DFB-Pokal | Peter H. Eisenhuth | 08.02.2018

„Krieg mit den Füßen“

Nach der peinlichen Leistung des FSV Mainz 05 beim 0:3 im Pokalspiel bei Eintracht Frankfurt sind die Fans sauer, und der Trainer wird laut. Fraglich ist, ob alle Spieler über das angebrachte Maß an Selbstkritik verfügen.
Erklärungsversuche: René Adler stellte sich nach dem Spiel den Fans...
Erklärungsversuche: René Adler stellte sich nach dem Spiel den Fans... | Eva Willwacher
...von der guten Stimmung, die bei Spielbeginn im vierfarbbunten Mainzer Block geherrscht hatte...
...von der guten Stimmung, die bei Spielbeginn im vierfarbbunten Mainzer Block geherrscht hatte... | Eva Willwacher
Karim Onisiwo hatte eine der wenigen Mainzer Torchancen, traf den schwer zu nehmenden Ball aber nicht.
Karim Onisiwo hatte eine der wenigen Mainzer Torchancen, traf den schwer zu nehmenden Ball aber nicht. | Eva Willwacher
Ante Rebic (2.v.r.) leitete das Mainzer Debakel ein. Allerdings hatte 05-Torwart René Adler optimale Vorarbeit geleistet.
Ante Rebic (2.v.r.) leitete das Mainzer Debakel ein. Allerdings hatte 05-Torwart René Adler optimale Vorarbeit geleistet. | Eva Willwacher
Anthony Ujah durfte erstmals von Beginn an stürmen, erhielt aber kaum brauchbare Anspiele.
Anthony Ujah durfte erstmals von Beginn an stürmen, erhielt aber kaum brauchbare Anspiele. | Eva Willwacher
Vereint waren Mainzer und Frankfurter Spieler nur vor dem Anpfiff. Danach trennten sich die Wege rasch.
Vereint waren Mainzer und Frankfurter Spieler nur vor dem Anpfiff. Danach trennten sich die Wege rasch. | Eva Willwacher
Auch der eingewechselte Emil Berggreen vermochte keine Akzente zu setzen.
Auch der eingewechselte Emil Berggreen vermochte keine Akzente zu setzen. | Eva Willwacher
Dieses Resultat bringt den FSV Mainz 05 um rund eine Million Euro, die der Halbfinaleinzug gebracht hätte...
Dieses Resultat bringt den FSV Mainz 05 um rund eine Million Euro, die der Halbfinaleinzug gebracht hätte... | Eva Willwacher
...obendrein dürfte der Ausflug nach Frankfurt wegen des mehrmaligen Abbrennens von Bengalos im Mainzer Block dem Klub noch eine schöne Geldstrafe einbringen.
...obendrein dürfte der Ausflug nach Frankfurt wegen des mehrmaligen Abbrennens von Bengalos im Mainzer Block dem Klub noch eine schöne Geldstrafe einbringen. | Eva Willwacher

Frankfurt. Für eine Portion Galgenhumor reichte es immerhin noch. „Einer von uns?“, fragte Sandro Schwarz, als bei der Presskonferenz die Bekanntgabe des „Man of the match“ angekündigt wurde. Hätte ja sein können, schließlich hatten die Profis des FSV Mainz 05 soeben im Viertelfinale des DFB-Pokals bei Eintracht Frankfurt für drei Tore gesorgt. Halt nur für den Gegner. Und als die Sprache darauf kam, verflog auch der letzte spaßige Unterton in der Stimme des Trainers.

Er stelle sich immer wieder vor seine Mannschaft, sagte Schwarz. Wenn er das Gefühl habe, die Mannschaft habe alles investiert und sei unglücklich („siebenmal Pfosten, dreimal Latte und vom Schiri verpfiffen“) oder an einem stärkeren Gegner gescheitert, könne man ihr sagen, sie müsse nur dranbleiben, um dann auch belohnt zu werden. „Aber heute haben wir nicht alles investierte, das Bild, das wir abgegeben haben, ist nicht zu rechtfertigen. Heute ist der Tag, an dem wir sagen müssen, die Leute draußen sind zu Recht sauer.“

Was die Fans, zumindest die in den vorderen Reihen des Mainzer Blocks, in denen während der Partie mehrere Male Bengalos brannten, von der Leistung bei der 0:3-Niederlage (siehe: Heile Gänsje im Main ersäuft) hielten, hatten die Spieler kurz nach dem Abpfiff erfahren. „Die waren sehr aufgebracht“, berichtete Daniel Brosinski von seinem Abstecher in die Kurve. „Aber das muss man über sich ergehen lassen, wenn man so einen Scheiß gespielt hat. Und in der Kabine ging es dann grad so weiter.“

Schröder: „Da fällt einem nicht mehr viel ein“

Eine normale Ansprache sei es an diesem Abend nicht gewesen, bestätigte Rouven Schröder „Das geht auch nicht. Wir reden davon, dass wir ins Halbfinale einziehen können, dass mehr als 3500 Zuschauer mitkommen. Die gesamte Geschäftsstelle ist dabei, alle haben sich auf den Weg gemacht“, sagte der Sportvorstand. „Aber nach dem Spiel fällt einem nicht mehr ganz so viel dazu ein.“

Die Mannschaft habe nicht gezeigt, was sie sich vorgenommen, die Spieler seien zu spät in die Zweikämpfe gekommen, hätten außerdem große Probleme mit dem Geläuf gehabt. „Und die drei Tore schießen wir uns selbst rein. Das ärgert uns, weil wir ehrgeizig sind und uns Tag für Tag den Arsch aufreißen.“

Letzteres ließ sich von den Spielern am Mittwochabend nicht behaupten, vom erhofften Rückenwind nach der starken Leistung gegen den FC Bayern war nichts zu spüren. Stattdessen lieferten die Mainzer die schlechteste Darbietung der gesamten bisherigen Saison ab. Warum das so war, vermochte keiner der Beteiligten wirklich schlüssig zu erklären. „Wenn man sich viel vornimmt, aber gegen einen selbstbewussten Gegner nicht ins Spiel kommt und dann ein solches Tor kassiert, braucht man zwei, drei gelungene Aktionen“, sagte Schröder. Die hatten die 05er definitiv nicht. Trotzdem gelang es ihnen, bis zur Pause nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten, weil die Frankfurter zwar die deutlich aggressivere Mannschaft waren, aus ihren vielen Balleroberungen aber kein Kapital schlugen.

Brosinski: „Vielleicht reden wir zu viel“

Doch gerade, als nach dem Seitenwechsel Besserung in Sicht schien – Schwarz‘ Umstellung vom 4-2-3-1 auf ein 3-5-2 verhieß einen Aufschwung –, unterlief Alexander Hack bei der eher ungefährlichen Hereingabe von Sebastien Haller das Eigentor zum 0:2. „Danach ist unser Kartenhaus zusammengestürzt“, sagte Schröder. Möglicherweise habe sich der ein oder andere Spieler zu viele Gedanken gemacht. „Vielleicht reden wir auch zu viel“, sagte Außenverteidiger Daniel Brosinski. „Wir sollten lieber weniger reden und dafür mehr auf den Platz bringen. Wir müssen kleinere Brötchen backen, der ein oder andere will vielleicht zu viel.“

Nicht als Argument für den spielerischen und kämpferischen Tiefpunkt der Saison, von dem Winter-Neuzugang Nigel de Jong sprach, ließ sein Trainer die taktische Herangehensweise gelten. „Ob wir Dreier-, Vierer- oder Fünferkette spielen oder mit Libero und zwei Manndeckern: Wenn wir dem Gegner den Ball so vor die Füße spielen, hat das nichts mit der Kette zu tun.“

Jeder Einzelne müsse sich hinterfragen, mahnte Brosinski im Gespräch mit den Journalisten an. Ein Rat, den er auch innerhalb des Teams wiederholen sollte; Selbstkritik nämlich gehörte zuletzt nicht zum Standardrepertoire der 05-Profis. Wenn zum Beispiel ein Danny Latza nach dem Bayern-Spiel zu Protokoll gab, schon die Leistung in Leverkusen sei nicht so schlecht gewesen, wie sie öffentlich gemacht wurde, legt dies den Verdacht eines zu hohen Maßes an Selbstzufriedenheit nahe.

Bell will keinen Vorwurf machen

Stefan Bell lag am Samstag zwar richtig damit, dass die Offensive aus ihren vielen Chancen auch etwas machen müsse, am Mittwochabend aber kommentierte er allen Ernstes das zweite Gegentor mit den Worten: „Ich will keinem einem Vorwurf machen, auch wenn es dumm aussieht.“ Dumm sahen in der Szene die Kollegen Hack und Adler aus, den Vorwurf hätte sich der Kapitän allerdings selbst machen müssen. Nie und nimmer hätte Eintracht-Stürmer Haller an diesen Abstoß seines Torwarts Lukas Hradecky kommen dürfen, doch obwohl der Ball so lange in der Luft war, fand Bell nicht die Zeit für ein ordentliches Stellungsspiel; auch sein folgendes Zweikampfverhalten war diskussionswürdig. Und das nicht nur in dieser Situation.

„Wir sollten nicht über Systeme reden“, betonte denn auch Rouven Schröder. „Es geht um Körpersprache, Ballgewinne, offensiver gestaltete Zweikämpfe.“ Sprich: um Grundlagen. Und ab und an sei statt spielerischer Lösungen in der Defensive auch mal der lange Schlag angebracht, hielt Schwarz fest. Das bedeute keine Abkehr von seiner Idee der Spielgestaltung. „Fußball spielen ist erlaubt, aber es wäre toll, wenn wir den Ball nicht in die gegnerischen Füße spielen. Wir müssen situationsbedingt handeln“, forderte der Trainer. „Wenn der Gegner uns an unserem Strafraum mit drei Mann zustellt, ist es auch erlaubt, einen langen Ball zu schlagen. Und wenn das erste Tor schon so fällt, darf zumindest das dritte nie mehr so fallen.“

Missglücktes Adler-Comeback

Dieses erste Tor leitete nicht nur die das Mainzer Pokal-Aus ein, es überschattete auch René Adlers Comeback, das für diesen Abend noch nicht geplant war, aber erforderlich wurde, weil Robin Zentner, seit dem Pokalspiel gegen Holstein Kiel der Dauervertreter der verletzten Nummer eins, im Abschlusstraining eine Augapfelprellung erlitten hatte. „Das kam unverhofft – und unverhofft schlecht“, sagte Adler. „Ich musste in die Bresche springen.“ Selbstverständlich könne er nach dreieinhalbmonatiger Pause und knapp zwei Wochen Training mit der Mannschaft noch nicht die alte Form haben. Ein Patzer wie in der 17. Minute, als er den Ball nach einem Rückpass von Stefan Bell am Fünfmeterraum verstolperte und damit das 0:1 durch Ante Rebic ermöglichte, dürfe nicht passieren.

„Ich hatte ein bisschen Krieg mit meinen Füßen“, sagte Adler. Diesen Satz hätte auch jeder der 13 eingesetzten Feldspieler sagen können.

 

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