Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 24.07.25 „Sonst wäre ich nicht hier“ NEUES AUS HOPFGARTEN (3) | Nadiem Amiri erläutert, warum er sich im Frühjahr nicht auf einen Verbleib beim FSV Mainz festlegen wollte. Inzwischen aber sei seine Entscheidung gefallen. Als neuer erster Stellvertreter von Kapitän Silvan Widmer dürfte er künftig häufig die Binde tragen. Künftig dann wohl häufiger mit Kapitänsbinde: Nadiem Amiri. | Eva Willwacher Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05 berichtet Peter H. Eisenhuth. Hopfgarten. Vor allem zwei Spieler des FSV Mainz 05 standen in den letzten Wochen der vorigen Saison und der Zeit danach im Mittelpunkt von Spekulationen, wer den Verein im Sommer verlassen würde. Der eine, Jonathan Burkardt, hat sich inzwischen tatsächlich verabschiedet und bereitet sich mit Eintracht Frankfurt in den USA auf die neue Spielzeit vor. Der andere sitzt am Mittwochabend als erster Gesprächspartner im Mainzer Mannschaftshotel in Hopfgarten im Brixental und versicherte, er habe nicht vor, den Klub zu wechseln: „Die Entscheidung steht. Sonst wäre ich nicht hier“, sagt Nadiem Amiri. Zum Saisonende habe er eine so klare Aussage nicht treffen wollen. Hätte er seinen Verbleib als definitiv kundgetan, dann aber ein Angebot erhalten, mit dem er sich einen Traum hätte erfüllen können, wäre er womöglich wortbrüchig geworden. In diese Situation mochte er nicht geraten. „Aber jeder weiß, dass ich in Mainz sehr, sehr zufrieden bin, ich fühle mich brutal wohl und habe einen Vertrag bis 2028. Den habe ich vor einem Jahr nicht einfach so verlängert.“ „Silvan macht das überragend, er ist ein top Kapitän“ Als andere Medien dieser Tage darüber spekulierten, wer in der neuen Saison das Kapitänsamt übernimmt, war die Entscheidung bereits gefallen. Silvan Widmer bleibe im Amt, er selbst rücke nach Burkardts Abgang von der dritten an die zweite Position. „Silvan macht das überragend, er ist ein top Kapitän“, betont Amiri. Trotz seiner persönlich nicht ganz einfachen Situation – seinen Stammplatz auf der rechten Außenbahn hatte der Schweizer verloren, lediglich dreimal durfte er von Beginn an ran – habe er die Mannschaft immer gepuscht. „Er führt uns, vor ihm haben wir alle Respekt, er bleibt die Nummer eins. Aber wenn er nicht spielt, werde ich die Binde tragen. Das haben wir alles schon abgesprochen.“ Neu ist auch Amiris Rückennummer. Statt der 18 prangt jetzt die 10 auf dem Trikot, die habe er schon in der Jugend getragen, die mag er besonders, ist auch die Lieblingsnummer seines Bruders, der ihn gebeten habe die 10 zu nehmen. „Aber am Ende ist es nur eine Zahl“, sagt er, eventuelle taktische Veränderungen gingen damit nicht einher. Standards brauchen Leidenschaft „Über solche Dinge haben wir noch gar nicht geredet“, erzählt Amiri, allerdings gebe es auch keinen Grund, etwas an der seit eineinhalb Jahren funktionierenden Konstellation mit ihm auf der Doppelsechs – zunächst neben Leandro Barreiro, in der vorigen Saison neben Kaishu Sano – zu ändern. Er könne sich in seiner Rolle ohnehin frei bewegen, sei je nach Notwendigkeit mal offensiver, mal defensiver zugange. Die neue Rückennummer bedeute daher nicht, „dass ich jetzt der Magier oder Zauberer auf dem Platz bin. Ich werde weiter hart arbeiten und mich überall reinschmeißen“. Amiri gilt als exzellenter Standardschütze – doch dafür, dass die Mainzer einen solchen Mann in ihren Reihen haben, sind ihnen erstaunlich wenig Tore nach Ecken und Freistößen gelungen. Der Fachmann nickt zustimmend. „Wir brauchen eine bessere Abstimmung und eine bessere Kommunikation“, sagt er. „Wir hatten sehr viele Momente, in denen die Bälle in die Räume kamen, in die sie kommen sollten. Und dann hat vielleicht Hanche gefehlt…“ Um Standards zu verwerten, bedürfe es entsprechender Leidenschaft und des unbedingten Willens. „Alibihaft reinlaufen, reicht in der Bundesliga nicht. Aber wir haben die Jungs mit diesem Willen. Alle können hoch springen, auch Kaishu Sano. Nur von Paul Nebel erwarte ich kein Kopfballtor.“ Einstudierte Abläufe Auf Intuition komme es bei Ecken und seitlichen Freistößen weniger an als auf festgelegte Abläufe. „Vieles ist einstudiert“, sagt Amiri. „Ich kann nicht zehn von zehn Bällen dahin bringen, wo sie hin sollen. Von daher müssen einfach die Räum besetzt sein. In den Sechzehner wird der Ball schon kommen, das schaffe ich…“ Bei der Frage, ob der Ausgang der vorigen Saison ihn zufriedengestellt habe oder wegen der verpassten Champions League doch die Enttäuschung überwogen habe, zögert Amiri kurz, schaut zu Pressesprecherin Silke Bannick und sagt: „Soll ich darauf ehrlich antworten?“ Soll er. „Eine gewisse Enttäuschung war da. Wir waren sehr nahe dran an der Champions League.“ Ohne die jeweils späten Nackenschläge gegen den VfL Wolfsburg hätte es zumindest für die Europa League gereicht. „Dennoch hatte ich am Ende das Gefühl, dass wir eine super Saison gespielt haben“, sagt Amiri. „Hier wächst etwas zusammen.“ Die Auslosung der Conference-League-Play-offs am 4. August erwarte er mit einer gewissen Euphorie, aber auch mit Respekt. „Da sind gute Mannschaften dabei, und wir wissen, dass wir 110 Prozent geben müssen, um weiterzukommen. Wir freuen uns brutal, wir haben uns das erarbeitet. Und es kann kommen, wer will: Wir werden heiß sein.“ Mit Physio in den Urlaub Auf die Teilnahme an den Nations-League-Spielen im Juni musste er wegen seiner angeschlagenen Adduktoren verzichten, Amiri reiste vorzeitig von der Nationalmannschaft ab. „Für mich war es wichtig, die Probleme loszuwerden, sonst wäre ich jetzt vielleicht für drei oder vier Monate ausgefallen.“ Ob jetzt alles in Ordnung sei? Amiri lacht. „Gesund wird mein Körper in dem Alter nicht mehr, aber ich werde unter der Woche und am Wochenende auf dem Platz stehen.“ Um nichts dem Zufall zu überlassen, hatte er im Mallorca-Urlaub einen Personaltrainer und Physiotherapeuten dabei. Den kenne er aus seiner Leverkusener Zeit, „und wenn ich ihn brauche, ist er da“. Dass Amiri unlängst seinen Berater gewechselt hat und sich jetzt von Pini Zahavi vertreten lässt, einem der einflussreichsten Akteure der Branche überhaupt, befeuerte im Übrigen die Spekulationen über einen vorzeitigen Abschied aus Mainz. Damit habe der Schritt jedoch nichts zu tun, versichert der Spieler. Er kenne Zahavi schon lange, „das hat jetzt ganz gut gepasst“, und bei Fußballern gebe es immer eine Menge zu tun. Mit seinem bisherigen Agenten verstehe er sich nach wie vor sehr gut; „wir haben immer noch täglich Kontakt“. Ein bisschen Wehmut war bei Nadiem Amiri nach dem letzten Saisonspiel gegen Bayer Leverkusen zu spüren. | Eva Willwacher Anzeige Bo Henriksen umarmt einen seiner wichtigsten Spieler. | Eva Willwacher Anzeige Alle Artikel von Fußball (Bundesliga)