Zweite Regionalliga | Peter H. Eisenhuth | 24.03.2023

„In Chinatown bekam ich die Nachricht: ,Wir müssen reden‘.“

Niklas Krause über Studium und Basketball in den USA, eine düster klingende Botschaft seines Bruders, sein überraschendes Comeback beim ASC Mainz, Freiwurfquoten, das letzte Saisonspiel und ausstehende Vertragsverhandlungen.
Wieder daheim: Niklas Krause und Freundin Laura in einem neuen Mainzer Café.
Wieder daheim: Niklas Krause und Freundin Laura in einem neuen Mainzer Café. | Peter H. Eisenhuth

Mainz. Eine schöne Überraschung zauberten die Basketballer des ASC Mainz am vorigen Samstag aus dem Hut: Zur Partie des vorletzten Spieltags bei Meister Makkabi Frankfurt traten sie mit dem gerade erst von seinem Studium an der University of the Incarnate Word in San Antonio (Texas) zurückgekehrten Niklas Krause an. Der 20-Jährige war zuletzt im Herbst 2020, in der wegen Corona früh abgebrochenen Saison für seinen Jugendverein aktiv war, bevor er zu den Hanau White Wings in die Pro B und dann in die USA wechselte.

Bei seinem Comeback verhalf der Spielmacher dem abstiegsbedrohten Theresianum-Team zu einem nicht minder unerwarteten 81:67-Erfolg (→ Niklas Krause öffnet die Tür…). Am Samstag gegen den BC Gelnhausen will Krause mit der Mannschaft in eigener Halle den erhofften Schritt zum Kassenverbleib mit einem Sieg gegen den Tabellenvierten BC Gelnhausen machen. →  Direkte Vergleiche können sich als Segen erweisen.

Vorher unterhielt sich SPORTAUSMAINZ.de mit dem Mainzer Toptalent.

 

Herr Krause, vor einer Woche haben Sie ein überraschendes Comeback gegeben…

…ein sehr überraschendes. Das kam wie aus dem Nichts.

Geplant war nur Ihre Rückkehr aus den USA?

Genau. Die Collegesaison war vorbei, und ich habe überlegt, ob ich das Semester noch zu Ende studiere oder nicht. Ich wusste, dass ich nicht in Amerika bleiben würde, sondern nach Deutschland zurückkomme, hier studieren und Basketball spielen werde – wo, ist ein anderes Thema, darum kümmere ich mich in den nächsten Monaten. Die Unikurse aus den USA werden mir hier nicht angerechnet, deshalb habe ich mich entschieden, nachdem wir es mit unserer Mannschaft nicht in die March Madness geschafft hatten…

…die Endrunde um die Collegemeisterschaft…

…noch eine Woche das gute Wetter mitzunehmen, mit einem Kumpel ein paar Tage nach San Francisco zu fahren, wo wir und auch die Warriors angeguckt haben. Dann saßen wir in Chinatown beim Essen, als ich eine Nachricht von meinem Bruder bekam: „Wir müssen reden.“ Ich habe mir Sorgen gemacht, eine solche Nachricht hatte Basti mir noch nie geschickt.

Das klang düster.

Ja, sehr ernst. Deshalb habe ich ihn direkt über WhatsApp angerufen.

Und?

Er sagte, sie hätten nur gerade gegen Bad Bergzabern verloren und hätten bei einem Bier aus Spaß überlegt, dass ich ja mittwochs wieder in Mainz sei und theoretisch samstags spielen könnte. Ich habe erst mal gelacht, sehr witzig, aber Basti meinte, rechtlich sei das kein Problem. Irgendjemand wusste noch, das Patrick Heckmanns Pass vier Jahre rumlag, während er in den USA war, und er jederzeit hier hätte spielen dürfen. Warum also sollte das bei mir nicht möglich sein – falls sie den Pass finden? Der Verein hat das in den Tagen danach geklärt, ich habe noch mit meinen Eltern geredet, und wir waren uns einig: Wenn ich zu Hause bin, kann ich auch spielen.

Weiterstadt kam auch noch ins Spiel.

Genau. Dort war ich aus der NBBL-Zeit noch gemeldet, auch wenn ich während meiner Pro-B-Saison in Hanau kein Spiel mehr für Weiterstadt gemacht, sondern dort nur Individualtraining belegt habe. Eine kurze Recherche hat ergeben, dass der Pass tatsächlich noch in Weiterstadt liegt. Mein Vater und Christian Zander haben dann mit Matthias Dönges telefoniert, dem Weiterstädter Trainer,der die Freigabe erteilt hat.

Das war sehr selbstlos.

Ich kenne Matthias schon, seit ich so groß war (die Hand bewegt sich auf Tischhöhe), und Mainz und Weiterstadt haben eine gute Beziehung.

Aber die SG Weiterstadt steckt…

…selbst noch im Abstiegskampf. Aber sie hatte einen Sieg mehr als wir und hat sich gesagt: „Wenn beide Mannschaften ihren Job machen, ist alles gut.“ Dementsprechend gab es keine Komplikationen.

Wie war es, auf die Schnelle ins Team reinzufinden? Sie kannten zwar fast alle Mitspieler, aber die Spielweise war eine andere als vor zwei Jahren.

Eigentlich kenne ich alle, selbst Genís Canal Ferrer, der zwar erst nach meinem Wechsel zum ASC gekommen ist, mit dem ich aber in der Freizeit schon ein bisschen gespielt hatte. Chris Zander sagte mir, die Offense habe sich in der Zwischenzeit verändert, aber als ich wieder zum Team gestoßen bin, wurden ein paar Sachen geändert, unter anderem spielen wir mit mir mehr Pick and Roll. Das war eigentlich wie immer. Und mit den Leuten komme ich sowieso klar. Mein Bruder spielt da, mit den Oppis (Felix und Tobias Oppenberg, d. Red.) verstehe ich mich super, Nico Rodriguez Feck ist mein bester Freund, mit Tobias Feilen habe ich schon in der JBBL gespielt. Da reinzufinden, war kein Problem, das war wie früher. Ich weiß, wer welche Stärken hat, jetzt ist es meine Aufgabe, sie in die richtigen Positionen zu bringen. Es haben sich auch alle gefreut, dass ich dabei bin.

Hat ja auch funktioniert – selbst als Sie nach 25 Minuten nicht mehr weitermachen konnten.

Das war ein bisschen unglücklich, in der Phase einen Krampf zu bekommen. Ich habe mir das Video noch mal angeguckt und glaube, dass es nicht an der Erschöpfung lag, sondern daran, dass ich mir das Bein komisch verdreht hatte, als mein Gegenspieler mir auf den Fuß gestiegen ist. Auf dem Video sieht man, dass ich gar keine Spannung auf der Wade hatte, das war ein bisschen weird. Aber ich glaube, die anderen hatten bis dahin schon das Gefühl entwickelt, dieses Spiel gewinnen zu können. Wir hatten früh den Eindruck, dass da etwas geht, dann haben wir angefangen zu scoren, als Team zusammenzuspielen, zwischendurch haben wir eine echt gute Defense gespielt, und alle haben sich gegenseitig gepuscht. Auch als ich schon draußen war, habe ich die Jungs angefeuert, motiviert oder auf Kleinigkeiten hingewiesen, die nicht gut funktioniert haben. Und da sind ja alles super Jungs, die können Basketball spielen, da ist kein Absteiger.

Was fehlte, war ein Führungsspieler wie Max Befort, der früh in der Saison ausgefallen ist.

Max hat auch viele Punkte gemacht. Aber jetzt läuft die Maschine schon besser, gegen Makkabi haben wir stark gespielt – auch wenn wir viele Freiwürfe danebengeworfen haben.

Jo, das hat Tradition. Ich glaube, der Minusrekord in dieser Saison waren die nur 12 Treffer bei 29 Versuchen gegen den TV Langen. Diesmal waren es immerhin 27 von 43…

Mit einer etwas besseren Quote wäre das Spiel früher entschieden gewesen, so wurde es noch mal knapp. Max saß mit auf der Bank und ist bei den Freiwürfen auch leicht verzweifelt. Eigentlich kann man so keine Spiele gewinnen, aber manchmal klappt’s halt trotzdem.

Eins müsst ihr noch…

…eins müssen wir noch. Ich kenne den Gegner nicht, aber ich glaube, wir können es schaffen. Selbstbewusst!

Wann, wenn nicht nach einem Sieg beim Meister, soll man selbstbewusst sein?

Die Mannschaft funktioniert, die Stimmung ist gut, alle wissen, wie wichtig das letzte Spiel ist. Und für die Gegner geht es um nichts mehr, vielleicht nehmen sie das Ganze ein bisschen lockerer. Wir werden mit Vollgas reingehen, hoffentlich vor vielen Fans.

Es gibt zumindest keine nennenswerten Konkurrenzveranstaltungen.

Sehr gut. Ich freue mich auch darauf, mal wieder im Theresianum zu spielen.

Konnten Sie in dieser Woche normal trainieren?

Die Herren eins haben ja nicht krass viel Training, im Vergleich mit Amerika, wo wir jeden Tag trainiert oder gespielt haben, ist das – in Anführungsstrichen – nix. Die Wade hat mich noch zwei Tage gezwickt, aber am Dienstag konnte ich wieder ganz normal mitmachen.

Sind Sie eigentlich aus den USA zurückgekommen, weil Sie dort nicht länger studieren oder nicht länger Basketball spielen wollen?

Das war eine Mischung aus beidem. Die Uni an sich war schon cool, ein bisschen klein, das Wetter in San Antonia ist toll, aber im Gesamtpaket hat mir etwas gefehlt. Das Studium in den USA, hm, ich weiß nicht, wie gut das ist.

Was haben Sie studiert?

Business, das will ich jetzt auch in Deutschland studieren, aber selbst wenn ich die Kurse abgeschlossen hätte, würden sie mir nicht anerkannt. Für nächstes Jahr will ich mir eine vernünftige Uni suchen und einen Klub, bei dem ich hochklassig Basketball spielen kann.

„Hochklassig“ heißt: Pro A aufwärts?

Genau. Eventuell auch eine Kombination aus Pro B und Erster Liga im selben Verein. Außerdem habe ich auch meine Familie und Laura vermisst, die mich zwar besucht haben und es dort cool fanden, aber auch verstehen konnten, dass ich nicht unbedingt bleiben wollte. Was den Basketball angeht: Der Trainer hatte mir anfangs eine Rolle wie in Mainz gegeben, auf der Eins als Spielmacher, aber gegen Ende der Saison hatte sich das dahin entwickelt, dass ich in der Ecke stand und Dreier schießen sollte. Am Ball war ich nicht mehr viel unterwegs. Dadurch habe ich auch an Selbstbewusstsein eingebüßt. Wenn dann mal die Situation kam, in der ich wieder am Ball war, hatte ich Probleme, aus der Rolle als reiner Schütze herauszukommen. Insgesamt war es trotzdem eine geile Erfahrung, wir haben in Arenen gespielt, das war übel cool. Las Vegas oder zuletzt gegen Kansas State, auch wenn die uns eine schöne Abreibung verpasst haben. Die stehen beim March Madness in den Sweet 16.

Wie viele Zuschauer hattet ihr?

Die Halle war nicht ausverkauft, weil wir nicht gerade das beste Team waren, aber gegen Kansas State waren es rund 8000 Fans.

In welchem Rhythmus fanden die Spiele statt?

Immer zwei pro Woche. Immer mittwochs oder donnerstags und samstags. Das war ein harter Rhythmus, der Basketball dort ist schon sehr physisch. Vor dem ASC-Spiel gegen Makkabi haben alle gesagt, dass die Frankfurter sehr körperbetont spielen, aber nach einer Saison in Amerika hat mir das nicht viel ausgemacht. Da drüben geht es gut zur Sache. Nach jedem Spiel hast du Wehwehchen…

…aber es interessiert niemanden…

…richtig. Einfach weitermachen. Sonntags war meistens Pause, an allen anderen Tagen haben wir entweder gespielt oder trainiert. Krafttraining, Videoeinheiten und Individualtraining kamen noch dazu. Das war schon eine hohe Belastung, deswegen wollte ich nach der Saison erst mal chillen. Und dann sitze ich in San Francisco und kriege die Nachricht von meinem Bruder…

Wie international war euer Kader zusammengesetzt?

Wir hatten einen Portugiesen, der wegen Verletzungsproblemen schon am Anfang der Saison gegangen ist. Einen Mitspieler aus den Niederlanden, der sich früh das Kreuzband gerissen hat, einer meiner besten Freunde kam aus Australien, ein zweiter Australier kam während der Saison. Wir hatten einen Kollegen aus Kanada und einen aus dem Südsudan. Alle anderen waren Amerikaner. Zu Saisonbeginn standen 17 Spieler im Kader, und ich dachte, dass es mit der Spielzeit eng werden könnte. Aber ich habe mich durchgesetzt, und selbst als meine Rolle nicht mehr perfekt war, habe ich immer noch viel gespielt.

Also bereuen Sie die Zeit in Texas nicht.

Nein, ich bereue nichts. Das war schon eine geile Erfahrung, die ich immer wieder gerne machen würde – abgesehen von allem anderen habe ich ja auch mein Englisch verbessert, die Teammates werden Freunde fürs Leben.

Am Samstag spielen Sie noch mal in der Zweiten Regionalliga – und dann?

Mal sehen. Zwischendurch war das Pokalturnier eine Woche später im Gespräch, aber dazu habe ich noch keine genaueren Infos – und wir haben noch keine Einigung getroffen… (lacht)

Da muss Ihr Agent noch mal verhandeln.

Ja, ein Kasten Bier könnte rausspringen.

Das Gespräch führte Peter H. Eisenhuth.

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