Kalenderblätter | Christian Karn | 19.06.2020

Ein luxuriöser Kader

Das 05-Kalenderblatt* für den 19. Juni.
Die Mainzer 1988 vor dem bedeutungslosen letzten Aufstiegsrundenspiel in Aschaffenburg, hinten von links: Trainer Horst-Dieter Strich, Betreuer Rocky Mayer, André Häuser, Norbert Hönnscheidt, Erik Kunz, Bernd Münch, Bernd Wilhelm, Patrick Mohr, Frank Haun, Michael Schuhmacher, Teamchef Jürgen Gabriel, Präsident Bodo Hertlein. Vorne Masseur Hess, Michael Schmitt, Hendrik Weiß, Micky Becker, Charly Mähn, Manfred Petz, Engin Özdemir, Stephan Kuhnert, Ernst-Ludwig Karsch, Colin Bell, Michael Müller.
Die Mainzer 1988 vor dem bedeutungslosen letzten Aufstiegsrundenspiel in Aschaffenburg, hinten von links: Trainer Horst-Dieter Strich, Betreuer Rocky Mayer, André Häuser, Norbert Hönnscheidt, Erik Kunz, Bernd Münch, Bernd Wilhelm, Patrick Mohr, Frank Haun, Michael Schuhmacher, Teamchef Jürgen Gabriel, Präsident Bodo Hertlein. Vorne Masseur Hess, Michael Schmitt, Hendrik Weiß, Micky Becker, Charly Mähn, Manfred Petz, Engin Özdemir, Stephan Kuhnert, Ernst-Ludwig Karsch, Colin Bell, Michael Müller.

Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es vor allem um einen Trainer, der nach der Zweitligaqualifikation gehen musste.

 

19. Juni

Am Montag würde Bernd Hoss 81 Jahre alt werden. Der damals 32-Jährige wurde 1971 Nachfolger von Erich Gehbauer als Trainer des FSV Mainz 05. Gehbauer hatte eigentlich mittelfristig den Bundesligaaufstieg angehen sollen, konnte aber als Beamter der Bundesbahndirektion nicht hauptamtlich als Trainer arbeiten. Der neue Mann, zuvor beim Schwarzwälder Amateurligisten FV Ebingen tätig, hätte die Mission zwei Jahre später beinahe erfüllt.

Hoss stand ein luxuriöser Kader zur Verfügung, der beste, den die 05er bis dahin je zusammengekauft hatten. Das Geld des neuen Sponsors Blendax ermöglichte die Verpflichtung des Bundesligastürmers Gerd Klier (HSV), der Nürnberger Willi Löhr (Manndecker/Libero) und Herbert Renner (Außenstürmer), des Bornheimer Spielmachers Gerd Schmidt, des Braunschweiger Außenstürmers Manfred Kipp, des dänischen Nationalspielers Torben Nielsen für die Defensive – zusammen mit den lokalen Topspielern Wolfgang Kneib und Herbert Scheller, Jürgen Janz und Jürgen Richter sowie mit Peter Scherer und Paul Göppl, der aus Ebingen mitgekommen war, bildeten die Profis ein Topteam der Regionalliga Südwest.

Als Südwestmeister...

Schon 1972 hatten die 05er die Aufstiegsrunde zur Bundesliga lange in Reichweite. 1972/73 ergab sich schließlich der spannende Zweikampf mit Röchling Völklingen. Die Saarländer hatten meistens einen geringen Vorsprung, den sie am Saisonende verloren. Im letzten Spiel, dem direkten Duell, reichte den Mainzer ein Unentschieden zur Südwestmeisterschaft, für die Aufstiegsrunde hätte auch der zweite Platz genügt. Vor 18.000 Zuschauern gingen die Gäste kurz vor der Pause in Führung. Die herausragende Abwehr der Saarländer, die bis dahin 15-mal zu null gespielt und in den restlichen Partien erst 18 Tore kassiert hatte, hielt den Vorsprung bis in die 86. Minute. Dann glich die beste Offensive der Liga aus. Peter Scherer schoss die 05er zur Südwestmeisterschaft.

In der Aufstiegsrunde landeten die beiden Südwestteams wie immer in unterschiedlichen Gruppen. Die Völklinger hatten das Pech, Rot-Weiss Essen zum Gegner zu haben. Das Team um Willi „Ente“ Lippens wurde der Favoritenrolle vollends gerecht, die anderen vier Teams der Gruppe 2 besaßen keine Chance.

...an Fortuna Köln gescheitert

Die 05er galten in Gruppe 1 zumindest als Mitfavorit neben Fortuna Köln und spielten auch so. Am fünften Spieltag ging die Schere auseinander: In einer turbulenten Begegnung verloren die Mainzer beim Hauptkonkurrent 0:3. In der hitzigen Atmosphäre der 28.000 Zuschauer in der Müngersdorfer Radrennbahn gerieten vor der Pause Herbert Scheller und der Kölner Gerd Zimmermann aneinander. „Beide sind zum Ball gegangen. Hinterher haben beide auf der Erde gelegen. Der Schiedsrichter hat mit der Roten Karte herumhantiert und niemand wusste, was Sache war“, erklärte Kapitän Löhr.

Zimmermann war draußen, so viel war klar. „Und ich?“, fragte Scheller seinen Kapitän. Dessen Antwort: „Spiel weiter.“ Das ging eine Weile gut, vor dem Anpfiff zur zweiten Hälfte merkte der Schiedsrichter, dass die Mainzer immer noch zu elft waren. Scheller flog endgültig aus dem Spiel und wurde lange gesperrt. Die Kölner stiegen schließlich auf.

1974 wollten die Mainzer Bernd Hoss nicht mehr. Obwohl sie in einer etwas turbulenteren Qualifikationssaison zur neuen Zweiten Bundesliga knapp hinter Völklingen und wieder mit der besten Offensive der Liga Fünfter geworden waren, was reichte.

Hoss trainierte fortan unter anderem den FK Pirmasens, Wormatia Worms, den Karlsruher SC. Mit Blau-Weiß 90 Berlin stieg er 1986 überraschend in die Bundesliga auf, wo er unter anderem den jungen Karlheinz Riedle trainierte. 1990 beendete Hoss nach 34 Erst- und 394 Zweitligaspielen seine Karriere. Anfang Februar 2016 verstarb Bernd Hoss nach langer Krankheit in Freiburg.

 

Marco Tautenhahn wird am Montag 35 Jahre alt. Der Mittelfeldspieler schoss von 2005 bis 2010 in 95 Oberliga- und Regionalligaspielen für die Zweite Mannschaft der 05er acht Tore.

 

An Tautenhahns drittem Geburtstag im Jahr 1988 schlossen die 05er die Aufstiegsrunde zur Zweiten Bundesliga mit einem 3:3 in Aschaffenburg ab; als Aufsteiger standen sie bereits vorher fest.

 

*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).

 

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