Kalenderblätter | Christian Karn | 29.05.2020

Viererkette mit Libero

Das 05-Kalenderblatt* für den 29. und 30. Mai.
Dietmar Constantini (l.), 05-Trainer in der Saison 1997/98, mit Kotrainer Michael Blättel.
Dietmar Constantini (l.), 05-Trainer in der Saison 1997/98, mit Kotrainer Michael Blättel. | Bernd Eßling

Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es vor allem um einen beliebten, aber unglücklich agierenden Remis-Trainer und einen Torwart, mit dem es ein Wiedersehen vor Gericht gab.

 

29. Mai

Heute vor 26 Jahren bestritt der FSV Mainz 05 ein Minusrekordspiel: Den 3:2-Sieg bei Hansa Rostock sahen lediglich 800 Zuschauer; weniger waren es nie im neuzeitlichen Profifußball. Die 05er verabschiedeten sich damit am drittletzten Spieltag der Zweitligasaison 1993/94 faktisch aus dem Abstiegskampf, und dafür betrieben sie einen enormen Aufwand. Allen voran Thomas Zampach, in der 82. Minute Schütze des vorentscheidenden 3:1 und damals noch mit einer blonden Mähne ausgestattet, rannte über den Rasen des Ostseestadions, als wäre Friseurmeister Peter Arens mit der großen Schere hinter ihm her.

Jürgen Klopp brachte die 05er in Führung (51.), David Wagner erzielte das 2:1 (79.). Im Tor stand Manfred Petz, der nach der Partie nicht umhin kam, trotz seiner sparsamen Ader in der Kabine eine Getränkerunde zu schmeißen: Er war am Spieltag Vater geworden.

 

Geburtstag hat Serjik Teymourian. Der iranische Mittelfeldspieler, der von 1998 bis 2000 sechs Zweitliga- und zwei Pokalspiele für die 05er bestritt, wird heute 46 Jahre alt. Sein Bruder Andranik hat mit 101 A-Länderspielen die größere Karriere hingelegt.

 

Mark Schäfer, von 2008 bis 2011 für die Mainzer in der U17 und U19 aktiv, wird 27 Jahre alt. In der A-Jugend wechselte er zu Eintracht Frankfurt, bestritt für die U23 der Hessen auch noch zehn Regionalligaspiele – und schloss sich anschließend wieder seinem Heimatverein, dem SV Klein-Winternheim an, in dessen Kader er auch in der abgebrochenen Saison 2019/20 stand (inzwischen als Mark Ruszel).

 

30. Mai

Drei Ex-05er haben (oder hätten) heute Geburtstag:

Vor 101 Jahren kam Heinrich Stillger zur Welt. Der Stürmer spielte in der unmittelbaren Nachkriegszeit für den FSV Mainz 05; Details sind nicht überliefert, weil Stillger bereits 1948 zur SV Weisenau wechselte und die dünnen Notzeitungen bis dahin keine regelmäßige Berichterstattung über die 05er brachten. Bekannt ist jedoch, dass Stillger bei der SVW mit 23 Toren in 71 Spielen bis 1952 ein guter Torjäger war.

 

65 Jahre alt wird ein unglücklicher Trainer. Der Innsbrucker Dietmar Constantini, genannt „Didi“, war in den 1970ern und 1980ern Innenverteidiger bei diversen österreichischen Klubs (sowie zwischendrin in Griechenland), mit Wacker Innsbruck gewann er 1977 die Meisterschaft. Als Trainer arbeitete Constantini zunächst vor allem für den österreichischen Verband, der große Ernst Happel war sein Mentor. Nach gut vier Jahren als Chefcoach mehrerer österreichischer Bundesligisten wechselte Constantini im Herbst 1997 zu den 05ern. Diese hatten früh in der Saison Reinhard Saftig gefeuert und lange nach einem Nachfolger gesucht.

Constantini verlor nur fünf seiner 19 Spiele – er gewann aber auch nur vier. „Die Ergebnisse haben einfach nicht gestimmt“, erklärte Jahre später Jürgen Kramny. „Er hat umgestellt und gesagt: ,Viererkette in Mainz geht nicht. Wenn Viererkette gespielt wird, dann mit Libero dahinter.‘ Die taktische Ausrichtung war für diese Mannschaft nicht optimal.“

Der Österreicher war gar nicht mal unbeliebt in Mainz, scheiterte aber am Ende an den vielen Unentschieden. Für Abdul Ouakili, der im Winter als Führender der Torschützenliste in die Bundesliga wechselte, fand die Mainzer keinen Ersatz. Auch Spiele, in denen sie hoch überlegen waren, gewannen sie nicht mehr. Nach einem 1:3 gegen Wattenscheid, dem achten sieglosen Spiel hintereinander, trat Constantini am Palmsonntag 1998 zurück. Einen letzten Rat gab er den 05ern: „Euch kann in dieser verdammt schwierigen Situation nur einer helfen: Wolfgang Frank“ – der in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zurückkam und die 05er wieder stabilisierte.

Seiner Kollegenschar empfahl Constantini, niemals eine Mannschaft zu übernehmen, bei der zuvor schon Frank Maßstäbe gesetzt habe…

Mutiger Nationaltrainer

Er selbst ging zurück zum ÖFB, war jahrelang Kotrainer der Nationalmannschaft und mehrmals Kurzzeitcoach in der dortigen Ersten Liga. Lange Engagements wollte er nicht mehr eingehen, sie wären mit seinen jährlichen Kinder-Fußballcamps nicht zu vereinbaren gewesen. Erst im März 2009 ließ sich Constantini zum Nationaltrainer bestellen, den Job hatte er früh in seiner Karriere schon zweimal als Interimstrainer erledigt.

Der Innsbrucker war nie ganz unumstritten, einige alte, verdiente Spieler fühlten sich vom neuen Trainer hinausgeekelt. Im Rückblick gilt Constantini aber auch als ein Wegbereiter des späteren Erfolgs des ÖFB-Teams: „Wer die letzten Jahre verfolgt hat, weiß, wie schwer es ist, ein anerkannter Teamchef zu sein", sagte später der Mainzer Profi Julian Baumgartlinger. „Didi hatte Mut. Er hat viele junge Spieler, auch mich, in die Nationalmannschaft geholt. Die nächste Entwicklung kam mit ihm aber nicht.“ Die gelang erst seinem Nachfolger Marcel Koller, unter dem die Österreicher 2016 zweitbeste Mannschaft der EM-Qualifikation waren – das Turnier aber völlig verpatzten.

 

Ein in Mainz nicht mehr allzu beliebter Spieler wird heute 42 Jahre alt. Heinz Müller kam 2009 aus der zweiten englischen Liga als Herausforderer für Dimo Wache nach Mainz (Wache konterte Müllers Spruch, in Norwegen, wo er einst gespielt hatte, habe man ihn den „Mann mit vier Armen“ genannt, recht unbeeindruckt mit einem trockenen „Und ich bin die Krake aus Brake“) und wurde sofort sein Nachfolger – Wache hatte sich schwer verletzt.

Müller verursachte mit seinem spektakulären Stil in den ersten beiden Einsätzen zwei Elfmeter, von denen er einen hielt, spielte auch insgesamt eine bemerkenswert starke Saison, ließ aber ab dem zweiten Jahr deutlich nach. Der ewige 05er Christian Wetklo verdrängte Müller immer wieder aus der Startelf. Thomas Tuchel strich den schnell beleidigten und körperlich nicht mehr stabilen Torhüter schließlich aus dem Bundesligakader, was später einen Rechtsstreit nach sich zog.

Ursprünglich ging es um entgangene Prämien, dann um die Frage, ob befristete Verträge im Profifußball überhaupt zulässig sind. In letzter Instanz verlor Müller Mitte Januar 2018 vor dem Bundesarbeitsgericht.

 

*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).

 

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