Bestzeit laufen? In Mainz laufen!
Mainz. Irgendwo zwischen 100 und 150 hat sich die Zahl der Starterinnen und Starter eingependelt, die regelmäßig mit den „Meenz Runners“ ihre Runden drehen. Josie Tiemann ist nicht dabei. „Das ist das erste Mal, dass ich zugucke, statt selbst zu laufen, aber irgendjemand muss ja die Streckenparty organisieren“, sagt sie kurz vor dem Startschuss des Gutenberg-Halbmarathons und lacht. „Wenn ich allerdings gewusst hätte, dass die Steigung in der Quintinsstraße in diesem Jahr entfällt, hätte ich mich sofort wieder angemeldet.“
Das vorab gemachte Gruppenfoto könnte Aufschluss darüber geben, wie viele ihrer Lauffreundinnen und -freunde an diesem Tag durch die Stadt rennen. Tut es aber nicht ganz, denn: „Die ganz nervösen Hasen waren nicht dabei, sondern schon am Start, um sich aufzuwärmen.“
Als Standort haben die „Meenz Runners“-Supporters das Café „Butterfly Garden“ in der Großen Langgasse gewählt. Die Kooperation kam über eine befreundete Gruppe zustande, „und es ist der perfekte Platz“, sagt Josie Tiemann. „Hier haben wir die Gelegenheit, unsere Leute kurz nach dem Start anzufeuern und bei Kilometer 18, wenn sie jede Unterstützung brauchen können…“
Manche singen mit
Auf dem Leichhof stehen „Two and a box“, ein unverzichtbarer Bestandteil schon des vor 25 Jahren ins Leben gerufenen Gutenberg-Marathons. „Unser Repertoire reicht von Abba bis Zappa“, sagt Sänger Hajo Gehrmann. „Wenn die Leute deutschen Schlager hören wollen, kriegen sie den auch“, ergänzt Rainer Tiefenbach und lacht. „Das muss aber nicht sein“ – und wird auch nicht eingefordert.
Gitarrist Tiefenbach ist mit wechselnden Partnern seit der Premiere dabei, Gehrmann stieß 2010 dazu. Warum die beiden Wiesbadener an einem Sonntag um halb acht aufstehen, um notfalls bei Wind und Wetter in der Nachbarstadt zu musizieren? „Weil’s uns Spaß macht, zu singen und die Läufer zu motivieren“, sagt Gehrmann. Feedback für ihre Arbeit ernteten sie reichlich. „Die Leute warten schon auf uns, sie freuen sich, wenn sie um die Ecke kommen und uns sehen. Teilweise singen sie sogar mit.“
Unvergessen: Bei der Premiere im Jahr 2000 standen „Two and a box“ in Weisenau, und Tiefenbachs damaliger Kompagnon lief einige Meter mitsamt seinem Bass und ohne das Singen einzustellen mit. „Damit hat er es sogar groß in die Zeitung geschafft. In den folgenden Jahren bauten die Musiker ihre Box auf dem Neubrunnenplatz auf – und ermunterten manchen einsam sich quälenden Marathoni auf der zweiten Runde bei Bullenhitze zu letzten Kraftanstrengungen mit „El Condor pasa“…
Perfekte Strecke
Trotz der nur noch halben Distanz und angenehmer Lauftemperaturen schleppt sich auch diesmal manch überforderter Körper über den Asphalt. Wer zweieinhalb Stunden nach dem Start gerade erst die Christuskirche erreicht, dürfte Mühe haben, ins Ziel zu kommen, bevor es geschlossen wird.
Daniel Eppens hatte derlei Probleme nicht. „Haste noch Schmerzen?“ prangt es ihm von einem Pappschild entgegen. „Ja“, gibt er zu, und zwar seit dem fünften Kilometer. „Ich bin vorigen Sonntag den Hamburg-Marathon gelaufen und zwei Wochen vorher in Lissabon. Meine Beine sind ziemlich im Arsch.“ Dennoch reichte es für den Mann vom Run Unity Club Wiesbaden in 1:25,44 zu einer neuen Bestzeit. „Schöne flache Strecke, gute Stimmung, geiler als in Frankfurt“, sagt er nach seinem Mainzer Debüt. „Ich kann das nur jedem empfehlen.“
Dem schließt sich Steffen Suffel, ebenfalls erstmals in Mainz am Start, an. „Perfekte Bedingungen“, urteilt der Mann aus Großwallstadt, einem Ort bei Aschaffenburg mit großer Handballtradition („Die älteren Semester kennen das“). Er gehörte zu einer Gruppe, die sich hinter einem der offiziellen Pacemaker geschart hatte, „anfangs waren wir 100 Leute, am Ende noch zu zehnt“. Nach 1:29:13 war für Suffel („Ursprünglich bin ich auch Handballer“) Schluss. Sein Fazit: „Wenn man Bestzeit laufen will, hat Mainz die richtige Strecke.“
Der Körper erinnert sich
Neben der Streckenführung loben die Teilnehmer immer wieder auch die Stimmung an der Strecke. „Noch besser als vor einem Jahr“, versichert Oliver Kalb nach dem sechsten Halbmarathon in seiner Heimatstadt. Mit dem Bau eines Hauses beschäftigt, habe er weder Zeit fürs Training noch wie auch immer geartete Erwartungen an sich selbst gehabt – „aber der Körper erinnert sich an das, was er mal trainiert hat“, kommentiert er seine 1:34:36 erfreut.
„Super geiles Wetter, geniale Stimmung und eine gelungene Anpassung der Strecke“, bezieht sich Marianne Statt, zufälligerweise wie Kalb für die Laufleben-Running-Crew unterwegs, auf den nicht mehr vorhandenen Anstieg in der Quintinsstraße. „Ich hatte vorher gut Gas gegeben, deshalb war ich froh, dass ich dort nicht mehr hoch musste.“ Vorgenommen hat sie sich eine Zeit unter zwei Stunden, diese Marke unterbot sie glatt um acht Minuten. „Ich bin happy.“
Gelegenheit für einen Familienbesuch
Happy ist auch Cordula Jendras. Zwar läuft die Nachwuchsgruppentrainerin des USC Mainz nicht selbst, doch der Gutenberg-Halbmarathon hat Tochter Tabea mal wieder nach Hause geführt. Die lebt seit viereinhalb Jahren in Berlin, ist dort auch, wie einst im Heimatverein im SSC als Trainerin tätig. Für das Rennen in der Bundeshauptstadt hatte sie keinen Startplatz bekommen. „Deswegen will ich durch Mainz laufen, da kenne ich mich schließlich aus“, sagt sie vor dem Start.
Zweieinhalb Stunden später gesteht sie, von Kilometer 12 bis Kilometer 18 habe es wehgetan. „Und dann standen wir an der Strecke und alles war gut“, sagt die Mutter. Hätte die Familie halt mal besser auf Höhe des 13. Kilometers gestanden, dann wären die Schmerzen schneller verflogen und die Tochter noch früher ins Ziel gekommen. „Aber auch so war ich deutlich schneller als geplant“, sagt Tabea Jendras. Ihre Zeit: 1:43:20 Stunde.
OB traut sich eine Bestzeit zu
Die Atmosphäre in Kombination mit dem nahezu optimalen Laufwetter beflügelte selbst Menschen, die sich nur als Zuschauer im Umfeld von Start und Ziel aufgehalten hatten. Wie Nino Haase: „Da würde ich mir auch noch eine neue persönliche Bestzeit zutrauen“, sagte der parteilose Oberbürgermeister.
„Tolle Bilder der Sportstadt“ habe der Halbmarathon transportiert, der Finisherrekord sei trotz der am Freitag unvermittelt verkündeten Hiobsbotschaft der Bahn zustande gekommen, den S-Bahn-Betrieb in Mainz für drei Wochen einzustellen. „Jetzt wollen wir die Bilder nach draußen tragen, damit nächstes Jahr noch mehr Leute mitmachen wollen.“