Peter H. Eisenhuth | 08.10.2022

„Ein wunderbarer Mensch“

Horst Hülß war Spieler und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zweimal Trainer des FSV Mainz 05. Und noch viel mehr. Ein Nachruf.
Dort, wo Horst Hülß so viele Heimspiele gesehen hatte, erinnerte der Verein am Samstag mit einem Foto und Blumen an ihn.
Dort, wo Horst Hülß so viele Heimspiele gesehen hatte, erinnerte der Verein am Samstag mit einem Foto und Blumen an ihn. | Peter H. Eisenhuth

Er kannte sie alle. Jeden Bundesligatrainer, der mit seiner Mannschaft an den Bruchweg und später in die Arena am Europakreisel kam. Und erst recht jeden, der den FSV Mainz 05 trainierte. So wie er selbst das zweimal getan hatte, von Januar 1976 bis zum Ende der Saison 1979/80 und noch einmal 1988/89 für 19 Zweitligaspiele. Man kann wohl sagen, dass Horst Hülß sich beide Male in den Dienst des Vereins stellte, wenn es um dessen Finanzen nicht zum Besten bestellt war.

Geld aber ist nicht die Triebfeder des am 5. September 1938 in Rossach bei Coburg geborenen Trainers. Ihm ging es um den Fußball und, auch damals schon, um den Klub, zu dem er mit 26 Jahren als Spieler von Viktoria Köln (unter Trainer Hennes Weisweiler) gekommen war und für den er binnen drei Spielzeiten 86 Regionalligapartien bestritten hatte.

In den Monaten, in denen er die Mannschaft in der Zweiten Liga unter sich hat, „sind die Spiele Spektakel“, wie der 05-Historiker Christian sagt. „05 hat in der Abschlusstabelle die beste Offensive und die zweitschlechteste Defensive der Liga.“ Danach gibt der klamme Verein die Lizenz zurück, aber Hülß hält ihm die Treue, geht mit in die Amateurliga, wird mit einer wild zusammengewürfelten Mannschaft Sechster, ohne Chance, in den Titelkampf einzugreifen, gewinnt aber den Südwestpokal. 

Eine Saison später führt er die Mainzer zur Meisterschaft und holt die Fans zurück an den Bruchweg. Zur Rückkehr in die Zweite Bundesliga aber reicht es nicht; in der Aufstiegsrunde verlieren die 05er alle Spiele.  

Bei insgesamt zwölf Vereinen im Rhein-Main-Gebiet, von Ingelheim bis Sindlingen, ist Hülß zwischen 1968 bis 2002 als Trainer tätig, „er hat den Fußball unserer Region über Jahrzehnte geprägt“, sagte Stefan Hofmann, der Vorsitzende des FSV Mainz 05. „Horst Hülß ist eine Ikone von Mainz 05, weil er die sportliche Entwicklung des Vereins in den 1960er- und 1970er-Jahren maßgeblich beeinflusst hat und auch über seine Vertragszeit hinaus immer ein enger Begleiter und ein Gesicht des Vereins“, nicht zuletzt als langjähriges Mitglied des Ältesten- und Ehrenrates.

Auch fürs Trainerwesen engagiert Hülß sich über einen langen Zeitraum hinweg. Von 1996 bis 2012 fungiert er als Pressesprecher des Bundes Deutscher Fußballlehrer, und wann immer der eine neue Publikation herausgibt, kommt Hülß zum nächsten Termin am Bruchweg mit einem Stapel der Magazine beladen. Dank dieser Tätigkeit bleibt er nicht nur den Amtskollegen seiner Generation, sondern auch dem Nachwuchs der Trainergilde eng verbunden.

Die engste Beziehung verbindet ihn mit Sandro Schwarz, und die beginnt schon lange bevor jemand ahnt, welchen Karriereweg der einmal einschlagen würde. Denn Hülß ist im Hauptberuf Studiendirektor am Mainzer Schloßgymnasium – und Schwarz macht dort sein Abitur.

„Ein wunderbarer Mensch“, sagt der heutige Hertha-Trainer. „Ich durfte ihn lange, lange Jahre erleben. Ob es als Lehrer war oder als treuer Wegbegleiter bei Mainz 05. Horst war ein hochanständiger Mensch, der einem immer helfen wollte, egal in welcher Situation man war. Als Sportlehrer in der Schule, als Trainer unserer Schülermannschaft und später in den 05-Zeiten hat Horst alles, was er gemacht hat, mit Herzblut gemacht. Er hat den Verein gelebt, und es war immer total angenehm, mit ihm über den Fußball und das Leben allgemein zu reden.“

Über den Fußball reden Hülß und Schwarz während dessen Zeit als Bundesligatrainer seines Heimatklubs nahezu wöchentlich. Der alte Fußballlehrer ist Stammgast bei den Pressekonferenzen des jungen, dessen Weg auch immer zu seinem Mentor führt. Die Heimspiele verfolgt Hülß in der Regel von der Pressetribüne aus, auch als das Gehen ihm schon schwerfällt, bis die Coronapandemie und die damit einhergehenden Bestimmungen das nicht mehr zulassen.

Seinen Lebensabend verbringt Hülß mit seiner Ehefrau in einem Mainzer Pflegeheim. Eine private Initiative aus der 05-Fanabteilung des Vereins ermöglicht ihm, als die Stadien wieder geöffnet werden, so lange es geht den Besuch der Heimspiele, berichtet der Verein.

Horst Hülß ist am Freitag, wenige Wochen nach seiner Frau, im Alter von 84 Jahren gestorben.

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