Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 29.07.25

„Wir haben ein gutes Gesamtpaket“

NEUES AUS HOPFGARTEN (10) | Niko Bungert über sein erstes Jahr als Sportdirektor des FSV Mainz 05, die Arbeitsteilung mit Sportvorstand Christian Heidel, offene Kommunikation, Argumente für potenzielle Neuzugänge und Jonathan Burkardts Wechsel nach Frankfurt.
Seinen ersten Erfolg als Mainzaaaaa Sportdirektor feierte Niko Bungert (r., mit Robin Zentner) im Mai mit dem Einzug in die Conference League.
Seinen ersten Erfolg als Mainzaaaaa Sportdirektor feierte Niko Bungert (r., mit Robin Zentner) im Mai mit dem Einzug in die Conference League. | Eva Willwacher

Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05 

berichtet Peter H. Eisenhuth.

 

Herr Bungert, täuscht der Eindruck oder ist dies das Trainingslager mit den wenigsten Platzeinheiten in den vergangenen Jahren?

Das kann sein, die Schwerpunkte in den Trainingslagern variieren allerdings auch. In diesem Jahr legen wir einen großen Fokus auf die Testspiele. Außerdem sind die Einheiten hier sehr, sehr intensiv, weil wir einen ausgesprochen fitten Kader haben. Das Trainerteam, die Fitnesstrainer haben in den vergangenen Wochen bereits unglaublich gute Grundlagen gelegt. Von daher arbeiten wir hier sehr gut und hart in den richtigen Momenten.

Bo Svensson hatte es seinerzeit zuletzt bei einem Testspiel belassen, ihm waren die Trainingseinheiten wichtiger. Sind das unterschiedliche Anschauungen oder unterschiedliche Voraussetzungen beim Leistungsstand der Mannschaft?

Jeder Trainer hat eigene Vorstellungen, aber es ist auch immer eine Sache des Zeitpunktes in der Vorbereitung. Bei der Planung der Saisonvorbereitung wussten wir, dass wir einen großen Teil der Mannschaft früh zusammen haben würden und konnten daher früh starten und Grundlagen legen. Das Trainingslager befindet sich innerhalb der Vorbereitung zu einem relativ späten Zeitpunkt, daher geht es nun vor allem darum, Akzente in der taktischen Arbeit zu setzen, schon Matchpraxis zu bekommen und die Inhalte des Trainings umzusetzen.

Vor ziemlich genau vor einem Jahr sind Sie quasi über Nacht in eine neue Rolle hineingekommen, als Martin Schmidts Nachfolger wurden Sie Sportdirektor. Wie hat sich das seither für Sie entwickelt?

Es fühlt sich heute für mich genauso richtig an wie vor einem Jahr. Damals war die Situation natürlich schon besonders, da ich mich in kurzer Zeit in ein neues Arbeitsfeld einarbeiten, mitten in der Transferphase bei der Kaderplanung sofort funktionieren musste. Heute ist die Arbeit schon deutlich routinierter. Ich habe ich ein Jahr Erfahrung gesammelt und innerhalb unseres Teams haben wir unsere Rollen gefunden. Ich bin total gerne Teil des großen Ganzen bei Mainz 05, arbeite tagtäglich mit Christian Heidel, Scoutingdirektor Bernd Legien, unserem Technischen Direktor Meikel Schönweitz zusammen und bin eng an der Mannschaft dran. Ich mag diese Vielschichtigkeit des Berufs als Ansprechpartner fürs Trainerteam, für die Spieler, Ärzte und Physios, Zeugwarte, den Teammanager. Die starke Saison der Mannschaft hat es mir sicher erleichtert, in die Rolle hineinzuwachsen. Mein Fazit fällt daher rundum positiv aus.

Wann war Ihre Lehrzeit abgeschlossen?

Ich weiß nicht, ob es da wirklich einen Abschluss gibt. Am intensivsten war die Lehrzeit am Anfang. Ich dachte zunächst, ich sei in den ersten gut vier Wochen, bis zum Ende der Transferphase so etwas wie ein stiller Beobachter, gucke mir an, was Christian so macht, und lerne, um die Dinge später selbst anzugehen. Aber die Realität sah anders aus. Christian hat mir vom ersten Tag an ein unglaubliches Vertrauen geschenkt, mir totale Freiheit gelassen und mir wichtige Aufgaben anvertraut. Vom ersten Tag an war ich komplett in die Vertragsgespräche involviert, deswegen war diese erste Zeitspanne total intensiv, aber am Ende auch unglaublich lehrreich. Danach war ich zwei, drei Schritte weiter. Es macht mir auch Spaß, gemeinsam mit Christian, aber auch mit Bo Henriksen über den Sport die Philosophie und das, was den Geist von Mainz 05 ausmacht, mitzuprägen. Wir versuchen immer gemeinsam mit einer offenen Kommunikation, mit viel Positivität voranzugehen und zu leben. Ich glaube, das hat uns in den vergangenen zwölf Monaten auch ausgemacht.

Wie läuft die Arbeitsaufteilung zwischen Ihnen und Christian Heidel?

Das ist nicht so leicht in zwei Sätze zu fassen. Christian hat natürlich neben den operativen Themen im Sport noch vereinsübergreifende Aufgaben, da er gemeinsam mit Vorstand und Aufsichtsrat strategische und wirtschaftlich weit reichende Entscheidungen für den Verein vorantreibt. Die Verhandlungen mit Spielern führt manchmal er und manchmal ich. Das ist auch davon abhängig, wer vielleicht ein gutes und enges Verhältnis zu den Gesprächspartnern hat oder über wen der Erstkontakt entsteht. Wir sind dabei tagtäglich im Austausch, wir besprechen alle Themen, wir gehen die Dinge gemeinsam an. Ich bin deutlich näher an der Mannschaft und der Kabine dran und führe beispielsweise Gespräche mit dem Mannschaftsrat, dem Trainerteam, dem Staff oder unserem Scoutingteam. Ich achte darauf, dass die internen Abläufe funktionieren, und unterstütze auch, wenn es einmal darum geht Baustellen zu schließen oder Lösungen zu finden.

Haben Sie eine Tagesablaufroutine entwickelt, oder ist jeder Tag anders?

Nein, kein Tag ist wie der andere, es warten immer neue spannende Überraschungen oder Entwicklungen. Das können mal öffentliche Themen sein, meist sind es aber interne. In jedem Fall ist es abwechslungsreich und wird nie langweilig.

Erkennen Sie in Ihren Gesprächen mit Spielern einen Unterschied zwischen dem, wie Sie es früher erlebt haben? Sowohl was von Vereinsseite auf Spieler zukommt oder auch was von Spielern an den Verein herangetragen wird?

Das würde ich nicht sagen. Wir haben insgesamt eine Truppe zusammen, die charakterlich top ist, wertzuschätzen weiß, was sie hier hat, die weiß, dass sich eine sehr gute Harmonie entwickelt hat, ein gutes Miteinander. Das wird einem jeder Einzelne bestätigen, und es sind auch etliche Jungs dabei, die schon ganz andere Erfahrungen gemacht haben. Wir pflegen eine offene, ehrliche Kommunikation in beide Richtungen, Spieler kommen auch zum Trainer oder zu mir, wenn etwas hakt, weil sie wissen, dass sie immer ein offenes Ohr finden. Eine solche Kultur zu entwickeln, ist uns immer immens wichtig gewesen, und hilft im Alltag an allen Ecken und Enden.

Was sind die Argumente, die bei potenziellen neuen Spielern von außen ziehen?

In diesem Sommer war es tatsächlich ein bisschen leichter als in den vergangenen Jahren, Spieler frühzeitig von uns zu überzeugen. Es war früh klar, in welcher Liga wir spielen würden, das war sonst nicht immer der Fall. Zusätzlich haben wir über die Conference League die Chance europäisch zu spielen, das macht es für die Spieler natürlich auch spannend und attraktiv und gibt zudem größere Chancen auf Einsatzzeiten. Für junge Spieler ist Mainz 05 sehr interessant, weil wir immer wieder Talente hervorragend entwickeln, sowohl Jungs aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum als auch solche, die wir von außen dazugeholt haben. Auch mit unserem Trainer Bo Henriksen haben wir etwas zu bieten. Er hat mit seinem Team einen attraktiven mutigen Fußball mit klarer Handschrift entwickelt, der alle begeistert. Das Stadion macht bei Heimspielen richtig viel Spaß, die Auswärtsfahrten sind gut besucht wie noch nie, wir haben eine spannende, attraktive Stadt, die nur vor Lebensfreude sprudelt. Und trotzdem haben wir eine ruhige, familiäre Atmosphäre im Verein. Ich muss mir da nicht viel aus den Fingern saugen, sondern kann einfach unsere authentische Geschichte erzählen.

Klingt, als würden Sie potenzielle Neuzugänge auch zum Marktfrühstück schicken…

(lacht) Nein, das nicht, aber wir haben ein gutes Gesamtpaket. Klar, wenn ein Premier-League-Klub um einen Spieler mitbietet, sind wir wegen unserer finanziellen Grenzen auch mal machtlos. Trotzdem brauchen wir uns gerade innerhalb der Bundesliga mit unseren Möglichkeiten nicht zu verstecken. Am Ende ist es das Gesamtpaket, das bei uns für viele Spieler Sinn ergibt und sehr attraktiv ist.

Wenn dann ein Jonathan Burkardt nach Frankfurt wechselt, empfinden Sie das als Niederlage oder Enttäuschung oder als logischen nächsten Schritt?

Eher das letztere. Wir hätten Jonny natürlich gerne bei uns behalten, weil er nicht nur sportlich, sondern auch persönlich seine Fußstapfen bei Mainz 05 hinterlassen hat. Ich kenne ihn noch aus meiner Zeit als Spieler. Als Jonny sein Bundesligadebüt gegeben hat, stand ich auch auf dem Platz. Ich weiß, dass Jonny einen langen, harten Weg hatte, um das zu erreichen, was er bis jetzt erreicht hat, dass ihm nicht alles in den Schoß gefallen ist. Er ist ein total aufgeräumter, klarer Typ, der sich viel erarbeitet hat, der sehr fokussiert ist, der Mainz 05 total zu schätzen weiß. Aber es war auch klar, dass er sich dank allem, was er auf die Waage gelegt hat, den Schritt zu einem Champions-League-Verein verdient hat. Am Ende sind das Situationen, die wir uns auf der einen Seite wünschen und die eine Auszeichnung für unsere Arbeit sind, auf der anderen Seite ist es natürlich schade, wenn die Spieler diesen Schritt gehen. Wenn dabei dann finanziell ordentlich etwas bei uns hängenbleibt, ist das auch für uns in Ordnung.

Sind diese kolportierten 20 plus x Millionen das, was man sich für Jonny Burkardt vorstellt, oder ist er nicht etwas unterpreisig gewechselt?

Erstens sind die kolportierten Summen nicht unbedingt korrekt und zweitens muss man das im gesamten Kontext sehen. Vor anderthalb Jahren waren wir in einer Situation, in der Jonny wenige Monate später im Sommer ablösefrei hätte gehen können und wir mit einem Bein in der Zweiten Liga standen. Jonny hat dann seinen Vertrag bei uns verlängert und damit ein großartiges Zeichen gesetzt. Im Gegenzug haben wir ihm zugesagt, dass wir ihn bei einem Angebot in einer gewissen Höhe gehen lassen. Dann hat er alles in Grund und Boden geschossen, sich nochmal unglaublich entwickelt – aber für uns war klar, dass wir zu unserem Wort stehen würden und ihn nicht festketten wollten. Letztlich war Eintracht Frankfurt der einzige Verein, der ein konkretes Angebot abgegeben hat. Am Ende bleibt für uns hängen, dass wir mit Jonny eine unglaubliche letzte Saison erlebt haben und für ihn einen hohen Millionenbetrag erzielen konnten, anstatt ihn im vergangenen Sommer ablösefrei zu verlieren.

Wie oft ist es Ihnen in dem einen Jahr passiert, dass ein Wunschspieler mit euch geredet hat und trotzdem nicht kam?

Wir sind ja Realisten. Wir sprechen keine Spieler an, die Stammspieler bei einem Champions-League-Teilnehmer aus einer europäischen Top-Liga sind. Wir gehen meistens an Spieler ran, von denen wir wissen, dass es im Gesamtpaket für beide Seiten sportlich und wirtschaftlich passen kann. Wenn wir uns im nächsten Schritt mit einem solchen Spieler unterhalten, ist die Erfolgsquote tatsächlich außerordentlich gut.

 

Das Gespräch führte Peter H. Eisenhuth.

Dreimal war der Ex-Innenverteidiger als Kotrainer eingesprungen, zuletzt von Januar 2024 (hier im Trainingslager in Marbella) bis Ende Mai unter den Trainern Jan Siewert und Bo Henriksen.
Dreimal war der Ex-Innenverteidiger als Kotrainer eingesprungen, zuletzt von Januar 2024 (hier im Trainingslager in Marbella) bis Ende Mai unter den Trainern Jan Siewert und Bo Henriksen. | Peter H. Eisenhuth
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Im letzten Spiel seiner Karriere am 18. Mai 2019 wäre Niko Bungert beim 4:2 gegen die TSG Hoffenheim beinahe ein spektakulärer Treffer mit der Hacke gelungen. Da staunte auch Torjäger Jean-Philippe Mateta.
Im letzten Spiel seiner Karriere am 18. Mai 2019 wäre Niko Bungert beim 4:2 gegen die TSG Hoffenheim beinahe ein spektakulärer Treffer mit der Hacke gelungen. Da staunte auch Torjäger Jean-Philippe Mateta. | Eva Willwacher
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