Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 17.08.2018

„Mittwochabend, Wolfsburg, darauf hab‘ ich Bock“

Günstigere Ticketpreise, schnellerer Einlass, Becherhalter am Urinal und eine Weinstube: Mit vielen Neuerungen und einer originellen Kampagne wirbt der FSV Mainz 05 für die bevorstehende Saison um Fans.
Mit diversen Verbesserungen wirbt der FSV Mainz 05 für eine volle Arena.
Mit diversen Verbesserungen wirbt der FSV Mainz 05 für eine volle Arena. | Eva Willwacher

Mainz. Als Mann aus dem Ruhrpott ist Michael Welling schon froh, dass er nach nur zwei Monaten in Mainz in der Lage ist, „Weck, Worscht und Woi unfallfrei auszusprechen“. Auf dem umgekehrten Weg bekommt der Direktor Marketing & Vertrieb des FSV Mainz 05 die diversen rheinhessischen Köstlichkeiten ohnehin mühelos über die Lippen.

In diesen Genuss können künftig auch die Fans des Bundesligavereins bei Heimspielen kommen, sofern sie in eine entsprechende VIP-Karte investieren. Denn die bisher den 05-Profis und ihren Familien vorbehaltene Loge im dritten Obergeschoss der Arena am Europakreisel fungiert fortan als „Weinstube“.

„Wir haben unser Catering-Konzept verändert, wir wollen mal etwas anderes anbieten“, sagt Welling. In diesem Fall wird das auch in der großen Business-Lounge erhältliche Buffet eben um Weine aus der Region und rheinhessische Tapas, beispielsweise Fleischwurst, Spundekäs‘ und Handkäs‘ mit Musik, ergänzt. Es ist eine von zahlreichen Neuerungen, mit denen die Vereinsverantwortlichen den Stadionbesuch attraktiver machen, aber auch einen Beitrag zu mehr Fannähe leisten wollen.

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Der Traum lebt

Das ist dringend nötig. Unabhängig davon, ob es auf eine bundesweite Entwicklung zurückzuführen war oder hausgemachte Gründe hatte – eine große Schnittmenge ist am wahrscheinlichsten –, sank die Zahl der verkauften Dauerkarten in den vergangenen Jahren auf 17.500. Ein Trend, dem der Klub in diesen Tagen mit einer originellen Plakatkampagne entgegenzuwirken versucht. „Wieder Abstiegskampf statt Europapokal?“ oder „Wieder nur Neuzugänge aus Frankreichs zweiter Liga?“ oder „Wieder null Punkte an Fastnacht?“ oder „Wieder Halbmarathon zum Stadion?“ lauten die Schlagzeilen. Die Antwort ist stets dieselbe: „Egal. Unser Traum lebt“.

Nicht minder spaßig sind die Videos, in denen beispielsweise die Ex-Profis Benjamin Auer („Wir brauchen wieder Stürmer, die mit hohem Tempo auf den Torwart zulaufen“), Tamas Bodog („Wir brauchen geschmeidige Innenverteidiger“), Michael Thurk (ruft zur Vereinstreue auf), Sven Demandt (Plädoyer für mehr Emotionalität) und Fabrizio Hayer (weniger Party machen, ganz auf den Fußball konzentrieren) erklären, warum früher alles besser war...

„Es gehört zu unserer Tradition, dass wir uns selbst auf die Schippe nehmen“, sagt Sandro Schwarz. Dem Cheftrainer ist bei aller Begeisterung über die gelungene Kampagne aber auch bewusst, dass seine Mannschaft und er einen wesentlichen Teil der Überzeugungsarbeit leisten müssen, um aus fußballinteressierten Mainzern fußballbegeisterte 05er zu machen. Um die Arena an mehr als nur zwei Spieltagen inklusive des letzten Platzes zu füllen.

Profis müssen durch den VIP-Raum

Dass die Profis ihren alten Rückzugsraum räumen mussten, mag ihnen ein zusätzlicher Anreiz sein, bei Heimspielen noch ein paar Prozent mehr für einen Sieg zu geben. Zwar haben sie auch künftig noch einen (wenn auch nur noch durch eine Kordel) abgetrennten Bereich für sich und ihren Anhang, wie der Kaufmännische Vorstand Jan Lehmann erläutert. Um den zu erreichen, müssen sie allerdings den großen VIP-Raum durchqueren, und wenn sie Hunger haben, müssen sie auch ans dortige Büffet – auf einen Spießrutenlauf nach ungenügenden Leistungen dürften sie keine Lust verspüren… Wenn die Kicker wollen, können sie sich unters Volk mischen. Bevorzugen sie es, unter sich zu bleiben, gilt für die Fans das Motto: nur gucken, nicht anfassen.

Nicht nur die betuchteren Stadionbesucher kommen zur Saison 2018/19 in den Genuss von Neuerungen. Vom verbesserten Service ums und im Stadion sollen alle profitieren. Das beginnt beim verbreiterten und jetzt asphaltierten Feldweg, der hinter der Südtribüne bis zur Koblenzer Straße entlangführt. Der Ausbau und vor allem der neue Belag standen zwar quer zu den Belangen des Naturschutzes, wie Stadionmanager Stephan Bandholz erklärt. „Unter dem Tribünendach befinden sich 55 Schwalbennester, es ist eine sehr große Population. Das Material für den Nestbau haben die Vögel bisher in Lehmpfützen entlang des Feldwegs gefunden. Die gibt es jetzt nicht mehr, deshalb haben wir zehn Löcher gegraben, in denen sie fündig werden.“

Neue Ticketscanner

Der Einlass ins Stadion soll dank neuer Ticketscanner zügiger vorangehen. „Die größeren Displays sind in der Lage, die Karten schon auf eine größere Entfernung zu lesen“, sagt David Schössler, der bisherige Chef des Ticketings und inzwischen fürs Partnermanagement zuständig. Die sieben Jahre alten Geräte würden bis Jahresende gegen neue Säulen ausgetauscht; sieben von achtundvierzig sind es bereits.

Zeitersparnis versprechen sich die 05er auch bei den dem Einlass vorgeschalteten Personenkontrollen. „Wir sind in Mainz wirklich schnell, weil wir immer wieder nachgebessert haben“, sagt Schössler. Noch schneller könnte es gehen, wenn viele Fans statt eigener Taschen oder Rucksäcke, die sie womöglich gar nicht mit in die Arena nehmen dürfen, ihre Utensilien in der neuen, DIN-A-4 großen „Stadiontasche“ verstauten. Die hat zum einen den Vorteil, auf einer Seite durchsichtig zu sein, sodass die Ordner sie zur Kontrolle nur in Ausnahmefällen öffnen müssen.

Zum anderen dürfen 05-Fans diese Kreationen, die es auch als etwas größere „Gym Bags“ gibt (Welling: „Zu meiner Zeit sagte man Turnbeutel“) auch in fast alle anderen Erstligastadien mitnehmen. Zwei Ausnahmen: „Hannover hat es abgelehnt, aus Berlin haben wir noch keine Antwort“, berichtet Bandholz. Dauerkartenbesitzer bekämen die Taschen zugeschickt, alle anderen Interessenten können sie für 5 Euro erwerben. Gezwungen werde allerdings niemand zum Kauf dieser Eigenkreationen. Auch die Mitnahme anderer Taschen gleicher Größen sei erlaubt.

Tageskarten- statt Vorverkaufsgebühr

Auch für alle Freunde des Bierkonsums bei voller Blase gibt es einer erfreuliche Nachricht: Der Verein bringt an allen Urinalen Becherhalter an. Insgesamt 120, jeweils mit Platz für drei Becher, die auf einer Höhe von 1,40 Meter montiert werden. „Auch wenn das als lustig empfunden wird: Es ist ein Mehrwert“, sagt Bandholz.

Die Ticketpreise bleiben von den Veränderungen nicht ausgenommen. Die Vorverkaufsgebühr ist abgeschafft; einen Euro mehr zahlen muss stattdessen, wer seine Eintrittskarte erst an der Tageskasse erwirbt. „Wir wollen diejenigen belohnen, die ihre Karten schon früh kaufen“, begründet Michael Welling, „und wir hoffen, mehr Fans dazu motivieren zu können.“ Frühzeitig zu wissen, wie viele Zuschauer kommen, erleichtere dem Verein auch die Planungen bei Sicherheitspersonal und Catering.

Die Sitzplatz-Eckblöcke A, E, K und O sind ab sofort in die Kategorien 1 und 2 eingeteilt; Karten für die mit einer 2 versehenen Blöcke werden künftig wegen der etwas schlechteren Sichtbedingungen zu vergünstigten Preisen angeboten. Gleiches gelte für die äußeren Stehplätze in den Blöcken P und S. Deutliche Preisnachlässe kündigt der Verein zudem für Kinder und Jugendliche im Familienblock F und dem G-Block an.

Karten auch im Dreierpack

Nach fünf statt bislang drei Preiskategorien sind in der neuen Runde die 17 Heimspielgegner sortiert – mit entsprechend unterschiedlichen Eintrittspreisen für Tageskartenkäufer. „Unterm Strich wird es dadurch nicht teurer, sondern sogar etwas günstiger“, sagt Welling. Am meisten berappen müssen nach wie vor Besucher der Partien gegen den FC Bayern und Borussia Dortmund, am wenigsten kosten die Karten gegen die Kategorie-5-Klubs Hannover 96 und VfL Wolfsburg. „Damit belohnen wir die Fans, die zum Beispiel sagen: ,Mittwochabend, Wolfsburg, darauf hab‘ ich Bock, da geh‘ ich hin'.“

Die Sache mit dem Mittwoch ist in diesem Fall übrigens nicht nur ein Beispiel, sondern traurige Realität. Am 26. September kommt der Relegationssieger der vorigen Saison nach Mainz, Anstoß ist um 20.30 Uhr. Um einer Geisterkulisse entgegenzuwirken, bieten die 05er auch noch sogenannte Bundle-Tickets (man könnte auch zwei Punkte aufs u setzen und die beiden letzten Buchstaben vertauschen) an: Wolfsburg, Hertha, Bayern gibt’s im vergünstigten Dreierpack.

 

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