Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 22.04.2019

Aus eigener Kraft geregelt

Keine Selbstverständlichkeit: Vier Spieltage vor Schluss feiert der FSV Mainz 05 den Verbleib in der Ersten Liga. Sandro Schwarz' offensiv ausgerichteter Plan geht beim 3:1 gegen Fortuna Düsseldorf auf. Darüber freut sich letztlich auch Friedhelm Funkel.
„Die Fans waren haaß“, sagte Karim Onisiwo, und er war es auch. Der Österreicher bereitete das 1:0 vor...
„Die Fans waren haaß“, sagte Karim Onisiwo, und er war es auch. Der Österreicher bereitete das 1:0 vor... | Eva Willwacher
...und erzielte das 2:1 in dieser Szene selbst.
...und erzielte das 2:1 in dieser Szene selbst. | Eva Willwacher
Linksverteidiger Aarón bereitet Onisiwos Treffer mit diesem Antritt und der folgenden Hereingabe vor.
Linksverteidiger Aarón bereitet Onisiwos Treffer mit diesem Antritt und der folgenden Hereingabe vor. | Eva Willwacher
Da staunt auch Kollege Jean-Paul Boëtius (M.): Giulio Donatis Fallrückzieher gehörte zu den ungewöhnlichen Momenten nicht nur dieses Spiels, sondern der gesamten Saison.
Da staunt auch Kollege Jean-Paul Boëtius (M.): Giulio Donatis Fallrückzieher gehörte zu den ungewöhnlichen Momenten nicht nur dieses Spiels, sondern der gesamten Saison. | Eva Willwacher
Alexander Hack kommt zu spät, Dodi Lukebakio erzielt das 1:1, 05-Torwart Florian Müller ist machtlos.
Alexander Hack kommt zu spät, Dodi Lukebakio erzielt das 1:1, 05-Torwart Florian Müller ist machtlos. | Eva Willwacher
Florian Müller springt in die richtige Ecke, hatte aber Glück: Dodi Lukebakio setzte den Elfmeter beim Stand von 1:1 an den Pfosten.
Florian Müller springt in die richtige Ecke, hatte aber Glück: Dodi Lukebakio setzte den Elfmeter beim Stand von 1:1 an den Pfosten. | Eva Willwacher
Da fehlte nicht viel zum 3:1: Jean-Philippe Matetas feiner Lupfer über Torwart Michael Rensing hinweg geht am langen Pfosten ins Aus...
Da fehlte nicht viel zum 3:1: Jean-Philippe Matetas feiner Lupfer über Torwart Michael Rensing hinweg geht am langen Pfosten ins Aus... | Eva Willwacher
...lange grämen musste sich der Franzose allerdings nicht...
...lange grämen musste sich der Franzose allerdings nicht... | Eva Willwacher
...er holte das Versäumte in der 86. Minute nach und besiegelte mit seinem zwölften Saisontor den 3:1-Erfolg über Fortuna Düsseldorf. Und den Klassenverbleib.
...er holte das Versäumte in der 86. Minute nach und besiegelte mit seinem zwölften Saisontor den 3:1-Erfolg über Fortuna Düsseldorf. Und den Klassenverbleib. | Eva Willwacher
Vorbereiter des entscheidenden Tores war Jean-Paul Boëtius, der, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf der Achter- sondern auf der Zehnerposition, einen brillanten Pass in den Strafraum spielte.
Vorbereiter des entscheidenden Tores war Jean-Paul Boëtius, der, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf der Achter- sondern auf der Zehnerposition, einen brillanten Pass in den Strafraum spielte. | Eva Willwacher
Das wäre des Guten wohl zu viel gewesen: Der eingewechselte Ridle Baku hatte sogar noch die Chance zum 4:1.
Das wäre des Guten wohl zu viel gewesen: Der eingewechselte Ridle Baku hatte sogar noch die Chance zum 4:1. | Eva Willwacher
Geballte Sportkompetenz auf der Tribüne: Sportdezernent Günter Beck (r.), daneben der neue Präsident des Sportbunds Rheinhessen, Klaus Kuhn, dahinter 05-Vorstand Jan Lehmann und links 05-Vorsitzender Stefan Hofmann. Ganz links: der ehemalige Vereinsvize Jürgen Doetz.
Geballte Sportkompetenz auf der Tribüne: Sportdezernent Günter Beck (r.), daneben der neue Präsident des Sportbunds Rheinhessen, Klaus Kuhn, dahinter 05-Vorstand Jan Lehmann und links 05-Vorsitzender Stefan Hofmann. Ganz links: der ehemalige Vereinsvize Jürgen Doetz. | Eva Willwacher

Mainz. Friedhelm Funkel war quasi der erste Gratulant, der sein Wort „stellvertretend für die große Mainzer Fußballfamilie“ an Rouven Schröder und Sandro Schwarz richtete. Den Klassenverbleib erneut bewerkstelligt zu haben, sei eine großartige Leistung, sagte der Trainer von Fortuna Düsseldorf nach der Partie in der Arena am Europakreisel. „Mainz ist eine Art Vorbild für mich“, wiederholte er, was er schon begleitend zum Aufeinandertreffen in der Hinrunde gesagt hatte. „So, wie sie hier gearbeitet haben, das ist à la Bonheur.“

Der mit seinen 65 Jahren erfahrenste Trainer der Bundesliga sprach den Verantwortlichen des FSV Mainz 05 aus dem Herzen. „Wir sind stolz“, sagte Sportvorstand Rouven Schröder nach dem 3:1-Sieg gegen den Aufsteiger, mit dem die Rheinhessen sich auch der letzten theoretischen Abstiegsgefahr entledigt hatten. „Es ist schon etwas Besonderes, wenn du am 29. Spieltag die Klasse hältst. Und es ist wichtig, dass wir das aus eigener Kraft perfektgemacht haben.“

Sandro Schwarz gab seinen Spielern zwei Tage frei. Einen spontan anberaumten Trip nach Ibiza, wie ihn ein Teil des Kaders vor einem Jahr nach dem Sieg in Dortmund, der am vorletzten Spieltag für Sicherheit sorgte, unternommen hatte, werde es diesmal nicht geben. Doch es gelte, den Klassenverbleib zu genießen und zu feiern.

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Trainer stimmt die Humba an

Die Liga zu halten müsse zwar stets der Anspruch, „darf aber für uns nie selbstverständlich sein“, sagte der Trainer. „Ich wäre ja behämmert, wenn ich die Jungs morgen um 10 Uhr aufs Trainingsgelände schicken würde. Wir haben schon in Momenten gefeiert, als es uns extrem beschissen ging“, erinnerte er beispielsweise an die drei knapp Erstligaaufstiege – dann also jetzt erst recht. „Die Dinge zu feiern, gehört zu Mainz.“ Und: „Die spontansten Feiern sind die schönsten, deshalb lassen wir dem jetzt freien Lauf.“

Als Trainer auf den Fanzaun zu klettern, wie er es zuvor getan hatte, davon sei er eigentlich kein großer Anhänger. Zumindest nicht während einer noch laufenden Saison. „Das ist die Bühne der Spieler“, sagte Schwarz. Allerdings hatte die Kurve ihn dazu aufgefordert, „und das ist natürlich ein schöneres Gefühl, als wenn sie pfeifen und sagen: ,Geh schnell nach Hause‘“. Vor einem Jahr hatte er dem Ruf zuletzt Folge geleistet, nach dem berauschenden 2:1-Sieg beim BVB. Als Spieler habe er das ein einziges Mal beim SV Wehen Wiesbaden erlebt, in Mainz hingegen nie. „Ich war zu schlecht“, sagte er. Stadionhistorisch interessierte Menschen wollen freilich nicht ausschließen, dass es seinerzeit noch gar keinen Zaun gab.

Dass Schwarz die Humba anstimmen durfte, war der Dank der Fans für das vorzeitig erreichte elfte Bundesligajahr hintereinander. Vielleicht war damit aber auch die Anerkennung dafür verbunden, dass der Coach nicht nur in den Tagen vor dem Spiel gegen die Fortuna von einer „Entscheidungswoche“ geredet, sondern auch seine Aufstellung entsprechend ausgerichtet hatte. In Anthony Ujah und Alexandru Maxim saßen zwei Offensivspieler auf der Bank – alle anderen standen in der Anfangsformation.

Nicht nur ins Ziel retten

„Wir wollten es selbst regeln, unabhängig von dem, was auf den anderen Plätzen passiert“, erläuterte er diese Herangehensweise mit dem üblicherweise als Zehner eingesetzten Jean-Paul Boëtius auf der rechten Achterposition in der Mittelfeldraute. Nach einer knappen Stunde setzte Schwarz noch einen drauf, nahm den völlig indisponierten Innenverteidiger Alexander Hack („Er wusste, dass er nicht seinen besten Tag gehabt hat, aber so etwas kommt im Leistungssport vor“) vom Platz und brachte Maxim. Ein weiteres Signal dafür, „dass wir selbst agieren und uns nicht nur uns Ziel retten wollten“.

Der Plan ging auf. Schon nach 36 Sekunden, als Jean-Philippe Mateta auf Vorlage des herausragenden Karim Onisiwo das 1:0 erzielte, beinahe auch bei den nächsten Angriffen, in denen nicht viel zur höheren Führung fehlte. „Wir sind sofort im Spiel gewesen, anders als zuletzt gegen Freiburg und in Dortmund“, sagte der Trainer.

Zwischendurch schienen die Düsseldorfer zwar einen Strich durch Schwarz‘ Rechnung machen zu können. Auch, weil seine Leute „in bestimmten Momenten nicht gut waren“ und nach den ersten Ballverlusten, erst recht nach dem Ausgleich Unruhe aufkam. Eine Unsicherheit, die beispielsweise dazu führte, dass gute Ansätze verpufften, indem die Passgenauigkeit im letzten Drittel des Spielfeldes verlorenging.

Onisiwo: „Die Fans waren haaß“ 

Florian Müller machte später zwei Schlüsselmomente dafür aus, dass die Partie wieder in die Mainzer Richtung kippte: Dodi Lukebakios verschossenen Elfmeter in der 55. Minute und wenig später „die Aktion von Giulio auf der Linie“ – Rechtsverteidiger Donati hatte mit dem Hinterkopf das 1:2 verhindert. Danach bekamen die Gastgeber das Geschehen wieder in den Griff, und jetzt zahlte sich Schwarz‘ offensive Ausrichtung aus. Maxim leitete den Angriff ein, der über Aarón und Onisiwo die erneute Führung brachte. Und der bis dahin häufig körperspannungsarm wirkende Boëtius spielte den brillanten Pass in den Strafraum, den Mateta mit seinem zwölften Saisontor zum 3:1 verwertete.

Hinterher waren zu Sandro Schwarz‘ Freude allerorten glückliche Gesichter zu sehen. Auf den Tribünen und in den Katakomben, wo Vereinsvorsitzender Stefan Hofmann, auch schon mit einem „Wieder nur Klassenerhalt? Egal. Unser Traum lebt“-Shirt unterm Jackett, alle Kicker abklatschte und umarmte. „Jeder ist glücklich“, sagte Karim Onisiwo, „wir wollten es heute fixieren, und die Fans haben uns nach vorne gepeitscht, sie waren haaß“ – was definitiv mehr mit Feuer als Ostern zu tun hatte.

Selbst Friedhelm Funkel konnte dem Ganzen trotz der Niederlage einen Glücksmoment abgewinnen. „Ich freue mich, dass wir nächstes Jahr wieder gegeneinander spielen“, sagte der Düsseldorfer Trainer zu Schwarz. „Aber ich verspreche dir: Dann holst du gegen uns keine sechs Punkte.“

 

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