Christian Karn | 13.04.2020

Der erste Reformer

Die 05-Kalenderblätter* für den 13. und 14. April:
Trainer Heinz Baas mit der Mannschaft, die 1965/66 ins Viertelfinale des DFB-Pokals vorstieß.
Trainer Heinz Baas mit der Mannschaft, die 1965/66 ins Viertelfinale des DFB-Pokals vorstieß.

Mainz. Die 05-Kalenderblätter* waren ein fester Bestandteil der „nullfünf-Mixed-Zone“, die von August 2014 bis Oktober 2017 über den Mainzer Bundesligisten berichtete. Sie griffen Jubiläen, Besonderheiten und Ergebnisse an den jeweiligen Tagen auf. Heute geht es unter anderem um einen Toptrainer, dessen Entlassung beinahe zum Sturz des Vorstands geführt hätte, um einen ausgesprochen fairen Box-to-box-Spieler und um einen spektakulären Höhepunkt in der Fastenzeit.

 

13. April

Am Montag vor 97 Jahren kam Heinz Baas zur Welt, der eigentlich in einem Atemzug mit anderen Mainzer Spitzentrainern genannt werden müsste. Das Einzige, was den Innovator der frühen 1960er von Wolfgang Frank, Jürgen Klopp und Thomas Tuchel unterscheidet: Nach seiner Ära kam jahrelang nichts mehr.

Der Rheinländer Baas, zuvor Torjäger bei Eintracht Frankfurt und den Offenbacher Kickers, wurde am Bruchweg 1959 Nachfolger von Josef Kretschmann. Baas war ein Reformer, ein Revolutionär, in Mainz allerdings seiner Zeit deutlich voraus. Zwar führte er sofort ein modernes, lateinamerikanisch geprägtes 4-2-4-System ein, mit dem die 05er theoretisch den meisten Gegnern hoch überlegen waren. Bis er aber auch den Kader beisammenhatte, der dieses Überzahl-vorne-Überzahl-hinten-Umschaltspiel beherrschte, dauerte es Jahre.

Immerhin hielt Baas die Mainzer damit lange aus dem Abstiegskampf der Oberliga Südwest heraus. Und machte sie in der 1963 gegründeten Regionalliga zu einem Spitzenteam, dem jedoch die Krönung versagt blieb: Beste Platzierung war der dritte Rang 1965/66, zwei Punkte hinter dem zweiten Qualifikationsplatz zur Bundesliga-Aufstiegsrunde. Im Pokal hingegen brachte Baas die 05er mit Siegen gegen Werder Bremen und den TSV München 1860 erstmals (und bis 1999 zum einzigen Mal) ins Viertelfinale. Vor der Bruchweg-Rekordkulisse von 24.000 Zuschauern – ermöglicht durch eine Zusatztribüne hinter der damals noch nicht überdachten Gegengerade – unterlagen die Gastgeber dem 1. FC Nürnberg 0:3.

Offener Brief der Mannschaft

Im Frühjahr 1966 eskalierte ein Streit um den Trainer. Dieser hatte wie jedes Jahr seinen Vertrag fristgerecht gekündigt, um einen neuen, in der Regel besser dotierten Kontrakt auszuhandeln. Der Vorstand akzeptierte aber diesmal schlicht die Kündigung und machte sich auf die Suche nach einem Nachfolger.

Die Mannschaft schrieb einen offenen Brief, um Baas zu behalten. Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung Anfang März, bei der der Trainer für seine Erörterung langanhaltenden Applaus bekam, wäre der Vorstand beinahe gestürzt worden; die Mitglieder warfen diesem (sicher nicht zu Unrecht) vor, die Kündigung zu nutzen, um den beliebten, aber teuren Trainer elegant von der Gehaltsliste zu bekommen, und zogen den Abwahlantrag erst nach stundenlangen Debatten zurück. Nach sieben Jahren war die Ära Baas daher tatsächlich vorbei; bis Jürgen Klopp ihn 2008 überbot, war der Solinger der 05-Trainer mit der längsten Amtszeit.

Baas‘ weitere Trainerstationen waren der FSV Frankfurt (1966 bis 1968), der SV Wiesbaden (1968/69, 1974/75), Hessen Kassel (1969 bis 1971, 1973/74), der Karlsruher SC (1971 bis 1973) und zuletzt nach dreijähriger Pause der SC Freiburg (1978/79).

 

28 Jahre alt wird am Montag Marco Senftleben, der 2008/09 Stammspieler in der Innenverteidigung der Mainzer U17 war, später beim TSV Schott zum langjährigen Leistungsträger wurde, mit dem Klub von der Karlsbader Straße bis in die Regionalliga aufstieg und als Herbstmeister und Tabellenführer der Oberliga in die Coronapause gegangen ist.

 

14. April

Wenig bekannt ist über Karl Julius Wilhelm „Willi“ Bleimeister. Am 23. Dezember 1887 im damals noch nicht eingemeindeten Bockenheim bei Frankfurt geboren, spielte er offenbar schon 1908 und mindestens bis 1911/12 für die Mainzer. Am 14. April 1943 starb er.

 

36 Jahre alt wird heute Marco Caligiuri. In Villingen-Schwenningen geboren, spielte er für die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart in der Regionalliga, begann seine (zunächst nur ein Jahr währende) Bundesligakarriere beim MSV Duisburg, bevor er nach drei Jahren bei der SpVgg Greuther Fürth an den Bruchweg wechselte. Unter Thomas Tuchel kam der Außenverteidiger er in drei Spielzeiten auf 78 Einsätze und erzielte vier Tore.

Nach seinem Abschied aus Mainz wechselte Caligiuri für eine Saison zu Bundesligaaufsteiger Eintracht Braunschweig, danach zog es ihn zurück nach Fürth, wo er nach wie vor spielt und als Kapitän fungiert. Bemerkenswert: In seiner gesamten Karriere wurde der Defensivmann, den Martin Schmidt mal als Paradebeispiel eines Box-to-box-Spielers bezeichnete, nur einmal des Feldes verwiesen. In seiner Mainzer Zeit sah er lediglich vier Gelbe Karten. (phe)

 

Heute vor 21 Jahren wurde Jan Ostrowski geboren. Der Luxemburger spielte am Bruchweg für die U16, U17 und ein halbes Jahr für die U19, verbrachte den Rest seiner Juniorenzeit bei Eintracht Frankfurt und zog danach über Grasshoppers Zürich zu MKS Miedz Legnica. In seiner Vita stehen zwei A-Länderspiele für Luxemburg, in denen er mit dem neun Monate jüngeren heutigen 05-Bundesligaspieler Leandro Barreiro auf dem Feld stand.

 

20 Jahre alt wird Daniel Haritonov. Der gebürtige Landauer kam als Zehnjähriger von Wormatia Worms zu Mainz 05, spielte bis zum Ende der Jugendzeit als Linksverteidiger, war zuletzt Kapitän der U19. Im Sommer vorigen Jahres wechselte er zum Nordost-Regionalligisten Wacker Nordhausen und Anfang dieses Jahres zum Südwest-Regionalligisten Bayern Alzenau.

 

Genau 19 Jahre ist es her, dass die erfolgreichste Fastenzeit im katholischen Mainz ihren Höhepunkt hatte: Mit einem 4:2 bei Hannover 96 vollendete der neue Trainer Jürgen Klopp seine 19-Punkte-in-40-Tagen-Serie. Die Gastgeber führten zwar nach zwölf Minuten 2:0, aber Michael Thurk glich noch in der ersten Hälfte mit einem Doppelschlag aus, ehe Blaise Nkufo und Thomas Ziemer zum unerwarteten Auswärtssieg trafen. Christian Hock bereitete drei Treffer vor.

 

Wesentlich unspektakulärer war das 0:0 bei Bayern München elf Jahre später. Die Bayern hatten wenige Tage vor dem wichtigen Champions-League-Halbfinale und angesichts des großen Rückstands auf Borussia Dortmund augenscheinlich nicht die allergrößte Lust auf das Spiel und überließen den 05ern mehr oder weniger den Punkt.

 

*Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Schneider (nullfünf-Mixed-Zone).

 

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