Christian Karn / Peter H. Eisenhuth | 05.05.2020

Der Monn mim longe Mondel

Das 05-Kalenderblatt* für den 5. Mai.
17 Jahre lang trug Manfred „Moppes“ Petz das 05-Trikot.
17 Jahre lang trug Manfred „Moppes“ Petz das 05-Trikot.

Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es unter anderem um ein Mitglied des 54-Tore-Sturms von 1972/73, um einen zu früh gerollten Autokorso, einen historischen Sieg beim BVB und einen Torwart, der 17 Jahre lang ... na, um den Moppes halt.

 

5. Mai

Heute wird Manfred Kipp 73 Jahre alt. Der Linksaußen wechselte 1971 als veritabler Torjäger der Regionalliga Berlin (109 Treffer in 159 Spielen für den VfB Hermsdorf und Wacker 04) zu Eintracht Braunschweig, spielte aber in der Bundesliga keine Rolle und kam schon ein Jahr später zum FSV Mainz 05.

In seinem ersten Jahr am Bruchweg bildete Kipp (17 Saisontreffer) mit Rechtsaußen Herbert Renner (18) und Mittelstürmer Gerd Klier (19) den spektakulären 54-Tore-Sturm, der die 05er zur Südwestmeisterschaft 1973 und in die Bundesliga-Aufstiegsrunde schoss. Schon in der Rückrunde hatte Kipp allerdings nachgelassen, und nach der Verpflichtung von Erwin Hohenwarter zur Saison 1973/74 war er fortan fast nur noch Einwechselspieler. Mit nur 27 Jahren wechselte Kipp eine Liga nach unten zu Hassia Bingen.

 

59 Jahre alt wird der Spieler mit der längsten Karriere bei Mainz 05: 17 Jahre liegen zwischen dem ersten und dem letzten Spiel von Manfred „Moppes“ Petz in der Ersten Mannschaft. Der Torwart kam 1978 im Alter von 17 Jahren von Kastel 06 an den Bruchweg und wurde 1980 als Nachfolger von Kurt Gass, der ebenfalls nach Bingen gewechselt war, so etwas ähnliches wie Stammkeeper.

Völlig unumstritten war Petz nicht, in keiner einzigen Saison stand er von Anfang bis Ende im Tor. Anfang 1985 löste ihn Slobodan Sujica ab, 1986/87, als der Jugoslawe keine Aufenthaltsgenehmigung mehr bekam, verdrängte ihn Dieter Ingendae auf die Bank, und dann kam ein gewisser Stephan Kuhnert nach Mainz. Dennoch spielte Petz in fast jeder Saison mindestens einmal – wenn auch 1989/90 lediglich elf Minuten in der bedeutungslosen letzten Partie. Als Feldspieler.

Nur 1990/91 blieb Petz ohne Ligaeinsatz, 1993/94 hingegen avancierte er wegen Kuhnerts Verletzung noch einmal zur Stammkraft. 1995 schließlich wechselte Petz nach 206 Pflichtspielen für die 05er zum SV Wehen und wurde dort nach zwei Jahren kurzzeitig Trainer.

Ingelheimer Anekdote

Seine weitere Karriere: Torwarttrainer bei Eintracht Frankfurt und den Stuttgarter Kickers, Cheftrainer der SpVgg Ingelheim, Torwarttrainer bei Fortuna Düsseldorf, Eintracht Trier und der SV Elversberg, Cheftrainer der U23 des VfL Wolfsburg, von 2011 bis 2014 erneut Torwarttrainer der Eintracht, unter Trainer Thomas Schaaf zum Scout degradiert, mit Armin Vehs Rückkehr ein Jahr später wieder auf seinen alten Posten befördert. Ende Januar dieses Jahres trennten sich die SGE und Moppes Petz.

Anekdote am Rande: Petz‘ Markenzeichen, das selbst seinen markanten Schnäuzer überlebte, war stets der weitgehende Verzicht aufs Hochdeutsche, vor allem auf den Vokal „a“ – was ihn im Herbst 2003 vorzeitig als künftigen Ingelheimer Trainer enttarnte. Zwar mochte der Vorsitzende der Spielvereinigung in einem Telefonat mit der Mainzer Rhein-Zeitung partout nicht verraten, wen die Vereinsführung als neuen Coach auserkoren hatte. Im Hintergrund aber hörte Sportredakteur Armin Franz eine Stimme, die sagte, es sei so kalt, „do musste en longe Mondel oziehn“…

 

Insbesondere jährt sich aber heute einer der schwärzesten Tage der jüngeren 05-Vergangenheit: In der Saison 2001/02, der ersten vollen Trainersaison von Jürgen Klopp, waren die Mainzer lange Zeit die alles überragende Mannschaft der Zweiten Bundesliga.

Mit Dimo Wache im Tor, dem alten Robert Nikolic als überragendem rechtem Außenverteidiger, dem Saisonaufsteiger Manuel Friedrich, Tamás Bódog und Peter Neustädter in der Innenverteidigung, dem aggressiven Markus Schuler als Linksverteidiger, mit Niclas und Dennis Weiland, Sandro Schwarz, Jürgen Kramny und Christof Babatz im Mittelfeld, mit Umschaltspieler Christian Hock und mit dem großartigen Sturmtrio Andrey Voronin (8 Tore), Michael Thurk (12) und Blaise Nkufo (14) spielten die 05er alles in Grund und Boden – bis auf Hannover 96.

Feindselige Stimmung

Mit dem 4:1 gegen den direkten Konkurrenten Arminia Bielefeld am 31. Spieltag schienen die 05er den Bundesligaaufstieg klargemacht zu haben. Ein Autokorso rollte durch die Stadt, der Rest sollte Formsache sein. In Duisburg und gegen Greuther Fürth kamen sie aber nur zu Unentschieden. Und dann folgte das entscheidende Spiel bei Union Berlin.

Der Berliner Boulevard hatte sich anhand eines frei erfundenen Klopp-Zitats für dieses Spiel einen Ossi-Wessi-Konflikt ausgedacht. Die Stimmung in Köpenick war nicht nur aufgeheizt, sondern feindselig, die 1:3-Niederlage der 05er nicht nur wegen des dadurch verpassten Aufstiegs, sondern auch aufgrund der hässlichen Begleitumstände ein Schock.

 

Ein Jahr später wiederholte sich wiederum das Bielefeld-Spiel. Wieder war es der viertletzte Spieltag, wieder kam ein direkter Aufstiegskonkurrent nach Mainz: Eintracht Frankfurt. Wieder – aber das sollte nicht spielentscheidend sein, sondern nur eine Parallele – war auch der Mainzer Lieblingsschiedsrichter dabei, Franz-Xaver Wack. Und wieder gewannen die 05er: Markus Beierle brachte die Eintracht in Führung, Christof Babatz und ein Eigentor von Beierle drehten das Spiel, Alex Schur glich zum 2:2 aus – und Benjamin Auer entschied das Derby in der 89. Minute.

Die vermeintliche Vorentscheidung im Kampf um den dritten Aufstiegsplatz entpuppte sich als Trugschluss, weil die 05er das kuriose Spiel in Ahlen verloren (0:2 nach elf Minuten, 3:2 bis in die 90. Minute, 3:4 bei Abpfiff). Das 5:1 gegen den VfB Lübeck und das abschließende 4:1 in Braunschweig reichten nicht zum Aufstieg, weil die Eintracht in der letzten Sekunde der Saison das entscheidende Tor zu viel schoss.

 

Heute vor zwei Jahren gelang den 05ern ihr erster und bisher einziger Sieg bei Borussia Dortmund. Eine Woche zuvor hatten sie zu Hause überraschend RB Leipzig mit 3:0 geschlagen, nichtsdestotrotz galten sie im Westfalenstadion als krasser Außenseiter. Bereits in der vierten Minute brachte Ridle Baku, nach seinem Debüt gegen RB erneut in der Anfangsformation, die Mannschaft von Sandro Schwarz in Führung, Yoshinori Muto erhöhte auf 2:0 (13.).

Nur drei Minuten vergingen bis zum Anschlusstreffer durch Maximilian Philipp; es war der einzige kleine Fleck in einer ansonsten perfekten ersten Halbzeit. Nach der Pause machte der BVB Druck, die Mainzer Hintermannschaft aber verteidigte alles sicher weg. Mit diesem historischen Triumph war der Klassenverbleib am vorletzten Spieltag geschafft, Schwarz brüllte auf dem Zaun des Gästeblocks mit einem Megafon in die Menge, und der Dortmunder Trainer Peter Stöger sagte: „Ich finde es cool, dass die Mainzer es geschafft haben. Weniger cool, aber verdient, ist es, dass sie es heute geschafft haben. Sie sind so aufgetreten, wie man sich präsentiert, wenn man etwas Großes, etwas Wichtiges erreichen will.“

 

*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).

 

Mehr Sport aus Mainz lesen Sie hier.

Alle Artikel von Fußball (Bundesliga)