Es lebe der Seniorensport
Als es unlängst in einer Pressekonferenz des FSV Mainz 05 um die Zukunft von Nikolce Noveski ging, würdigte Christian Heidel die Verdienste des 36-Jährigen, sagte aber auch: „Fakt ist, dass wir ihm keinen Fünfjahresvertrag mehr geben.“ Einige Journalisten kicherten, andere lachten, und der Manager dachte wahrscheinlich, er hätte einen netten Witz gemacht.
Geht es nach dem Willen des Mainzer Arbeitsgerichtes, dürfte ihm das Lachen jetzt im Halse steckengeblieben sein.
Das Gericht hat einer Klage von Heinz Müller rechtgegeben, wonach die Befristung seines letzten Arbeitsvertrages am Bruchweg unzulässig war. Kurz gesagt: Da der Torwart von 2009 bis 2012 schon einmal einen auf drei Jahre befristeten Vertrag unterschrieben hatte, hätte eine Verlängerung unbefristet erfolgen müssen (zumindest hätte der Verein seinem Spieler ein entsprechendes Angebot unterbreiten müssen). „Es gibt nach dem Gesetz nur zwei Möglichkeiten für eine Befristung: Entweder eine Gesamtdauer von maximal zwei Jahren oder weil ein Sachgrund dafür vorliegt“, heißt es in der Begründung.
Und das wirft mindestens drei Fragen auf.
Erstens: Wird von Mainz eine Bewegung ausgehen, die den Fußball in seinen Grundfesten erschüttert, weit stärker noch als einst das Bosman-Urteil (was dazu führte, das Spieler nach Vertragsende ablösefrei wechseln dürfen)?
Zweitens: Weiß die zuständige Richterin, wovon sie spricht?
Drittens: Ist Heinz Müller ein Raffzahn, treibt ihn Rachedurst oder gibt er die Leberwurst?
Nicht ganz auf dem Gehaltsniveau von Zeitarbeitern
Gehen wir einmal davon aus, Müller hätte sich in der Zeit nach 2012 nicht verletzt und obendrein Leistungen gebracht, die als echter Beitrag zum Verbleib der 05er in der Bundesliga durchgegangen wären, Thomas Tuchel hätte ihn nicht ins zweite oder dritte Glied gerückt und schon gar nicht Loris Karius zur Nummer eins gemacht – schwer vorstellbar, dass Heinz Müller irgendwann seinen Ex-Arbeitgeber verklagt hätte. So aber hatte er den Eindruck, ihm sei großes Unrecht widerfahren. Und dafür will er sich jetzt rächen. Das ist sein gutes Recht. Kein Paragraph verbietet es, vor Gericht zu ziehen, nur weil die Klage auf Beleidigtsein basiert.
Aber: Was gilt als ein „Sachgrund“, wenn nicht die Tatsache, dass Spieler von einem gewissen Zeitpunkt an nicht mehr in der Lage sind, den hohen körperlichen Anforderungen des Profifußballs gerechtzuwerden – und wenn deshalb die Vereine ihre Verträge entsprechend ausrichten? Nebenbei bemerkt ist es ja nicht so, dass Bundesligaprofis mit dem Gehalt eines von Zeitarbeitsfirmen vermittelten Büroboten auskommen müssten. Wenn sie nicht ganz frisch im Geschäft sind – und das ließ sich von Müller wahrlich nicht behaupten – werden sie, verglichen mit normalen Arbeitnehmern, fürstlich bezahlt. Auch, weil sie ihren Beruf ja nur über einen begrenzten Zeitraum hinweg ausüben können und sich ein paar Euro zurücklegen müssen. Üblicherweise geht mit jeder Vertragsverlängerung (und sei sie nur für zwei Jahre) eine Gehalterhöhung einher.
Schamgrenze außerhalb des Sechzehners
Heinz Müller dürfte in seinen fünf Mainzer Jahren ein nettes siebenstelliges Sümmchen verdient haben. Offenbar nicht genug.
Die Schamgrenze verläuft manchmal weit außerhalb des Sechzehnmeterraums.
Der FSV Mainz 05 hat selbstverständlich angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Da gesunder Menschenverstand und Rechtsprechung nicht immer über eine Schnittmenge verfügen, könnte es passieren, dass Heinz Müller im Recht bleibt. Und dann? Welche Bedeutung hätte dies für den Fußball und darüber hinaus? Müsste ein solches Urteil nicht auch auf andere Branchen übertragen werden?
Das ZDF hat bereits in vorauseilendem Gehorsam das angedachte Aus für Carmen Nebel zurückgenommen. In der ARD droht der ewige Silbereisen. Und wird Angela Merkel jemals das Bundeskanzleramt verlassen? Man mag sich das alles gar nicht vorstellen.
Gerne wird der Fußball und das, was in den Stadien geschieht, als „Spiegelbild der Gesellschaft“ bezeichnet. Warum also sollte sich die demografische Entwicklung in Deutschland, die schrittweise Vergreisung der Nation, nicht auch innerhalb der Klubs niederschlagen?
Noveski hat nichts davon
Vielleicht wollte die zuständige Richterin des Mainzer Arbeitsgerichts aus diesem Grunde Lanze für den Seniorensport brechen. Dann tragen die 05er künftig ihre Heimspiele in der Corega-Tabs-Arena aus. Als Hauptsponsor prangt „Lifta – Der Treppenlift“ auf den Trikots. Bundesligaspiele werden notwendigerweise in vier Vierteln absolviert, die Vermarktungsrechte an den zusätzlichen Unterbrechungen sichert sich „Prostagutt megaforte“ („Noch weniger müssen müssen“). Bei Toren der Heimmannschaft ertönt „Kein schöner Land zu dieser Zeit“. Und Auswechslungen präsentiert die „Karl Rech KG – Ihr Bestattungsinstitut im Schatten des Doms“.
Nur Nikolce Noveski wird von all dem nicht profitieren. Der rostfreie mazedonische Eisenmann wird auch 2055 noch mit seinen dann 76 Jahren auf der Ersatzbank des FSV Mainz 05 sitzen. An den beiden Nachwuchskräften in der Innenverteidigung, Niko Bungert (68) und Stefan Bell (63) führt einfach kein Weg mehr vorbei.
Was ein Arbeitsrechtler zu diesem Thema sagt, lesen Sie hier: „Kein Ansatz, Profivereine anders zu behandeln als Wirtschaftsunternehmen“