Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 08.01.2022

Kalte Brause nach 20 Minuten

Eine Rote Karte gegen Alexander Hack und ein Handelfmeter bringen den FSV Mainz 05 bei RB Leipzig aus der Spur. Am Ende steht mit 1:4 (0:1) zum Rückrundenauftakt die höchste Niederlage unter Trainer Bo Svensson.

Leipzig. 20 Minuten lang war alles im Lot. Dann drehte André Silva die kalte Brause auf, Alexander Hack stellte sich drunter, wenig später waren die Gäste nur noch zu zehnt und lagen mit 0:1 zurück. Das war am Samstagnachmittag der Knackpunkt in der Bundesligapartie des FSV Mainz 05 bei RB Leipzig, in der die Rheinhessen nach der Pause ein mögliches Momentum nicht zu nutzen vermochten und mit einer 1:4-Niederlage vom Feld gingen. So hoch hatten sie nach einem Jahr unter Bo Svensson noch nie verloren.

„Rote Karte und Elfmeter sind natürlich die Höchststrafe“, kommentierte der Trainer später die Szene, die alle Befragten als ausschlaggebenden oder zumindest mitentscheidenden Faktor für den Spielausgang bezeichneten. Im Detail war folgendes passiert: Der Mainzer Innenverteidiger Alexander Hack, in Abwesenheit des in Quarantäne befindlichen Moussa Niakhaté aus dem Zentrum der Dreierkette mal wieder auf die linke Position gewechselt, vertändelte im Aufbau den Ball gegen den ihn ansprintenden Silva.

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Hack mit dem Oberarm

Die Verfolgung des Portugiesen aufzunehmen, brachte nichts. Silva passte in die Mitte zu Yussuf Poulsen, dessen Schuss der zwölf Meter aus seinem Tor herausgestürmte Robin Zentner abwehrte. Der Abpraller jedoch landete bei Silva, den Hack nur am erfolgreichen Abschluss hinderte, indem er seinen Oberarm in die Schussbahn brachte. Deniz Aytekin brauchte in diesem Fall keine Unterstützung durch seinen Videoassistenten, der Schiedsrichter gab Elfmeter, zeigte Hack die Rote Karte, und Silva kam per Strafstoß doch noch zu seinem Treffer.

Nun lässt sich nur spekulieren, wie die Begegnung ohne diese Szene weiter- und ausgegangen wäre. Bis dahin allerdings deutete nicht sehr viel darauf hin, dass die Mainzer mit leeren Händen nach Hause fahren würden. „Wir hatten den Gegner im Griff und von unserem Tor weggehalten“, sagte 05-Sportdirektor Martin Schmidt nach dem Schlusspfiff am „Sky“-Mikrofon. „Wir waren fast stärker, ohne uns selbst Torchancen herausgespielt zu haben.“

Indirekter Freistoß nach gefährlichem Spiel

Tatsächlich hatten die Mainzer die trotz ihrer diversen Coronafälle mit einer Champions-League-tauglichen Anfangsformation aufgelaufenen Gastgeber in den ersten zehn Minuten nahezu komplett in deren Hälfte gedrückt, vieles geschah im und am Leipziger Strafraum. Einziges Manko: Mochten sie ihre Angriffe nach Ballgewinnen im Mittelfeld auch noch so sauber vortragen, kreierten sie keine Torchancen.

Die erste ergab sich fünf Minuten vor der Pause, als Lee die Kugel eroberte, über Karim Onisiwo der auf dem rechten Flügel startende Daniel Brosinski einbezogen wurde, der Richtung Grundlinie nach innen zog und zurück an die Strafraumgrenze flankte. Dort stürmte halblinks Aarón entgegen, dem Poulsen den Ball mit hohem Bein vor dem Kopf wegspitzelte. Aarón fiel, Aytekin pfiff auch diesmal – entschied aber nur auf indirekten Freistoß.

Der Grund: Poulsen hatte den Spanier nicht getroffen, von daher handelte es sich nur um gefährliches Spiel. Immerhin aber bot sich den Gästen aus rund 15 Metern eine gute Ausgleichschance, doch Anton Stach schoss den Ball in die Mauer.

Bis zur Pause gut verteidigt

Auch der Gegner brannte in der ersten Halbzeit kein Offensivfeuerwerk ab. Silva hatte nach einer Poulsen-Flanke in der zwölften Minute die erste Gelegenheit, köpfte aber freistehend aus fünf Metern vorbei. Nicht ausgeschlossen, dass der Torjäger etwas überrascht war und damit gerechnet hatte, Silvan Widmer werde die Situation klären. Der Schweizer aber, diesmal in die Dreierkette beordert – Niklas Tauer als möglicher Anwärter auf den vakanten Platz war wegen leichter muskulärer Probleme zu Hause geblieben, David Nemeth als gelernter Innenverteidiger saß auf der Bank – sprang unter der Flanke durch.

Robin Zentner war erstmals sechs Minuten später bei einem verdeckten 20-Meter-Flachschuss von Josko Gvardiol gefordert und parierte stark. Kurz darauf kippte das Spiel.

In Überzahl kam das Passspiel der Leipziger ins Laufen, nachdem sie bis zur Roten Karte kaum ein Mittel für einen geordneten Aufbau gefunden hatten. Gleichwohl vermochten sie aus ihrer personellen Überlegenheit noch kein Kapital zu schlagen, weil die Mainzer jetzt im 4-3-2 zwar tiefer standen, aber extrem engagiert und kompakt verteidigten. „Wir haben es auch zu zehnt noch ordentlich gemacht“, attestierte Zentner seinen Vorderleuten. „Erst das 1:3 hat uns den Stecker gezogen.“

Zweiter Treffer hat Bestand

Allerdings hatten die 05er bei dieser Ziehung ein wenig mitgeholfen. Noch keine zwei Minuten waren nach dem Seitenwechsel vergangen, da ließen sie sich durch einen steil geschlagenen Flugball von Tyler Adams überraschen, der beim zur zweiten Halbzeit eingewechselten Christopher Nkunku landete, der wiederum Dominik Szoboszlai bediente. Und gegen dessen wuchtigen, unter die Latte passenden 16-Meter-Schuss, war Zentner machtlos.

Die Hoffnung, der Kölner Keller werde den Treffer aberkennen, weil Szoboszlai vor Nkunku schon einmal am Ball gewesen sei und dabei im Abseits gestanden habe, zerstob. Des Ungarn Kopfballversuch war erfolglos verlaufen, offenbar hatte er die Kugel nicht mal mit den Haaren berührt. Gvardiol hätte nach einer Linksflanke von Angelino für die Vorentscheidung sorgen können, sein Dropkick aus fünf Metern flog jedoch hoch übers Tor.

Für einen Moment wieder im Spiel

Stattdessen schienen die Mainzer plötzlich wieder im Spiel zu sein. Mit ihrem schönsten Angriff einem doppelten, verzögerten Doppelpass zwischen Karim Onisiwo und Jae-sung Lee. Der Österreicher ließ als vorletzte Station links neben dem Fünfmeterraum Adams ins Leere rutschen, bevor er auf den Koreaner zurücklegte, der den Ball aus kurzer Distanz hoch einschweißte. Ein Momentum? Nein, nur ein Moment, nach einer weiteren Minute schon nichts mehr wert war. Dann stellte Nkunku nach Szoboszlai-Pass den alten Abstand wieder her.

„Konzentrationsfehler, Stellungsfehler, alles sehr unnötig“, hielt Robin Zentner fest. „Wir waren nach dem Anschlusstreffer zu euphorisch, vielleicht doch noch etwas holen können.“ Ein Debakel drohte gar, als Nkunku vor dem Mainzer Strafraum dribbelte, Stefan Bell und Widmer ihn gemeinsam attackierten, aber nicht nachhaltig stören konnten, und der Ball zentral vor den Sechzehner trudelte, wo vier Leipziger standen, aber kein 05er. Silva hielt aus 16 Metern aufs rechte Eck. 1:4 (61.).

Danach setzte Bo Svensson auf Schadensbegrenzung und wechselte defensiv: Leandro Barreiro und David Nemeth kamen für Jonathan Burkardt und Jean-Paul Boëtius, hinten standen die 05er fortan in einer Fünferkette. Das half immerhin, die Niederlage nicht noch höher ausfallen zu lassen. Es änderte aber nichts an Martin Schmidts Aussage: „Wir haben heute eine Delle gekriegt.“

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