Peter H. Eisenhuth | 16.04.14

„Kaffee trinken? Können wir. Aber in Baku“

Peter Neustädter im „Interview der Woche“ über seinen neuen Job in der aserbaidschanischen Hauptstadt und warum er sich an seine frühen Jahre in Mainz erinnert fühlt.
Will nicht tatenlos auf dem heimischen Sofa herumsitzen: Peter Neustädter (hier als Trainer der 05-Amateure) arbeitet jetzt in Baku.
Will nicht tatenlos auf dem heimischen Sofa herumsitzen: Peter Neustädter (hier als Trainer der 05-Amateure) arbeitet jetzt in Baku. | Eva Willwacher

Mainz/Baku. Der ziemlich weit entfernt klingende Handy-Ton verrät es schon: Peter Neustädter ist derzeit nicht in Mainz. Unser Anruf erreicht den langjährigen Zweitligaprofi und Amateure-Trainer des FSV Mainz 05 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans. Und für unsere Gesprächseröffnung ernten wir zunächst einmal ein kehliges Lachen…

Hallo, Herr Neustädter, eigentlich wollte ich fragen, ob wir uns zum Interview in einem Café treffen können.

Hahaha. Kaffee trinken? Können wir. Das müsste dann aber im Zentrum von Baku sein. Ansonsten können wir das Ende Mai, Anfang Juni nachholen. Dann komme ich für ein paar Wochen nach Mainz zurück. Bis dahin habe ich hier noch ein bisschen zu tun.

Im Mainzer Kigges-Forum wurde gemeldet, dass Sie Sportdirektor von Ravan Baku werden…

Technischer Direktor, das stimmt, und so richtig geht der Job auch erst zur neuen Saison los. Aber ich bin jetzt schon mal hier, um die Infrastruktur kennenzulernen und einige Dinge vorzubereiten, die ich noch vor der Sommerpause erledigen kann.

Bis dahin leben Sie im Hotel?

Nein, das war nur in den ersten Tagen so. Inzwischen habe ich eine Wohnung bezogen, in dieser Woche bekomme ich mein Auto. Das ist alles sehr gut organisiert.

Der Fußball auch?

Daran arbeiten wir.

Was ist Ihre Aufgabe?

Ich bin zuständig für die gesamten Jugendmannschaften von der U8 bis zur U19. Ich habe mir in den letzten Tagen viele dieser Mannschaften angeschaut, und was ich gesehen habe, war sehr gut. Potenzial haben sie hier, einige wirklich hervorragende Talente. Diese Jungs muss man langsam aufbauen. Bisher gibt es dafür kein Konzept. Das zu erstellen, ist mein Job. Das ist eine super Aufgabe.

Nun wird in Baku nicht irgendjemand sitzen, der sagt: „Wir brauchen ein Jugendkonzept, und dafür holen wir uns am besten den Neustädter“. Wir kam es zu Ihrem Engagement?

Im Verein hatten sie sich überlegt, dass sie einen neuen Weg einschlagen und künftig verstärkt in die eigene Jugend investieren wollen. Es gibt Unternehmer, die das finanzieren. Bisher kenne ich die Geldgeber noch nicht, aber ich werde mich in den nächsten Tagen mit ihnen treffen. Es ist mir wichtig, die Leute kennenzulernen, die hier etwas entscheiden.

Und wie kamen Sie ins Spiel?

Ich war in Kontakt mit Markus Weidner vom DFB, der hatte mir schon damals geholfen, als ich in der Ukraine meine Uefa-Pro-Lizenz gemacht habe…

…also das, was in Deutschland unter „Fußballlehrer“ läuft...

…genau. Als wir jetzt miteinander geredet haben, war gerade Bernhard Lippert in Deutschland.

Der war vor ziemlich vielen Jahren mal Trainer bei Eintracht Frankfurt.

Und heute ist er Trainer der aserbaidschanischen U21-Nationalmannschaft. Von ihm habe ich erfahren, dass die Vereine dort auf der Suche nach Technischen Direktoren sind, die sich darum kümmern sollen, die Grundlagen für eine Jugendarbeit mit Perspektive zu schaffen, und dass sie die Leute alle aus dem Ausland holen. Da arbeiten Polen, Italiener, Spanier, Engländer, Holländer, Deutsche.

Sie waren nach Ihrer aktiven Karriere zunächst Trainer der U23 von Mainz 05, danach Regionalligatrainer der TuS Koblenz. Jetzt sind Sie für Kinder und Jugendliche zuständig. Das klingt nach einer ziemlich großen Umstellung.

Das ist es, aber ich freue mich auf diese Herausforderung. Das hier ist nicht nur eine Umstellung, was das Alter der Spieler angeht, sondern auch von der Mentalität und den ganzen äußeren Umständen her.

Welche Strukturen haben Sie in Baku vorgefunden?

Irgendwie erinnert mich das an meine ersten Jahre in Mainz. Ins Stadion passen 3000 Zuschauer, mehr waren es damals bei normalen Spielen am Bruchweg auch nicht. Roman hat auf einem Aschenplatz trainiert, der Trainer war der Vater eines anderen Spielers…

…na ja, später bei den 05-Amateuren hat er bei seinem eigenen Vater trainiert…

Haha. Ja, aber Sie verstehen, was ich meine? Die ganze Jugendarbeit hier ist noch nicht sehr professionell. Ich werde auch intensiv mit den anderen Trainern arbeiten. Momentan bin ich der einzige, der eine Pro-Lizenz hat, aber immerhin wird jetzt auch ein anderer den Schein machen. Es gibt sehr, sehr viel zu tun. Aber die Verantwortlichen haben verstanden, dass man beim Nachwuchs die Grundlagen schaffen muss. Ich will in den kommenden Tagen alle Trainer und die Jungs kennenlernen, ich werde ihnen für die Sommerferien ein paar Aufgaben mitgeben, und danach will ich mit jeder Mannschaft in ein einwöchiges Trainingslager gehen. Wir können dafür einen olympischen Stützpunkt nutzen, da sind die Bedingungen sehr gut.

Nachdem Sie Ihre Uefa-Pro-Lizenz in der Tasche hatten, gab es Anfragen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion…

…aus Kasachstan.

Die Sie aber abgelehnt hatte, weil Sie nicht aus Deutschland wegwollten. Warum also jetzt Aserbaidschan? Gab es nach Ihrem Engagement in Koblenz keine Angebote mehr?

Zuletzt hatte ich ein paar Anfragen von deutschen Vereinen, die auch nicht schlecht klangen. Aber da war ich mit meinen Gedanken schon in Baku. Nach Kasachstan wollte ich damals nicht, das stimmt. Wenn ich dort eine Mannschaft übernommen hätte, wäre ich das ganze Jahr von zu Hause weg gewesen, das wollte ich nicht. In Baku habe ich jetzt die Möglichkeit, sechsmal im Jahr nach Hause zu fliegen, ich habe zwei Monate Urlaub. Wenn ich hier alles für die nächste Saison vorbereitet habe, kann ich erstmal heim.

Wie hat Ihre Frau reagiert, als Sie ihr von dem Angebot aus Baku erzählt haben?

Sie war nicht begeistert davon, dass ich so weit weg eine Stelle antrete. Aber am Freitag kommt sie erstmal zu mir, im Juni bin ich zu Hause. Als Trainer musst du manchmal solche Kompromisse eingehen. Und außerdem kann ich nicht die ganze Zeit daheim rumsitzen. Wenn ich nichts zu tun habe, gehe ich irgendwann kaputt. Ich brauche eine Aufgabe. Jetzt will ich in Baku etwas aufbauen. Das ist eine interessante Herausforderung – und es ist ein lukrativer Auftrag.

Das Gespräch führte Peter H. Eisenhuth

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