ließ Ingvartsen seinen Gegenspieler aussteigen, schloss aus 14 Metern aber genau auf Torwart Ersin Destanoglu ab, in der zweiten kam er einen Tick zu spät.

Defensiv war bei den 05ern bis zur 24. Minute alles in Ordnung, dann leitete eine Nachlässigkeit von Lucoqui, die einen Ballverlust und den vergeblichen Versuch, die Situation zu bereinigen nach sich zog, den Rückstand ein. Cenk Tosun, halbrechts freigespielt, nutzte die erste Besiktas-Chance zum 0:1 und versetzte die rund 1500 lautstarken türkischen Fans in Verzückung. Der ehemalige Angreifer der Frankfurter Eintracht besaß kurz auch die zweite Tormöglichkeit, scheiterte diesmal aber mit einem Kopfballaufsetzer am schnell abgetauchten Finn Dahmen.

Dahmen verhindert 0:2

Zur zweiten Halbzeit brachte Svensson fünf neue Leute und stellte seine Hintermannschaft um; unter anderem rückte Merveille Papela von der Sechs in die Dreierkette, Lucoqui aus der Innenverteidigung auf die linke Bahn. Besiktas, jetzt mit dem kürzlich verpflichteten Ex-Wolfsburger Wout Weghorst in der Spitze, erarbeitete sich ein Übergewicht, Tyler Boyd hatte nach einem Fehlpass von Edimilson Fernandes das 0:2 auf dem Fuß, Dahmen verhinderte es mit einer starken Parade.

Stabiler wurden die 05er wieder mit den Einwechslungen von Dominik Kohr, Barreiro und Stach, die zudem wieder zu mehr Dynamik nach vorne beitrugen, ohne dass sich am Ergebnis etwas änderte.

„Was die Gruppe braucht“

Bo Svensson sprach hinterher von einem „wichtigen Test für das, was die Gruppe braucht“. Besiktas habe ein Tempo vorgelegt, das seine Mannschaft zum jetzigen Zeitpunkt der Vorbereitung noch nicht gehen könne. „Aber dieses Spiel hat allen körperlich etwas gebracht, wir haben sehr gute Bilder auch für die jungen Spieler bekommen, Maxim Leitsch hat erstmals 45 Minuten in einer Fünferkette gespielt, und wir sind als Gruppe zusammengewachsen“, sagte der Trainer.

Der letztgenannte Punkt war ihm besonders wichtig, da sich das Team nach den personellen Veränderungen noch finden müsse. „Diejenigen, die draußen gesessen haben, waren stolz auf die Jungs auf dem Platz, die alles gegeben haben.“ Spielerisch und inhaltlich waren die Mainzer gegen Besiktas noch ein ordentliches Stück von den eigenen Vorstellungen entfernt. Die Mentalität aber, die sie an den Tag legten, trug dazu bei, dass Svensson sich mit einem guten Gefühl in den Bus setzte.

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