Jörg Schneider | 08.03.2014

Auch auf das Rhythmusgefühl kommt es an

Von gegenseitigem Respekt geprägt ist das Aufeinandertreffen des FSV Mainz 05 mit Hertha BSC am Sonntag in der Coface-Arena (Anstoß: 17.30 Uhr). 05-Trainer Thomas Tuchel erwartet ein reizvolles Spiel mit knappem Ausgang.
In der Hinrunde mussten die 05er (Mitte: Bo Svensson, rechts: Malik Fathi) sich in Berlin 1:3 geschlagen geben. Das soll am Sonntag anders werden.
In der Hinrunde mussten die 05er (Mitte: Bo Svensson, rechts: Malik Fathi) sich in Berlin 1:3 geschlagen geben. Das soll am Sonntag anders werden. | Foto: Eva Willwacher

Mainz. Die beiden Nationalmannschaftskollegen, so wird berichtet, hätten lange und ausführlich die bevorstehende Partie diskutiert. Genügend Zeit dafür hatten Shinji Okazaki und Hajime Hosogai ja auf dem langen Rückflug von Tokio nach Deutschland unter der Woche. Hosogai, der Berliner Mittelfeldmotor, verkündete jedenfalls bei seiner Ankunft in der Hauptstadt, das Ergebnis des Palavers mit dem Stürmer des FSV Mainz 05 und zweifachen Torschützen beim 4:2 der Japaner über Neuseeland, sei klar: Hertha BSC nehme am Sonntag (17.30 Uhr) drei Punkte mit aus der Coface Arena.

Dafür könnte die Statistik sprechen. Hertha BSC, der Aufsteiger, ist hinter den Bayern und Borussia Dortmund die drittbeste Auswärtsmannschaft der Bundesliga mit 18 Punkten (einen Zähler mehr als die 05er in fremden Stadien). Das Team von Trainer Jos Luhukay hat fünf der letzten sechs Auswärtsspiele gewonnen. Und da die 05er hinter den Bayern, zusammen mit dem BVB und Schalke 04, die zweitbeste Rückrundenmannschaft stellen, verspricht dieses Duell des Tabellensechsten (37 Punkte) gegen den -achten (35) nicht nur im Kampf um die internationalen Plätze eine höchst interessante Angelegenheit zu werden.

Tuchel: Echte Typen und viel Potenzial

„Ich erwarte ein Spiel auf Augenhöhe“, sagt Thomas Tuchel, der großen Respekt zeigt vor dem Gegner. Hertha BSC stelle eine sehr kompakte und laufstarke Einheit, die sehr direkt in die Spitze spielen könne, die das zudem mit gefährlichen Flugbällen tue. „Das ist eine sehr gestandene Mannschaft mit echten Typen und viel Potenzial, die auf hohem Level etliche Spiele hintereinander bestreiten kann“, sagt der 05-Trainer. Hertha führe mit die meisten Zweikämpfe in der Liga. „Alles andere als ein enges Spiel würde mich sehr überraschen. Dennoch werden wir versuchen, das bessere Ende für uns zu haben.“

Sami Allagui, der 47 Bundesligaspiele für die 05er absolvierte (14 Tore) und zurzeit zu jenen Profis im Kader der Berliner gehört, die sich in Topform präsentieren, soll sein Team bereits intensiv darauf vorbereitet haben, mit was in Mainz zu rechnen ist. Allagui, beim 3:1-Sieg der Berliner in der Hinrunde zweifacher Torschütze, habe halb Berlin gewarnt vor den Mainzern, will Tuchel gehört haben.

Luhukay: Können noch nicht mit 05 mithalten

Jos Luhukay ließ es in seiner Spieltags-Pressekonferenz an Respekt vor den 05ern ebensowenig mangeln. Rund um den Bruchweg sei eine richtige Erfolgssituation entstanden, erklärte der Hertha-Trainer. Der Holländer musste dabei immer wieder die Hauptstadt-Journalisten einbremsen, deren Erwartungshaltung offenbar immens ist. Luhukay bemühte sich, aufzuzeigen, dass die Hertha noch nicht so weit sei, mit einem Klub wie Mainz 05 mitzuhalten, der sich über Jahre hinweg derart positiv aufgestellt, wirtschaftlich so gearbeitet habe, dass Transfers wie der von Ja-Cheol Koo möglich seien. „Den hätte ich auch gerne geholt“, sagte Luhukay. Doch mit der Entwicklung der 05er sei die Hertha in ihrer ersten Saison nach dem Wiederaufstieg nicht zu vergleichen. Das werde in Berlin völlig falsch wahrgenommen.

Die Zeiten, in denen die 05er als graue Maus galten, sind zumindest nach Ansicht der meisten Trainer und Manager in der Bundesliga passé. „Die Mainzer spielen sehr guten Fußball. Die haben richtig gute Qualität. Das wird für uns eine sehr schwere Aufgabe“, sagte Luhukay. Allerdings auch eine sehr reizvolle. Er respektiere die Qualität des Gegners, aber seine Mannschaft sei ebenfalls sehr motiviert, auswärts weiterhin erfolgreich sein zu können.

Berliner mit personellen Sorgen

Der Berliner Trainer hat jedoch ein paar personelle Sorgen. Nicht nur, dass ihm in Fabian Lustenberger, Enis Ben-Hatira und Tolga Cigerci drei Leistungsträger ausfallen und die Einsätze von John Brooks und Peer Skjelbred noch fraglich sind. Luhukay behauptet zudem, sein Kader sei nicht derart ausgeglichen und stark besetzt wie der des FSV, um solche wichtigen Profis adäquat zu ersetzen. „Wir wissen, was uns dort erwartet.“

Bei den 05ern gibt es kadertechnisch keine großen Probleme. Bo Svensson ist angeschlagen (Pferdekuss). Todor Nedelev hat Knie- und Sprunggelenkprobleme. Doch diese beiden Profis dürften für einen Startelfplatz sowieso nicht infrage kommen. Nicolai Müller ist nach seiner Gelbsperre wieder dabei. Tuchel muss sich ansonsten nur damit auseinandersetzen, ob und wie er seine zuletzt erfolgreiche Formation verändert.

Tempo stets hochhalten

Was erwartet das Publikum also in der Arena? „Wenn ich es mir aussuchen dürfte, würde ich gerne unser ureigenes Spiel spielen“, sagte Tuchel, dem klar ist, dass es gegen die laufstarken Berliner nicht damit getan sein kann, eine Viertelstunde Druck auszuüben und sich darüber einzurichten. Sein Team sei gefordert, den Druck beizubehalten, das Tempo stets hochzuhalten, das richtige Rhythmusgefühl für die Aufgabe zu entwickeln. Ein wesentliches Thema dabei ist die Konzentration. Auf diesem Gebiet erwartet der 05-Coach von seinen Profis ähnliches wie zuletzt in Leverkusen oder auf Schalke. Der 40-Jährige fordert wieder eine stabile Mentalität. „Wie wir das aktuell auf hohem Niveau können.“

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