phe | 14.07.2022

Comeback nach 25 Jahren

Da staunt selbst Lazarus: Andreas Singler arbeitet nicht nur wieder als Trainer des USC Mainz, sondern übernimmt auch von Nils Wiesel das Amt des Geschäftsführers.
Ist nach einem Vierteljahrhundert wieder für den USC Mainz tätig: Andreas Singler.
Ist nach einem Vierteljahrhundert wieder für den USC Mainz tätig: Andreas Singler. | Bernd Eßling

Mainz. Andreas Singler wird neuer Geschäftsführer des USC Mainz. Er löst Nils Wiesel ab, der den Posten nach rund eineinhalb Jahren zum Monatsende abgibt, um sich einem weiteren Studium zu widmen. Der 61 Jahre alte Singler, der seit Herbst als Hürdentrainer im Nachwuchs tätig ist – Liam Atwani wurde gerade Deutscher U-16-Meister über 300 Meter Hürden – legt damit ein Comeback hin, auf das selbst der alte Lazarus neidisch wäre.

Singler war in den späten 1980er Jahren als Studierendenvertreter zeitweise Mitglied des USC-Vorstands. Er engagierte sich ab 1986 an der Seite von Susanne Berlinghoff im Schülerinnenbereich der Leichtathletikabteilung und übernahm 1987 für vier Jahre eine Langsprint- und Hürdengruppe, zu der auch Michael Kaul gehörte.

Gleichzeitig begann der frühere Handballspieler und Leichtathlet 1987 seine Laufbahn als freier Journalist bei der Mainzer Rhein-Zeitung mit den Schwerpunkten Sport und Kultur, später berichtete er für verschiedene Blätter, darunter das damalige Fachmagazin „Leichtathletik“ unter anderem von zahlreichen nationalen und internationalen Meisterschaften.

Dopinggeschichte erforscht

Mitte der 1990er Jahre arbeitete Andreas Singler noch für eine Saison als Coach mit Stefanie Kaul. Danach verschrieb er sich verstärkt der geistes- und sozialwissenschaftlichen Dopingforschung. Schwerpunkte: westdeutsche Dopinggeschichte und Dopingprävention. Seine gemeinsam mit dem kürzlich verstorbenen Heidelberger Pädagogen Professor Gerhard Treutlein verfassten Publikationen gelten als Klassiker der interdisziplinären Dopingaufklärung hierzulande. Zu diesem Themenkomplex verfasste er auch Gutachten für das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag und nahm 2008 im Auftrag des Landesinnenministeriums eine Studie zur Dopingprävention in Rheinland-Pfalz vor.

Danach war er als Mitglied der 2010 bis 2015 existierenden Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin tätig. 2011 promovierte er an der Uni Würzburg mit einer Arbeit über „Doping und Enhancement“. Mit fünf auf seiner Website frei zugänglichen Gutachten im Umfang von insgesamt fast 1500 Seiten zur Freiburger und westdeutschen Dopinggeschichte schuf Singler das größte zusammenhängende Werk zur älteren und jüngeren Dopinghistorie in der Bundesrepublik Deutschland.

Zudem schloss Singler Ende 2017 schloss ein Masterstudium in Japanologie an der Goethe-Universität Frankfurt ab. Er forschte und publizierte zu den landesweiten japanischen Protestbewegungen gegen Atomkraft und die Olympischen Spiele in Tokio 2020/21.

Wiesel will als Trainer arbeiten

Der scheidende Geschäftsführer Nils Wiesel – als Jugendlicher Konkurrent und später Trainingspartner von Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul und noch immer deutscher Rekordhalter im Neunkampf der Schüler – beginnt demnächst ein duales Studium der Wirtschaftsinformatik in Mainz. Die Arbeitszeiten dort lassen eine weitere Tätigkeit als Geschäftsführer kaum zu. „Ich bin dankbar für die Möglichkeiten, die ich beim USC Mainz hatte und die Erfahrungen, die ich hier sammeln konnte“, sagt Wiesel. „Dafür möchte ich etwas zurückgeben. Ich würde mich gerne als Trainer einbringen und um einen Sitz im Vorstand bewerben.“

„Wir lassen ihn ungern gehen, sind aber froh, dass er uns in anderer Funktion erhalten bleiben wird“, sagt USC-Präsident Detlev Höhne. „Zugleich freuen wir uns, dass wir in Andreas Singler einen erfahrenen Sportwissenschaftler und ausgewiesenen Anwalt eines humanen und sauberen Leistungssports für uns gewonnen haben.“

Für Singler wird die administrative Arbeit eine neue Erfahrung. Einen Widerspruch zu seinen bisherigen Tätigkeiten sieht er darin nicht. „Ich bin seit jeher entschiedener Gegner eines Spitzensports, in dem nicht der ganze Mensch im Vordergrund steht und in dem die Athletinnen und Athleten sich immer stärkerer externer Instrumentalisierung gegenübersehen“, sagt er. „Dass im USC Mainz diese Haltung, mit der man sich in Sport und Sportpolitik nicht nur Freunde macht, willkommen und gewünscht ist, hat Detlev Höhne in unserem ersten Gespräch überzeugend deutlich gemacht. Das hat für mich den Ausschlag gegeben, im Verein künftig auch in der Geschäftsstelle mitzuarbeiten.“

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