U-17-Bundesliga Jugend | Christian Karn | 18.07.14 „Spannender, als selbst zu spielen“ Thomas Krücken, der neue U17-Trainer des FSV Mainz 05, im „Interview der Woche“ über seine Trainerkarriere, Schulabschlüsse und seine neue Mannschaft. Hatte unter anderem schon Lukas Podolski und die Boateng-Brüder unter seinen Fittichen: Thomas Krücken, der neue U17-Trainer des FSV Mainz 05. | Mainz 05 Mainz. Der FSV Mainz 05 hat in der Trainerfrage der U17-Mannschaft einen nahtlosen Übergang geschafft: Bevor Meikel Schönweitz den Bruchweg Richtung DFB verließ, arbeitete der neue U16-Bundestrainer seinen Nachfolger Thomas Krücken noch ein. Für ein erstes ausführliches Gespräch mit SPORTAUSMAINZ.de nahm sich der 36-jährige Fußballlehrer Krücken viel Zeit. Herr Krücken, hätten Sie in Brasilien bei der Weltmeisterschaft mitgespielt, wären Sie nur der fünftälteste Spieler gewesen... Krücken: (lacht sich kaputt) ...aber Ihre Trainerkarriere geht jetzt schon über 16 Jahre. Was steckt dahinter? Der Klassiker, das kaputte Knie? Eine Mischung aus zwei Dingen. Zum einen tatsächlich der Klassiker, eine damals medizinisch irreparable Knieverletzung, die Leistungsfußball nicht mehr zugelassen hat. Aber der Umgang mit Jugendlichen hat mich schon immer interessiert, schon als ich selbst einer war. Ich hatte mich früh damit auseinandergesetzt: Wie verhalten sich meine Trainer? Was würde ich an ihrer Stelle machen? Das fand ich spannender als selbst zu spielen. Meinen ersten Trainerschein habe ich schon als 16-Jähriger gemacht. Klar hat man in dem Alter das Ziel, Profi zu werden. Technisch und taktisch war ich auch gut, aber viel zu langsam. Die Bundesliga war außer Sicht. Wo haben Sie gespielt? Ich war beim VfR Neuss, der damals mit der Ersten Mannschaft in der Oberliga Nordrhein gespielt hat und mit der Jugend in der Niederrheinliga, der höchsten Klasse. Wir waren am Niederrhein neben Fortuna Düsseldorf der Traditionsverein; die Funkel-Brüder kamen vom VfR. Leider gibt es den Verein heute im Grunde nicht mehr. Sie waren aber nicht schon als Spieler nebenher Trainer, sondern erst nach der Verletzung? Reingekommen bin 1998 ich über meinen ehemaligen Niederrhein-Auswahltrainer, der mitbekommen hat, dass ich nicht mehr spielen kann. Er hat mich dem 1. FC Köln empfohlen, der mich direkt als U13-Trainer eingestellt hat. Ich habe in Köln auf Lehramt studiert, Anglistik, Germanistik und Sport, und nebenbei beim FC gearbeitet. Ihre zweite Station war in England... ...weil ich nach dem Grundstudium ein Stipendium der Sporthochschule bekommen habe. Ich bin an die University of Manchester gegangen, wo mich Manchester City zwei Wochen im Umgang mit den Spielern sämtlicher Jahrgänge beobachtet und dann zum U11-Trainer und U17-Kotrainer gemacht hat. Weiter ging es wieder beim FC... Erst war ich U16-Kotrainer des 85er-Jahrgangs mit Lukas Podolski. Dann habe ich die U14 übernommen mit Reinhold Yabo, der jetzt beim Karlsruher SC spielt, und Timo Horn, der beim FC im Tor steht. Ich habe das erste Staatsexamen abgelegt und bin an ein Gymnasium in Siegen gegangen. Das war eine ziemliche Fahrerei! Der FC hatte damals keine Partnerschule, daher habe ich ein Netzwerk mit vier Schulen aufgebaut. Nach dem zweiten Staatsexamen bin ich nicht an eine Schule gegangen, sondern zu Hertha BSC gewechselt. Dieter Hoeneß und Frank Vogel, der dort immer noch Nachwuchschef ist, haben einen Trainer mit pädagogischem Hintergrund gesucht für die Jahrgänge mit den Boatengs, Ashkan Dejagah, Patrick Ebert... Je nachdem, wo sie aufwachsen, sind die Berliner Jungs ja eine andere Klientel als die Hoffenheimer Jungs... ...und jemand musste her, der sie im Griff hat? Das weniger. Das hätten andere auch geschafft. Sie wollten einfach jemanden, der methodisch und didaktisch geschult ist. Es war spannend, von Köln in die Hauptstadt zu gehen. Ich war drei Jahre lang U17-Trainer. Im ersten und dritten haben wir die Staffel gewonnen, sind aber so wie jetzt Mainz 05 im Halbfinale gescheitert, erst an Hoffenheim, dann an Eintracht Frankfurt. 2010 haben Sie Berlin verlassen... Ich habe den Fußballlehrerschein gemacht. Im Lehrgang war auch Christian Ziege, der als Cheftrainer zu Arminia Bielefeld gegangen ist und vier Jungs aus dem Lehrgang mitgenommen hat. Ziege hatte die Vision, diesen Traditionsverein vor allem im Nachwuchs neu zu strukturieren und mit jungen deutschen Spielern wieder nach oben zu führen. Mich wollte er als Leiter des Leistungszentrums. Von der Idee war ich angetan – leider wurde Ziege schon am 28. Oktober nach einem 0:3 in Augsburg entlassen. Am Ende ist die Arminia in die 3. Liga abgestiegen. War das das Jahr mit den Finanzproblemen, als Arminia Bielefeld sogar den Sicherungsfonds der DFL in Anspruch nehmen musste, sozusagen dem Verband drei Punkte verkauft hat? Das war diese Saison. Ich musste kreativ sein, um die Abteilung konzeptionell weiterzuentwickeln. Ich habe als Nachwuchschef Becher im Stadion gesammelt und mir das Pfandgeld geholt, um irgendwelche Nachhilfelehrer bezahlen zu können. In dieser Zeit habe ich viel gelernt, darum weiß ich wertzuschätzen, welche Möglichkeiten es in Mainz gibt mit der neuen Bürosituation, mit den Investitionen in Nachhilfe. Jeden Euro fünfmal umzudrehen, um die Projekte zu finanzieren, war genauso eine Erfahrung wie in Berlin mit Jugendlichen zu arbeiten, für die Fußball eine Riesenchance ist. Die Zeit in Bielefeld hat mich geprägt. Wir haben es geschafft, mit gar keinen Mitteln etwas auf die Beine zu stellen. Alle Jugendmannschaften waren trotzdem in der Bundesliga. Mit Kacper Przyby?ko, der jetzt nach Fürth geht, mit Onel Hernández, mit Stefan Ortega von 1860 München fallen mir spontan drei Mann ein, die wir zumindest in die Zweite Liga gebracht haben. Przyby?ko ist der Stürmer, der zwischendrin beim 1. FC Köln war, Stefan Ortega war Stammtorwart der Arminia, den dazwischen kenne ich gar nicht... Hernández ist zu Bremen II gewechselt, jetzt zu Wolfsburg II. Marvin Höner von Ajax Amsterdam kann ich noch nennen. Als Verein ohne Mittel muss man das erstmal schaffen. Warum haben Sie die Arminia verlassen? Strukturen organisatorisch und konzeptionell zu entwickeln, hat mir viel Spaß gemacht, aber ich wollte wieder auf den Platz. Bernhard Peters, der Direktor für Nachwuchsförderung bei der TSG Hoffenheim, hat mich für deren U19 begeistern können. Zu dem Zeitpunkt stand die Mannschaft auf einem Abstiegsplatz, aber ich hatte schon zugesagt, bevor sie sich am letzten Spieltag gerettet hat. Ich hätte auch in der Oberliga gearbeitet. In der Folgesaison waren wir zwischenzeitlich Erster, am Ende Dritter, aber viel wichtiger als das Mannschaftsergebnis war, Niklas Süle in die Bundesliga zu bringen. Er ist ja inzwischen Stammspieler. Jeremy Toljan hat inzwischen seine zehn Einsätze, Kenan Karaman hat Bundesliga gespielt und geht jetzt nach Hannover, Patrick Schorr hat seine Bundesligaminuten. Das war eine intensive, erfolgreiche, sehr schöne Zeit. Als dann Frank Kramer nach Fürth ging, habe ich kurzzeitig die U23 übernommen, aber dort haben viele Faktoren dazu geführt, dass wir nur ein Ziel hatten: Nichtabstieg. Über die Gründe will ich nicht groß reden. Im April wurden Sie gefeuert, aber es hat nicht lange gedauert, bis Sie einen neuen Job hatten... Ich war glücklich, als Volker Kersting mich angerufen hat, weil ich immer auf die Entwicklung von Mainz 05 geguckt hatte. Ähnlich wie den SC Freiburg kannte ich Mainz als einen Verein mit einer ganz klaren Philosophie, aber auch ganz klaren Werten neben dem Platz. Ich finde es beeindruckend, wie handelnde Personen wie Christian Heidel und Volker Kersting seit 20 Jahren mit den Mitteln, die sie haben, die Vereinsstrukturen aufbauen. Mainz 05 ist ja ein gesunder Verein, der nur mit dem wirtschaftet, was da ist. Und trotzdem ist der Verein kontinuierlich immer weiter gewachsen, mit einer Philosophie, die meiner sehr nahekommt. Wie würden sie Ihre Philosophie formulieren? Ich bin ein absoluter Freund von offensivem Fußball, bei dem man auf der Basis von hoher Laufbereitschaft und leidenschaftlichem, aggressivem Spiel gegen den Ball aus einer klaren Grundordnung heraus nach Ballgewinnen schnell in die Tiefe kommt und das Spiel modern nach vorne entwickelt. Und nach Ballverlusten die sofortige Rückeroberung erzwingt. Dafür steht Mainz 05 in der fußballerischen Ausbildung. Daneben sage ich nicht nur als gelernter Lehrer, sondern auch, weil ich zu viele Talente erlebt habe, die es nicht geschafft haben, wie wichtig die Schulausbildung und der Abschluss sind, um gute Karten für eine weitere Berufsausbildung zu haben. „Persönlichkeitsentwicklung“ ist noch so ein Schlagwort, das ich nicht mehr hören kann, denn was steckt dahinter? Entscheidend sind die Menschen, die hinter dem Team stehen. Ich hatte hier schon nach wenigen Tagen den guten Eindruck von der Ausbilderschaft, dass es nicht nur fachlich, sondern auch menschlich gut zusammenpasst. Ich wurde sehr gut aufgenommen und integriert, wir kommunizieren viel, der Einstieg hat schon Spaß gemacht. Am 10. August beginnt die Saison. Welchen Eindruck haben Sie von der Mannschaft? Ich kann schon sagen, dass es eine homogene Gruppe ist. Zwei Neue sind dazugekommen, ansonsten ist das ein Jahrgang, der seit Jahren in dieser Struktur zusammenspielt. Das merkt man im Umgang miteinander. Ich habe den Eindruck, dass ein Team existiert, ein ausgeglichener Kader mit sehr interessanten, hochbegabten Talenten. Ich freue mich darauf, meinen Teil dazu beizutragen, dass sie den nächsten Entwicklungsschritt machen. Voriges Jahr um diese Zeit hat Ihr Vorgänger gesagt, seine Mannschaft sei im außersportlichen Bereich gut aufgestellt, aber keine Künstler-, sondern eine Arbeitertruppe – die am Ende die Staffelmeisterschaft gewonnen hat. Können Sie Ihr Team schon stilistisch einschätzen? Ich glaube, dass wir eine fußballerisch starke Mannschaft mit technisch hochveranlagten Spielern haben. Die Jahrgänge anderer Vereine kenne ich natürlich noch nicht, aber ich glaube, dass wir vor allem im Mittelfeld sehr interessant sein werden. Sie haben die Arbeit mit Schulen angesprochen. Wird das auch in Mainz Ihre Aufgabe sein? Ich bin ins Schultraining eingebunden, konzentriere mich aber erst einmal auf die U17. Welche Funktion dazukommt, werden wir noch besprechen. Das Gespräch führte Christian Karn. Mehr aktuellen Sport aus Mainz lesen Sie hier. Alle Artikel von Fußball (Amateure)