Peter H. Eisenhuth | 11.08.17

„Ich kann auch ekelhaft sein“

Von Freitag bis Sonntag veranstaltet der TSC Mainz auf seiner Anlage am Ebersheimer Weg die zweiten „Mainz Open“. Ein Turnier, das es ohne den langjährigen Cheftrainer und Talentförderer des Klubs, Babak Momeni, nicht gäbe.
Der Vater des Erfolges beim TSC Mainz: Cheftrainer Babak Momeni.
Der Vater des Erfolges beim TSC Mainz: Cheftrainer Babak Momeni. | Peter H. Eisenhuth

Mainz. Zu den Dingen, die Babak Momeni nicht besonders mag, gehört es, selbst im Mittelpunkt zu stehen. Als seine Regionalligaspielerinnen sich Ende Mai nach dem letzten Spieltag zum Meisterfoto aufstellten, bedurfte es schon der Androhung einer Sektdusche, um den Trainer aufs Bild zu zwingen. Eine Methode, die er selbst normalerweise nicht anwenden würde. Auch im Umgang mit seinen Spielerinnen und Spielern folgt er lieber einem Sprichwort aus seiner persischen Heimat, das da sagt: „jemandem mit Watte den Kopf abschneiden.“

„So weich Watte auch ist, wenn man sie zusammenrollt und presst, wird sie schärfer als ein Messer“, erläutert der 53-Jährige. „Das bedeutet, man muss nicht autoritär auftreten, um sein Ziel zu erreichen, sondern man kann auch andere Wege finden. Das sieht dann von außen so aus, als sei man ein ganz lieber Kerl, aber das Bild kann täuschen…“

Weinend aus dem Training

Momeni zitiert dieses Sprichwort in seiner Antwort auf die Frage, ob er ein strenger Trainer sei, ob er tatsächlich, wie er einmal andeutete, seine Mädchen auch schon mal zum Weinen bringe. „Nicht nur die Mädchen“, sagt er. „Auch alle meine guten Jungs sind mindestens einmal weinend aus dem Training rausgerannt…“ Aber so etwas gehöre gerade in einer Individualsportart wie dem Tennis dazu. Der Eindruck, er sei ein verständnisvoller und einfühlsamer Coach, sei nicht falsch. „Der stimmt, solange es so läuft, wie ich es möchte“, sagt Momeni und lacht. „Wenn das nicht der Fall ist, kann ich aber sehr ekelhaft sein.“

Livia Kraus spricht zwar nicht von „ekelhaft“, bestätigt ansonsten aber die Darstellung ihres Lehrmeisters. „Babak ist ein super Trainer, und das beinhaltet, dass er einem die Meinung sagt“, erzählt die gerade mit dem Team in die Zweite Liga aufgestiegene Topspielerin vom Ebersheimer Weg, die im vorigen Jahr die erste Auflage der Mainz Open gewonnen hat. „Manchmal schimpft er auch, aber wenn das so ist, wissen wir, dass er Recht hat.“

Wille als wichtigster Baustein

Zu den Voraussetzungen, die Babak Momeni an eine Zusammenarbeit mit jungen Talenten knüpft, gehören zwei wesentliche Dinge. Zum einen „müssen sie es ohne Wenn und Aber wollen, sehr gut zu werden“, betont er. Wer das Glück habe, über motorisches Talent und psychische Stabilität zu verfügen, dem biete sich die Chance, es sehr weit zu bringen. „Aber ich glaube, der wichtigste Baustein zum Weiterkommen, ist der Wille. Ohne diesen Willen, es ganz weit nach oben zu schaffen, kann man noch so talentiert sein, dann wird man irgendwann stehenbleiben.“

Zum anderen sei es für ihn als Trainer unbedingt erforderlich, mit den Eltern der Kinder zurechtzukommen. Wenn hier die Chemie nicht stimme, sei von vornherein klar, dass irgendwann der Bruch erfolgen werde. „Ich will ja nicht nur zwei Jahre mit den jungen Spielern arbeiten, sondern vom sechsten, siebten, achten Lebensjahr an bis sie 18 oder 19 sind“, sagt der Coach. „Und das geht nur, wenn es auch mit den Eltern passt.“ Passt es nicht, was er in der Regel bei seiner ersten Begegnung einschätzen könne, lehnt Momeni es lieber ab, den Jungen oder das Mädchen in seine Trainingsgruppe aufzunehmen, als sich sehenden Auges unnötigem Stress auszusetzen.

Mit 17 Jahren nach Deutschland

Der Erfolg gibt dem Mann Recht, der selbst erst spät zum Tennissport fand – und sich dann beachtlich entwickelte. Mit 17 Jahren, gerade den Schulabschluss in der Tasche, verließ der in Teheran Geborene seine Heimat. Aus politischen Gründen und weil er studieren wollte – doch ein Jahr nach der Islamischen Revolution waren die Universitäten im Iran geschlossen.

„Deutschland war damals das einzige Land, in das man ohne Visum reisen konnte“, sagt er, der nach einem sechsmonatigen Sprachkurs in Frankfurt („Mit Ach und Krach die Prüfung bestanden“) zunächst in Gießen ein Semester Medizin und dann Agrarwissenschaft bis zum Vordiplom studierte, bevor er sich in Mainz für Sport einschrieb.

Einen Tennisschläger hielt Momeni erstmals in seiner Gießener Zeit in der Hand, arbeitete autodidaktisch mit Büchern und an der Ballwand, bis er einen Lehrer kennenlernte, der ihm auf dem Platz die nächsten Schritte beibrachte. Tennis zu lernen sei ihm nicht schwergefallen, erzählt er. „Ich war ein sehr guter Sportler, gerade in den Ballsportarten und habe in den Schulmannschaften Volleyball, Basketball und Fußball gespielt.“

Nur schwimmen konnte er nicht

Auch später im Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität habe es nur eine Sportart gegeben, mit der er nicht klarkam: Schwimmen. „Ich habe es gehasst“, gibt er zu, „und ich konnte es nicht.“ Der frühere Mainzer Sportjournalist Uwe Martin, ein Studienfreund Momenis, brachte es vor einigen Jahren in einem Artikel auf den Punkt: „Er ist geschwommen, um nicht zu ertrinken.“ Vielleicht hätte er es mal mit Wasserball versuchen sollen.

Als Tennisspieler hingegen bewies der Späteinsteiger beachtliches Talent, das sich mit seinem Ehrgeiz paarte und in binnen fünf Jahren von der B-Klasse bis in die Hessenliga führte. Als Trainer arbeitete Momeni schon Mitte der 80er Jahre auf dem Lerchenberg, später mit den Nachwuchs des Rheinhessischen Tennis-Verbands. Anfang der 90er Jahre erwarb er das Diplom als „Staatlich geprüfter Tennislehrer“, 1993 folgte der A-Schein. Beim TSC Mainz fungiert Momeni seit 24 Jahren als Chefcoach, im Herbst 2004 eröffnete er seine Tennisakademie, aus der seither manches Talent hervorgegangen ist.

Unterstützung von den Rizzi-Brüdern

Derzeit betreut er vier Akteure intensiv – die Schwestern Livia und Sinja Kraus, Mika Lipp und Daniel Kirchner –, damit sei die Kapazitätsgrenze aber auch erreicht. Schließlich ist es mit den Trainingseinheiten alleine nicht getan, es geht unter anderem auch um die Begleitung bei Turnieren. Das sagt, Momeni, sei ohnehin nur möglich, weil er in Joel und Niko Rizzi zwei seiner früheren Zöglinge als Trainer in der Akademie habe. „Hervorragende Jungs, und sie sind für mich wie meine Kinder“, sagt er. Als sie ihn vor ein paar Jahren nach einer beruflichen Perspektive in der Akademie fragten, sagte Momeni ja. „Unter der Voraussetzung, dass die vorher ein Studium abschließen.“

Geht so, jemandem mit Watte den Kopf abzuschneiden? Babak Momeni lacht. „Genau so.“

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