Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 04.06.17

„Ich weiß, wo das Herz des Vereins schlägt“

Frank Röhr, Kandidat für das Amt des 05-Vorsitzenden, über seine Bindung zum Klub, seine Vorstellungen von einer Amtsführung, sinkende Zuschauerzahlen und den Umgang mit den Ultras.
Will als Kommunikator und Moderator wirken: Frank Röhr.
Will als Kommunikator und Moderator wirken: Frank Röhr. | Peter H. Eisenhuth

Mainz. Am 25. Juni endet beim FSV Mainz 05 die Ära des Präsidenten Harald Strutz. Für das in der neuen Struktur vorgesehene Amt des Vereinsvorsitzenden haben sich vier Männer beworben. In alphabetischer Reihenfolge: 05-Vizepräsident Jürgen Doetz (Journalist und Unternehmensberater), Johannes Kaluza (Geschäftsführer Speyer & Grund), Frank Röhr (Prokurist Fischer & Co.) und Peter Sommer (Inhaber/Geschäftsführer PS Vertrieb und Marketing).

SPORTAUSMAINZ.de stellt die Kandidaten vor, den Auftakt bildet Frank Röhr.

 

Herr Röhr, lassen Sie uns mit der Aktualität beginnen: Am vorigen Mittwoch wurde Sandro Schwarz als neuer Trainer des FSV Mainz 05 vorgestellt. War diese Entscheidung in Ihrem Sinne?

Auf jeden Fall. Niemand könnte den Mainzer Charakter besser verkörpern als Sandro Schwarz. Er ist hier geboren, er hat hier in der Jugend gespielt, und er war als junger Zweitligaspieler ein Schüler von Wolfgang Frank, der diese gesamte damalige Spielergeneration und den gesamten Verein nachhaltig geprägt hat. Ich glaube, er wäre sehr stolz, wenn er noch erleben könnte, dass der nächste seiner damaligen Jungs es in die Bundesliga geschafft hat.

Haben Sie Wolfgang Frank persönlich gekannt?

Ich hatte das große Glück, ihn kennenlernen zu dürfen, als ich Mitte der 90er Jahre Sprecher des Vip-Clubs war. Es war beeindruckend, zu erleben, wie er gedacht und welche Visionen er damals für den Verein entwickelt hat. Er hat das Umdenken gepredigt, ohne das Mainz 05 nie dorthin gekommen wäre, wo es heute ist.

Am 25. Juni wollen Sie Vorsitzender dieses Vereins werden. Warum?

Zum einen bin ich schon sehr lange eng mit Mainz 05 verbunden. Ich kann von mir behaupten, nie Fan eines anderen Vereins gewesen zu sein, auch nicht in den Jahren, in denen der Fußball hier am Boden lag und die meisten Mainzer Zuschauer sich nach Frankfurt oder Kaiserslautern orientierten. Als mein Vater mich das erste Mal auf den Bruchweg mitgenommen hat, war ich drei Jahre alt. Von dem Tag an war ich Fan, und Mitglied wurde ich 1979, als Elfjähriger. Ich habe bis zur A-Jugend bei Mainz 05 Fußball gespielt. Und seit 1995 bin ich auch im Vip-Club, wohlgemerkt nicht als Geschäftsmann, sondern zum Privatvergnügen. Das sind so viele emotionale Verbindungen, dass ich weiß, wo das Herz des Vereins schlägt.

Und zum anderen?

Zum anderen trete ich nicht zur Wahl an, um etwas für mich zu erreichen, sondern um dem Verein zu helfen. Viele Leute haben mich angesprochen und zu einer Kandidatur aufgefordert, weil sie wissen, wie sehr ich mich dem Verein verbunden fühle und wie stark ich mich engagieren würde. Ich bin auch überzeugt, dass ich für den Fall meiner Wahl mit den wahrscheinlichen Vorstandsmitgliedern Dag Heydecker, Rouven Schröder und Christopher Blümlein sehr gut zusammenarbeiten werde. Mit diesem Team hätten wir eine große Chance, den Verein nach vorne zu bringen. Dazu Sandro als Trainer – das ist das perfekte Drumherum, um Aufbruchstimmung zu erzeugen.

Sie sind nicht der unbekannteste der vier Kandidaten, verglichen mit dem bisherigen Vizepräsidenten Jürgen Doetz aber ist Ihr Bekanntheitsgrad eher gering. Haben Sie eine Strategie, wie Sie das in den verbleibenden Wochen ändern wollen?

Vor allem will ich mich mit Fangruppierungen treffen. Ich höre gerne zu, und ich will mir anhören, was im Argen liegt.

Was wäre das zum Beispiel?

Eines der großen Probleme ist der niedrige Wohlfühlfaktor rund um die Arena – und ich halte es nicht für Hexenwerk, das zu ändern, eine Oase zu schaffen, in der die Fans nach dem Spiel gerne noch länger verweilen. Zum Beispiel, indem wir für die kälteren Monate ein Zelt aufstellen. Ein ganz anderes Problem, das vor allem die Landwirte betrifft, denen die Felder an den Wegen zum Stadion gehören, sind die Wildpinkler. Auch das solle sich lösen lassen, wir bräuchten ja nur ein paar Pissoir-Rondelle, wie sie beispielsweise an Fastnacht in der Stadt stehen, auf dem Weg zwischen Stadion und Bushaltestelle aufzustellen. Ich freue mich im Übrigen über jede weitere Einladung zu Fanklubs oder anderen Gruppen, die mich kennenlernen und mit mir diskutieren wollen. Sie sollen mir ruhig Löcher in den Bauch fragen, um sich einen Eindruck von mir zu verschaffen.

Welchen Eindruck, glauben Sie, haben diejenigen Fans gewonnen, mit denen Sie bereits geredet haben?

Ich hoffe doch den Eindruck, dass ich jemand bin, der die Fenster öffnen, die Vorhänge zur Seite ziehen und frische Luft ins Haus lassen will. Dass ich jemand bin, der auch in der Mainzer Geschäftswelt tief verwurzelt ist, was für den Verein ein Vorteil sein kann. Und dass ich jemand bin, bei dem der Fan im Vordergrund steht.

Im Hintergrund haben Sie sich gehalten, als vor rund anderthalb Jahren die Diskussionen um Präsident Harald Strutz, seine Amtsführung und vor allem seine Entlohnung begannen. Dabei galten Sie eine Zeitlang sogar als Kopf eine Opposition.

Den Begriff „Opposition“ halte ich für zu hoch gehängt. Eine Opposition gab es nicht…

…diesen Eindruck musste man bei den Mitgliederversammlungen schnell gewinnen.

Was es gab, war eine Gruppe von Mitgliedern, die sich Sorgen um den Verein und Gedanken darüber gemacht hat, wie es weitergehen soll. Was wir angestrebt hatten, haben wir erreicht: Die Wahl der Wahlkommission in einer extra anberaumten Mitgliederversammlung. Dieses neue Gremium ist zu wichtig und das Thema war zu diffizil, als dass man die Wahl am Ende einer langen Versammlung noch durchpeitscht.

Mehr wollten Sie nicht?

Nein. Und ich selbst habe damals nicht im Entferntesten daran gedacht, als Vorsitzender zu kandidieren. Diese Idee keimte erst auf, als Harald Strutz seinen Rückzug ankündigte.

Hätten Sie sich diesen Rückzug früher gewünscht?

Ach, ich halte nichts davon, jetzt nachzukarten. Harald hat eine Entscheidung getroffen, er hat seine Konsequenzen gezogen. Damit muss es gut sein. Ich finde es aber schade, dass er einen solchen Abgang hat. Er war ja schließlich auch ein Teil dessen, was hier in den letzten fast drei Jahrzehnten gewachsen ist.

Was halten Sie davon, dass in Jürgen Doetz jemand zur Wahl des Vorsitzenden kandidiert, der quasi ein Teil des alten Systems ist?

Bitte haben Sie Verständnis, aber ich äußere mich prinzipiell nicht über meine Mitbewerber. Das gehört sich nicht.

Viele meinen Fußball, wenn sie von Mainz 05 reden. Der Verein hat aber auch noch ein paar andere, nicht ganz erfolglose, Abteilungen…

…da sprechen Sie ein sehr wichtiges Thema an…

…deren Vorsitzender Sie ja auch wären.

Richtig. In der öffentlichen Wahrnehmung überlagert der Fußball zwar alles andere, was ja auch verständlich ist, aber Handballerinnen und Tischtennisspieler sind ein fester Bestandteil der 05-Familie. Wir sind nicht nur ein Fußballverein und wollen das auch nicht sein, deshalb müssen wir immer darauf achten, auch die anderen Sportarten entsprechend zu fördern.

Wie würden Sie Ihre Rolle als Vorsitzender in der neuen Struktur definieren?

Vorneweg als Vertreter des Vereins nach innen und außen. Dann als Kommunikator und Moderator, als Bindeglied zwischen den neuen Gremien Vorstand und Aufsichtsrat. Es gibt einige Dinge, in die würde ich mich ganz sicher nicht einmischen. Ich käme zum Beispiel nicht auf die Idee, mit Rouven Schröder über die Qualität möglicher Neuzugänge zu diskutieren. Die Bereiche Sport, Finanzen und Marketing werden ja mit kompetenten Leuten besetzt sein. Aber es gibt genügend andere Themen, bei denen ich mein Wissen, meine Kontakte und meine Fähigkeit, Strategien zu entwickeln, einbringen kann. Unter anderem, wenn es darum geht, für den Verein Eigentum zu schaffen, einen Bruchweg-Campus zu gestalten mit einem Geschäftsstellengebäude an der Kopfseite des Stadions…

…die Idee gab es vor ein paar Jahren schon einmal…

…aber sie wurde nicht konsequent verfolgt. Wir könnten im gleichen Zug auch ein Wohnheim für unsere von außerhalb kommenden Jugendfußballer einrichten. Eines ist bei allen Vorhaben wichtig: Es muss sichergestellt sein, dass wir sie notfalls auch in der Zweiten Liga stemmen könnten. Aber ich glaube, das wird kein zu hohes Hindernis sein. Der Verein zahlt für die Geschäftsstelle in der Isaac-Fulda-Allee auch eine ganz ordentliche Miete, die man für die Tilgung eines Kredits einsetzen könnte.

Ein anderes, nach meiner Einschätzung sehr wichtiges Thema, ist die Frage, wie wir neue Mitglieder generieren können. Ich halte es für ganz wichtig, Mainz 05 stärker in die Stadt zu bringen – die enge Bindung zwischen Verein und Bevölkerung hat seit dem Umzug ins neue Stadion leider etwas gelitten. Gucken Sie doch nur mal, wo Sie in der Stadt 05-Fahnen sehen.

In Harxheim.

(lacht) Ja, da gibt es die „Wingertsknorze“, einen der unglaublich aktiven Fanklubs. Das wäre übrigens auch ein Ansatzpunkt für die Mitgliederakquise: So, wie wir die Beiträge für junge Mitglieder deutlich senken müssten, könnten wir die Mitgliedschaft in einem Fanklub auf den Beitrag für die Vereinsmitgliedschaft anrechnen.

Sicher, dass die Mitglieder auch alle Fans im Verein haben wollen?

(lacht) Ich ahne, worauf Sie anspielen, aber die Ultras sind ohnehin auch 05-Mitglieder. Und sie sind ein Teil dieses Klubs, sie gehören zu Mainz 05 wie jede andere Fangruppe. Sie sind sicher die Gruppierung, mit der es die meisten Konflikte gibt, gerade in der vergangenen Saison war das ja der Fall. Und selbstverständlich bin mit Pyrotechnik nicht einverstanden. Aber wir müssen uns damit auseinandersetzen, die Fans ernstnehmen und Dialoge führen.

Macht Ihnen die Zuschauerentwicklung Sorgen?

Also, ich finde es zunächst mal nicht bedenklich, dass die Opel-Arena nicht bei jedem Heimspiel ausverkauft ist. Wir haben mit dem Umzug vom Bruchweg unsere Zuschauerkapazität von etwas mehr als 20.000 auf 34.000 erhöht, das war ein enormes Wachstum, und es war von Anfang an klar, dass auch Plätze freibleiben würden. In der letzten Saison fand ich die Besucherzahlen allerdings lange Zeit unerfreulich niedrig, und, auch wenn ich mich nicht zu sportlichen Dingen äußern möchte: Ich habe mich selbst dabei ertappt, den Fußball langweilig zu finden. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich das ändern wird, dass wir mit Sandro Schwarz wieder den 05-typischen Fußball spielen, der die Fans begeistert. Und was dann möglich ist, welches Potenzial wir haben, das haben die letzten Wochen der alten Saison gezeigt, als alle wieder ganz eng zusammengerückt sind. Ich wünsche mir, dass dies wieder zum Dauerzustand wird.

Der Vereinsvorsitz ist laut Satzung auch künftig ein Ehrenamt – wie ein solches honoriert werden soll, war ein wesentlicher Bestandteil der Diskussionen um Harald Strutz. Welche Aufwandsentschädigung hielten Sie für sich für angemessen?

Über deren Höhe entscheidet der Aufsichtsrat. So regelt es die Satzung, und das ist gut so. Von den Tätigkeiten her, die auf einen Vorsitzenden zukommen, halte ich das Amt eher für eine nebenberufliche als eine ehrenamtliche Tätigkeit. Und ich bin bereit, zu liefern. 

Welche Chancen rechnen Sie sich für den 25. Juni aus?

Oh, da kann ich keine Prognose abgeben. Ich vertraue den Mitgliedern, dass sie genau wissen, wer für sie der Richtige ist. Auf deren sensible Antennen ist Verlass, das gehört zum Mainzer Charakter. Den kann man nur schwer erklären, aber er steckt auch tief in mir drin.

Das Gespräch führte Peter H. Eisenhuth.

 

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