Bundesliga | Peter H. Eisenhuth | 26.07.25 „Ein bisschen mehr Menschlichkeit bewahren“ NEUES AUS HOPFGARTEN (7) | 05-Profi Danny da Costa über die Fähigkeit, nach Spielen schnell abzuschalten, die mit der Conference League verbundenen Herausforderungen, seinen Umgang mit dem Hinweis, nicht mehr gebraucht zu werden, den Point of Return, reißerische Schlagzeilen und abhandengekommenen Respekt. Kann immer noch schnell und viel laufen: Danny da Costa. | Eva Willwacher Aus dem Trainingslager des FSV Mainz 05 berichtet Peter H. Eisenhuth. Herr da Costa, sind Sie ein Trainingslagertyp? Wie definiert man einen Trainingslagertypen? Als einen, der Spaß hat, jetzt eine Woche von zu Hause weg zu sein. Oder sind Sie eher Heimschläfer und bevorzugen das Training am Bruchweg? Da bin ich definitiv eher zweiteres. Für mich wäre es völlig fein, am Bruchweg zu trainieren. Aber Trainingslager gehören nun mal dazu. An sich tut es auch mal ganz gut, mit der Mannschaft so lange Zeit auf engem Raum zu sein und sich Dinge zu erarbeiten. Aber wenn man mir die Wahl ließe, würde ich auf Trainingslager verzichten. Es ist aber nicht so, dass ihr so etwas wie einen Lagerkoller kriegt, oder? Dafür scheint die Harmonie im Team zu stark ausgeprägt zu sein. Man versteht sich untereinander ziemlich gut. Diese Mannschaft hier noch mal ganz besonders. Ich bin auch wieder mit Dominik Kohr auf dem Zimmer, wir kennen uns seit Ewigkeiten, das ist immer lustig. Und ich glaube, man hat die gute Stimmung auch heute wieder auf dem Platz gesehen. Wir finden schon unsere Wege, dass bei aller seriösen Arbeit der Spaß nicht verlorengeht. Nach dem lockeren Auftakt am Ankunftstag hat der Trainer angekündigt: Das war es jetzt erst mal mit Spaß. Ab sofort wird es ernst. Wie ernst wurde es? Es wurde schon sehr ernst. Es geht auch darum, sich Dinge für das Spiel zu erarbeiten, und das setzen wir total konzentriert um. Dieser Wille ist bei jedem einzelnen zu spüren, die Dinge, die wir vorher besprochen haben, direkt auf dem Platz zu zeigen. Aber die Ansage des Trainers war auch ein bisschen mit Augenzwinkern zu verstehen. Denn letzten Endes ist es so, dass man, wenn man Fußball ohne Spaß spielt, ziemlich sicher nicht besonders gut spielen wird. Wie lange brauchen Sie, um eine Saison wie die zurückliegende, die gegen Ende ein bisschen stressig war, weil es um die Qualifikation für Europa ging, zu verarbeiten? Um im Urlaub runterzukommen? Das geht bei mir sehr schnell. Generell habe ich auch nie großartige Probleme, Spiele zu verarbeiten. Überspitzt gesagt: Als das letzte Saisonspiel gegen Bayer Leverkusen abgepfiffen wurde, hatte es sich für mich bereits erledigt. Echt? So schnell? Ja. Für mich ist es dann vorbei. Danach haben wir ein paar Wochen zum Runterfahren, auf die ich mich immer sehr freue, weil ich Zeit für die Familie und für ein paar Tage keine Verpflichtungen habe. Deshalb kann ich den Fußball sehr schnell ausblenden. Es ist eher so, dass kurz bevor es wieder losgeht und man die Erträge der vorigen Saison sieht, sprich Conference League, Play-offs, Gedanken aufkommen, was die Saison eigentlich für den Verein und für uns Spieler bedeutet hat. Aber keine Grübeleien, was noch alles möglich gewesen wäre, nachdem ihr so lange an der Champions League gerochen habt? Nein, bei mir wirklich ganz und gar nicht. Klar, wäre das schön gewesen. Wir standen auch relativ lange auf dem vierten Platz... ...sogar mal auf dem dritten... ...stimmt, sogar mal auf dem dritten. Und ich habe es, glaube ich, in einem SWR-Interview mal gesagt: Hätte man mir das vor der Saison angeboten, hätte ich es sofort unterschrieben. Aber der Saisonverlauf hat auch gezeigt, warum wir die Position nicht halten konnten. In manchen Spielen hat ein bisschen Spielglück gefehlt, in anderen Spielen war die Konsequenz nicht da, um vielleicht auch mal ein schlechteres Spiel zu gewinnen und nicht nur mit einem Punkt rauszugehen. Aber alles in allem war das einfach eine sehr, sehr gute Saison, und deshalb gibt es im Nachgang keinen Grund für Grübeleien. Welche Rolle spielt denn jetzt die Conference League für Sie in der Vorbereitung auf die neue Saison? Sie sind international erfahren, Sie wissen, was es heißt, in drei Wettbewerben unterwegs zu sein. Erst mal eine untergeordnete Rolle, weil Vorbereitungen an sich immer ähnlich ablaufen. Und wir haben zum Glück wegen der Play-offs keinen früheren Saisonstart, sprich, sie greifen nicht in unsere Abläufe ein, die wir in der Sommerpause hatten oder in der Vorbereitung haben. Fakt ist aber: Wenn wir die Play-offs gewinnen sollten, müssen wir uns bewusst sein, dass uns die nächsten Monate mental ein bisschen mehr abverlangen als gewohnt. Es geht gar nicht mal um die Spiele an sich. Die kann man immer spielen, selbst wenn man sich ein bisschen müde fühlt von dem vorangegangenen Bundesligawochenende. Wenn dann am Donnerstag das Conference-League-Spiel ansteht, ist man körperlich wieder fit. Es ist mehr diese mentale Komponente, speziell die Reisen zu Auswärtsspielen und was dann noch dazukommt. Ich bin ganz froh, dass ich diese Erfahrung einfach schon gemacht, die eine oder andere Europareise schon erlebt und für mich einen Weg gefunden habe, um mental und körperlich bestmöglich gewappnet zu sein. Wenn irgendein Spieler Fragen dazu hat, stehe ich gerne als Ansprechpartner zur Verfügung. (lacht) Ist es auch eine mentale Umstellung, donnerstags international zu spielen, vielleicht auch gegen einen der Topgegner, die in der Conference League ja durchaus herumlaufen, und dann sonntags zum Beispiel nach Heidenheim zu müssen? Nein, wer der Gegner ist, spielt gar keine Rolle. Am Ende des Tages geht man in jedes Spiel, um es zu gewinnen, unabhängig davon, welche Namen auf dem Papier stehen. Eine mentale Rolle spielen kann allerdings, dass gerade bei Vereinen, die nicht Jahr für Jahr international vertreten sind, die Spiele unter der Woche auf ein besonderes Level gehoben werden. Siege werden noch mal besonders gefeiert, und auf den Spielen liegt ein besonderes Augenmerk der Fans und des gesamten Umfelds. Der Verein selbst muss dann Aufgaben bewältigen, die er vielleicht im Bundesligaalltag nicht hat. Man merkt schon, dass die Dinge international einfach ein bisschen anders sind, auch die Atmosphäre. Zum Beispiel, dass es sich in der Regel um Abendspiele bei Flutlicht handelt und nicht um 15.30 Uhr am Samstag. Die Spiele in beiden Wettbewerben haben dieselbe Wichtigkeit, finde ich, aber die europäischen Spiele kommen einem vielleicht eher noch mal ins Gedächtnis. Man sagt immer, Bundesliga sei der Alltag, den müssen wir auf jeden Fall bewältigen, und tatsächlich müssen wir genauso performen, wie wir es vorige Saison getan haben. Aber wir haben uns jetzt auch die Möglichkeit erarbeitet, das Ganze mit der Conference League zu krönen. Das gilt es von der ersten Sekunde an zu genießen und mitzunehmen. Euer Kader hat nur zwei Stammkräfte verloren, Jonathan Burkardt und Moritz Jenz. Ist das ein Vorteil, weil ihr euch alle kennt, weil ihr auf dem Platz harmoniert? Oder braucht eine Mannschaft doch noch mehr Impulse von außen, ein bisschen frisches Blut, neue Ideen, neue Ansprachen? Es tut uns schon gut, dass wir den Kern zusammenhalten konnten, dass wir eine eingespielte Truppe sind. Man sieht es auch bei anderen Vereinen, die weitgehend Konstanz in ihrem Kader haben, dass dies Vorteile mit sich bringen kann. Uns hat dieses Gerüst bereits in der vorigen Saison gestärkt. Deswegen mache ich unserer sportlichen Leitung ein Kompliment, dass es ihr gelungen ist, den Kader weitgehend zu halten. Sicher, das Transferfenster ist noch lange offen, aber ich glaube, es ist schon ein gutes Zeichen, dass wir nicht von den ersten fünfzehn Spielern sechs abgeben mussten. Der Verlauf, den Ihre persönliche Saison genommen hat, war vor einem Jahr im Sommer nicht abzusehen. Es hat eine Weile gedauert, bis Sie wieder zum Zug kamen. Das Thema wurde schon im Laufe der letzten Saison sehr häufig durchgekaut. Um es einfach zu sagen: Im Fußball gibt es immer mal Situationen, die man kaum noch für möglich hält. Gerade von außen, vor allen Dingen medial, wurde es nicht mehr für möglich gehalten, dass ich überhaupt noch mal spielen kann. In der Zeit musste ich sehr viel einstecken und brauchte ein dickes Fell. Aber ich selbst bin jetzt nicht so überrascht, dass es dann ganz anders kam. Man lernt einen Weg, für sich mit solchen Situationen umzugehen. „In erster Linie steht man als Spieler selbst in der Bringschuld“ Ich wusste: Alles, was ich beeinflussen kann, ist, wie ich im Training auftrete, wie ich mich am Arbeitsplatz präsentiere, dass ich dort meine Aufgaben mache. Alles andere liegt dann nicht mehr in meiner Verantwortung. Das entscheidet der Trainer, und wenn er sich gegen mich entscheidet, dann ist es leider so. Ich kann es ihm nur jeden Tag aufs Neue so schwer wie möglich machen, sich gegen mich zu entscheiden. Das habe ich versucht, mir immer beizubehalten. An manchen Tagen ging das sehr gut, an anderen Tagen weniger gut. Und als es dann so weit war und ich die Chance bekommen habe, war ich ganz froh, dass ich sie auch nutzen konnte. In erster Linie steht man als Spieler selbst in der Bringschuld. Hatten Sie bestimmte Mechanismen, sich an schwierigen Tagen immer wieder hochzuziehen? Ja, ich habe versucht, sobald ich das Trainingsgelände verlassen habe, einen Cut zu machen. Das war jetzt meine Arbeit, und die möchte ich nicht mit nach Hause nehmen. Dort habe ich mich anderweitig gepuscht, mich mit anderen Dingen beschäftigt, die mir Spaß machen, die mir Kraft geben. Weil, ich sag's mal so: Als Fußballspieler nicht viel zu spielen, macht nicht sonderlich viel Spaß. Ich habe in der Zeit ein bisschen das Tennisspielen für mich entdeckt. Das war ein schöner Ausgleich, gerade weil ich ein kompletter Anfänger war und zu Beginn viele Fortschritte gemacht habe. Sie spielen in Ingelheim, oder? Genau. Der Verein hat schwierige Zeiten durchlaufen, aber es ist ein super Klub. So viel Werbung muss an dieser Stelle mal sein. Tennis war für mich auch ein Ausgleich zu den Fußballspielen, die mir am Wochenende abhandengekommen waren, und ich hatte das Gefühl, trotzdem irgendwie belastet zu sein. Das tat mir persönlich gut. Aber das ist sicher bei jedem anders, ich kann nicht zu jemandem sagen: Wenn du eine schwierige Zeit hast, geh Tennis spielen. Da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Mir hat es geholfen, ich habe aber auch viele Gespräche geführt, auch mit alten Wegbegleitern, die eine solche Situation schon mal erlebt hatten. Und selbstverständlich habe ich viel mit meiner Frau gesprochen. An manchen Tagen, an denen es mir nicht gut ging, brauchte ich auch mal meine Ruhe. Und so habe ich es dann geschafft, dass ich zumindest in den Trainingseinheiten zu 100 Prozent fokussiert war und meine Leistung bringen konnte. Was war dann der Point of Return? Hm, das könnte jetzt auch eine Tennisfrage sein... Also, wann hat der Umschwung auf dem Fußballplatz eingesetzt? Das müssen Sie den Trainer fragen, er hat mich ja aufgestellt. (lacht) Was war der Umschwung? Na gut, da muss ich ein bisschen ausholen. Ich hatte schon im Sommer mit dem Trainer gesprochen, und er war sehr offen zu mir. Er hat mir gesagt: „Auf der rechten Seite gibt es Anthony Caci, da gibt es Silvan Widmer, und jetzt ist noch Niki Veratschnig neu dazugekommen.“ Wenn sich bei mir eine Veränderung ergeben sollte, würde er sich nicht querstellen, und mir keine Steine in den Weg legen wollen. Das war im ersten Moment hart. Niemand hört gerne, dass man im Grunde genommen nicht gebraucht wird. Aber ich habe ihm dann meine Sicht erklärt und gesagt, dass ich glaube, der Mannschaft schon noch irgendwie helfen zu können, und wenn nicht auf der Außenbahn, dann als Innenverteidiger. Darüber war er schon ein bisschen verdutzt, aber in einem Testspiel, in dem wir relativ viele Ausfälle hatten, hat er mich dann mal in der Dreierkette ausprobiert und offenbar ein halbwegs gutes Gefühl bekommen, dass ich diese Rolle tatsächlich spielen kann. Der Punkt, an dem der Umschwung wirklich kam, war das Spiel gegen Leipzig, in dem es ebenfalls keine Alternativen gab. Mir war klar: Jetzt muss ich liefern. Das hat wohl ganz gut geklappt. Drei Wochen später stand ich erneut in der Startelf und bin drin geblieben. Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten medial viel einstecken müssen. Ich erinnere mich an Ihre erste Medienrunde nach Ihrer Rückkehr aus Frankfurt, die Sie mit den Worten eröffneten: „Bevor ihr jetzt Fragen stellt, fange ich erst mal an“ – das war ein Novum. In Ihrer Ansprache sind Sie sehr kritisch mit der Berichterstattung über Ihre Person umgegangen. Was genau hatte Sie seinerzeit gestört, und hat sich das seitdem geändert? Also, ich würde es gar nicht mal nur auf mich selbst beziehen. Ich weiß, Fußball ist ein sehr schnelllebiges Geschäft, und ich weiß auch, dass sich die Medienlandschaft verändert hat. Früher hatte man seine Printmedien, irgendwann war Redaktionsschluss, die Texte sind in der Zeitung erschienen, und gut war es. Mittlerweile geht es auch darum, mit reißerischen Schlagwörtern Klicks zu generieren, Schnelligkeit steht oft vor Inhalt. Was mir dabei ein bisschen verlorengeht, ist der Respekt den Spielern gegenüber. Teilweise wird das dargestellt, als würde man sich auf den Platz stellen und mit Absicht einfach Kacke spielen. Ich habe noch nie mit jemandem zusammengespielt, der gesagt hat: „Jungs, heute werde ich mir Mühe geben, richtig schlecht zu sein.“ „Wenn man durch Negativität reißerische Schlagzeilen generieren will, wird Kritik zum Problem“ Teilweise reden wir über Spieler, die mehr als 100 Bundesligaspiele gemacht haben, denen man nach zwei, drei schlechten Partien gleich die Bundesligatauglichkeit abspricht. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg. Sachliche Kritik ist nie ein Problem, aber wenn's persönlich wird und man damit einfach nur durch Negativität reißerische Schlagzeilen generieren will, ist es sehr wohl eines. Ich bin Fan davon, sich ein bisschen mehr Menschlichkeit zu bewahren, darum ging es mir eigentlich nur. Ich hatte es ja selbst gerade erlebt und weiß, dass ich längere Zeit nicht viel gespielt habe, aber ich hatte nie den Glauben daran verloren, dass ich Bundesliga spielen kann. Dafür habe ich einfach zu viel erlebt, mich nach zu vielen Rückschlägen zurückgekämpft. Und ich dachte mir: Leute, ich bin jetzt 30, 31 Jahre alt und meine Karriere ist nicht vorbei. Ich bin körperlich in einer richtig guten Verfassung, ich kann immer noch schnell laufen, ich kann immer noch viel laufen. Und am Ball war ich auch nicht immer der Blindeste. Natürlich gibt es Spieler wie Nadiem Amiri, die fußballerisch noch mal ganz, ganz andere Qualitäten mitbringen, aber die Aufgaben, die sich mir in der Bundesliga auf meiner Position stellen, kann ich noch gut erledigen. Deshalb hat er jetzt auch die Zehn. Richtig. Aber: Jede Mannschaft besteht aus Spielern, die ganz unterschiedliche Qualitäten haben. Mir geht es einfach bei allem um einen respektvollen Umgang miteinander. Den pflege ich auch mit anderen Menschen und damit auch mit Journalisten. Wenn ich in ein Gespräch gehe, möchte ich auf Augenhöhe kommunizieren. Dann hat man auch ein viel besseres Miteinander. Ich gebe zu, dass die Erfahrungen der Vergangenheit bewirken, dass ich nicht gerade in Jubel ausbreche, wenn ich eine Interviewanfrage bekomme. Vielleicht bin ich auch einen Tick zu negativ, aber es ist einfach meine Wahrnehmung. Niko Kovac hat in Frankfurt immer zu uns gesagt, für ihn sei es viel schöner, wenn die Leute einen als netten, respektvollen Menschen in Erinnerung behalten, als nur als guten Fußballer, der ansonsten ein Arschloch war. Diese Haltung versuche ich zu leben. Und ich tue mich schwer damit, wenn ich das Gefühl habe, der Gegenüber sieht das nicht so. Danny da Costa, ich bedanke mich für das Gespräch und hoffe, Sie empfanden es nicht als schlimm... Nein, war sehr angenehm. Das fand ich auch. Gerne wieder – aber nicht mehr in dieser Woche. Starkes Comeback: Mit seiner Leistung gegen RB Leipzig am siebten Spieltag spielte Danny da Costa sich auf der ungewohnten Innenverteidigerposition in den Vordergrund. | Eva Willwacher Anzeige Anzeige Alle Artikel von Fußball (Bundesliga)